INTERVIEW HEINZ JENTZSCH

INTERVIEW HEINZ JENTZSCH

‘Aus einem Esel kann man kein Rennpferd machen’

GaloppOnline.de: Wie geht es Ihnen, Herr Jentzsch?

Heinz Jentzsch: Danke der Nachfrage. Gut. Leute, die mich länger nicht gesehen haben, behaupten, ich sähe blendend aus. Aber das ist wohl nur geschmeichelt (lachend).

GaloppOnline.de: Bald geht es wieder los mit der Rennwoche. Wie sieht überhaupt heute Ihr Bezug zum aktuellen Rennsport aus und wo schauen Sie die Rennen?

Heinz Jentzsch: Am liebsten hier bei mir zu Hause. In der Woche erhalten wir viele Einladungen, ein Tisch ist immer reserviert. Und das Hallo ist immer wieder schön. Auch kommen viele Leute zu Besuch. Ach wissen Sie, wir, meine Frau und ich, leben im Grunde genommen sehr zurückgezogen.

Aber wenn die Pferde vor meinem Haus auf- und auscantern, sehe ich das am besten von meiner Terrasse aus. Und soll ich Ihnen was sagen, ich kann Ihnen von hier aus so manchen Sieger voraussagen. Daneben haben wir zu Hause Rennbahnfernsehen und verfolgen die Rennen regelmäßig.

GaloppOnline.de: Wann kam die Wende zur besseren Qualität der Pferde?

Heinz Jentzsch: Das war Ende der Fünfziger Jahre. Ich hatte ein zweijähriges Engagement in München und wurde von einem gewissen Ferdi Leisten angesprochen, ob ich nicht seine Pferde in Köln trainieren wolle. Außer ihm kannte ich damals in Köln niemanden. Das erste richtig gute Pferd war die Stute Brisanz, die die 1.000 Guineas und die Diana gewinnen konnte. Ende 1959 wechselte ich von München nach Köln und konnte in der folgenden Saison gleich Champion werden.

GaloppOnline.de: War denn früher alles besser?

Heinz Jentzsch: Nee, nee. Die gute alte Zeit hat es so nicht gegeben. Die Leute verdrängen nur gerne die schlechten Erinnerungen. Jede Zeit hat ihre Schwierigkeiten gehabt und der Rennsport war damals nach dem Krieg lange in einer Aufbruchstimmung.

GaloppOnline.de: Wie sehen Sie den Rennsport heute im Vergleich zu früher?

Heinz Jentzsch: Wenn ich das mit früher vergleiche, ist nicht alles Moderne ein Fortschritt für den Rennsport gewesen. Zu meiner Zeit in den frühen Jahren gab es kein Zielfoto, keine Startboxen, die Rennleitung arbeitete ehrenamtlich. Das hat sich im Laufe der Jahre zum Positiven gewendet, ist mit den Jahren viel professioneller geworden. Aber vor allen Dingen das Internet schadet dem Sport sehr.

Die Leute kommen doch zur Rennbahn, wollen Pferderennen sehen. Ich habe sogar das Gefühl, dass der Galopprennsport nichts von seiner Faszination verloren hat, aber es wird halt weniger gewettet. Dann glaube ich auch, dass wir lange über unsere Verhältnisse gelebt haben, heute wird auch viel mehr aufs Geld geachtet. Und die Leute haben in ihrer Freizeit viel mehr Möglichkeiten als früher.

GaloppOnline.de: Sie sind früher als Trainer eher selten ins Ausland gefahren, wenn man das mit heute vergleicht. Warum?

Heinz Jentzsch: Weil unsere Zucht heute besser denn je ist, wir sind viel konkurrenzfähiger geworden. Zu meiner Zeit mussten Sie schon ein Ausgleich-I -Pferd haben, um ein kleineres Rennen gewinnen zu können, heute gibt es viel mehr Möglichkeiten und die deutschen Erfolge im Ausland sprechen für sich. Ich sehe unsere Zucht auf einer Stufe mit Frankreich.

GaloppOnline.de: Gibt es eigentlich ein Geheimnis Ihres einzartigen Erfolges?

Heinz Jentzsch: Nein. Ich weiß nur, dass man aus einem Esel kein Rennpferd machen kann. Gute Trainer sind gute Beobachter. Die Pferde können uns ja nicht sagen, wie es ihnen geht oder wo es zwickt. Man muss sie halt immer im Blick behalten und eine zuverlässige Mannschaft im Rücken haben, das ist auch sehr wichtig.

