Am 21. September wurde als letztes der zehn Galopprennen in Hannover eine Prüfung für die Halbblüter gelaufen. Nicht irgendeine, sondern es war der Hannoversche Prüfungspreis, intern landläufig auch als Halbblutderby bezeichnet. Im Grunde genommen musste nach jeder Form aus dem Trio Geladi, Biederich oder Baguss der Sieger kommen.
Doch es gewann mit Apoleon ein auf dem Papier erstmals an den Start kommender Vierjähriger, und das zur Eventualquote von nur 37:10. Auf der Bahn blinkte der Debütant am Anfang sogar, obwohl die derzeit besten deutschen Halbblüter am Start waren. Zeitweise gab es bei den Buchmachern Festkurse noch bis zu 550:10. Das hinderte den Schützling von Besitzer Volker Schleusner allerdings nicht daran, die Gegner mit Geladi, Baguss und Biederich an der Spitze mit sechs Längen Vorsprung förmlich zu pulverisieren.
Die Sensation war riesengroß! Inzwischen stellte sich heraus, dass Apoleon der in Cuxhaven und in Bad Doberan in den Reitpferderennen erfolgreiche Napoleon war. Natürlich sind wir der ganzen Sache einmal nachgegangen und haben uns unter anderem bei Trainerin Anna Schleusner-Fruhriep erkundigt. „Da die Pferde in den Bauernrennen nicht mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter beginnen müssen, sind wir auf den Namen Napoleon gekommen, wir hatten Apoleon am Anfang gar nicht für gut genug befunden, um ihn später in den öffentlichen Rennen laufen zu lassen. Daher haben wir uns in dieser Hinsicht gar keine Gedanken gemacht. Aber dann wurde das Pferd immer besser“, so die Betreuerin.
In Cuxhaven auf dem Duhner Watt war der Ogatonango-Sohn trotz dreihundert Meter Startverlust überlegenes Pferd und gewann darauf dann in gleichem Stil auch beim Ostee-Meeting in Bad Doberan. „Das muss ein Superpferd sein, das aus dieser Position gegen gewiss nicht schlechte Pferde wie Schattenlady und Co. gewinnt, vor allem im Hinblick auch auf längere Distanzen. Im Training ging er nicht schlechter als Alberto Hawaii“, sagte Hagen Wachtmann, Vorstandsmitglied im Verein für Halbblutzucht- und Rennen, und Kenner der Szene. Ein zweiter Auftritt am Sonntag an der Ostsee konnte wegen einer kurzfristig aufgetretenen Verletzung nicht realisiert werden. „Wir haben gemerkt, dass er immer besser wurde und haben ihn dann beim Direktorium mit dem Anfangsbuchstaben der Mutter Abisou eintragen lassen. So entstand dann der Name Apoleon“, klärt Anna Schleusner-Fruhriep auf.
Und wie erklärt sie sich, dass Apoleon am Totalisator so kurz stand? „Natürlich haben viele Leute nach den Reitpferderennen auf ihn gewettet. Ich selber nur mit fünf Euro, aber ich war gar nicht auf der Bahn, sondern mit meinen Kindern zu Hause. Ursprünglich wollten wir Tommaso Scardino verpflichten, aber der war nicht frei, dann haben wir seinen Kumpel Nicola Sechi verpflichtet, einen relativ unbekannten Azubi. Als nächste Aufgabe wird Apoleon ein Halbblutrennen in Bremen bestreiten.“
Die Leistungssteigerung der Schleusner-Pferde in dieser Saison ist schlichtweg sensationell. Noch am vergangenen Samstag gewann Alberto Hawaii in Hoppegarten einen Ausgleich II. „Damit hatten wir gar nicht unbedingt gerechnet, aber der Alberto ist ein richtiger Regen-Spezialist. Das neue Futter ist das A und O für die Leistungssteigerung. Am Anfang haben wir nur Hafer und Stroh gefüttert, wir mussten halt auch erst noch hinzulernen“, bekennt Anna Schleusner-Fruhriep. Apoleons Vater Ogatonango wurde von den Schleusners gezogen, war auf der Rennbahn ein eher durchschnittlicher Halbblüter, dessen beste Leistung ein zweiter Platz in Bad Harzburg war. Er war aber ein erstklassiges Reitpferd, gewann dreimal den Wanderpokal in Cuxhaven um das Ministerpräsidenten-Rennen.
Die Mutter Abisou wurde von Joachim Wulfekammer gezogen, stand im Besitz des Rennstall Torgos und gewann unter der Regie von Trainerin Ira Ferentschak beim letzten Start ihrer Karriere nach einer längeren Pause gegen Classic Dancer. Es war die erste Paarung von Ogatonango mit Abisou, aus der jetzt eben Napoleon bzw. Apoleon entstanden ist. „Der Vater gab mit zehn Jahren sein Debüt auf der Rennbahn, was schon weltrekordverdächtig ist“, schmunzelt Harald Siemen, Deutschlands Chef-Handicapper, und ergänzt: „Man darf nicht vergessen, dass Apoleon von den Gegnern einige Gewichtsvorgaben erhielt. Ich habe ihm eine Marke von 51 Kilogramm im GAG gegeben. So lange die Reitpferde in keinen wilden Rennen an den Start gehen, ist gegen einen Auftritt vorher nichts einzuwenden.“
Solch eine Konstellation wie am Sonntag in Hannover, als ein Bauernpferd mit einem neuen Namen gewann, ist wohl einmalig. Genau wie die Tatsache, dass ein Halbblüter ein Rennen gewinnt, dessen Vater auch ein Halbblüter war. „Das macht auch Mut für andere Züchter, dass aus einem mit bescheidenen Mitteln ausgestattetem Vater bzw. Mutter ein Überflieger kommen“, so Hagen Wachtmann.