Das ist mir bei den ehemaligen Hindernisjockeys oft aufgefallen, bei denen ist der Bezug zum Pferd noch intensiver, die sind auch nicht selten gute Trainer geworden. Ansonsten sind aus guten Jockeys selten gute Trainer geworden, sieht man mal von Peter Schiergen ab, der ja im Pferdestall groß geworden ist. Ein Klassejockey und ein hervorragender Trainer, wie man sieht.

GaloppOnline.de: Stimmt der Satz eigentlich, der Jentzsch hat seine Rennen am liebsten von vorne gewonnen?

Heinz Jentzsch: Das ist genauso ein Quatsch, wie die Presse immer behauptet hat, ich würde Brieftauben züchten. In den Altersgewichtsrennen hatten wir oft wenige Starter, und warum soll man die Pferde zu lange verstecken, dann lasse ich sie lieber von vorne gehen, da kommt mir halt keiner in die Quere. Aber generell kann man das nicht sagen. Es hat Pferde wie Lombard oder Dschingis Khan gegeben, die mussten von vorne gebracht werden. Das ging einfach nicht anders.
Wenn man Sie nach den besten Pferden fragt, die Sie je trainiert haben, taucht immer Acatenango auf, dreimal Galopper des Jahres.

GaloppOnline.de: Dieses Pferd hat jeder gekannt, er hat sich im Bewusstsein der Leute fest verankert. Steht er über allen?

Heinz Jentzsch: Das ist immer sehr schwierig zu beantworten, ein Rennpferd besonders herauszustellen. Jeder war für sich eine Persönlichkeit, ob Acatenango, Monsun oder Lando. Acatenango war mit Sicherheit ein sehr zuverlässiger. Die nehmen sich jedoch nicht viel.

GaloppOnline.de: Sie haben Ihren Derbysieger Lagunas einmal als besseres 1600-Meter-Pferd bezeichnet, wie konnte der dann das Derby gewinnnen?

Heinz Jentzsch: Na, einmal kommse halt immer über den Weg (lacht). Der hatte natürlich die Klasse und Tylicki hat sich damals auf dem größeren Steher Appolonius im Schlussbogen schon zu sicher gefühlt, obwohl ich das bis heute nicht begriffen haben, wie Lagunas das gewinnen konnte.

GaloppOnline.de: Wie sehen Sie Landos Derbysieg im Nachhinein? Das war doch auch etwas ganz Spezielles?

Heinz Jentzsch: Nach den Erfahrungen vor Hamburg, wo er ja auch eher im Feld mitgegangen ist und sich vielleicht im Zieleinlauf die erste Tribüne angeschaut hat, haben wir vor dem Blauen Band die Taktik umgestellt und ihn streng auf Warten reiten lassen. Tylicki hat das vom letzten Platz aus ganz hervorragend gemacht, ihn aus dem letzten Bogen heraus an der Außenseite gebracht, wo der Hengst ja dann lachend gewonnen hat.

GaloppOnline.de: Wenn Sie an Lando denken, wird doch der einzige deutsche Sieg im Japan-Cup unvergessen bleiben?

Heinz Jentzsch: Bei Lando konnten wir die Erfahrungen, die wir mit Tombos 1983 im Japan Cup gemacht hatten, umsetzen. Die Japaner hatten damals ein Führpferd, das nur über 1600 Meter kam. Dahinter haben wir uns damals gelegt, doch auf der Zielgeraden war nach dem schnellen Tempo der Akku leer. Lando hatte zuvor einen Start im Breeders Cup erhalten, von dem ich nicht unbedingt begeistert war. Kurze Zielgerade, das Wetter schlecht, der Boden war aufgeweicht und so gar nicht nach seinem Geschmack.

Dann war er noch angaloppiert worden, wobei die Sehne gottseidank nicht in Mitleidenschaft gezogen worden war. Er ist damals mit einer Fleischwunde heimgekehrt und wir konnten ihn auf das große Ereignis hin weiter trainieren. Wir haben ihn auf Japan hingearbeitet. Dass der Hengst das Rennen gewinnt, war umso schöner.

GaloppOnline.de: Ihr jetziges Hobby sind nach wie vor die Tauben?

Heinz Jentzsch: Keine Brieftauben wie gesagt, Rassetauben, sogenannte Krasnodar Tümmler, die für Ausstellungen im Winter gezüchtet werden. Mein Großvater Ernst Wenzel hat mir dieses Hobby als Kind in Hoppegarten nahe gebracht. Man muss ja schließlich was zu tun haben.

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