Prince Flori im Anmarsch auf Ascots Schloss Windsor

Charles, Harry, William, die ganze Welt weiß, welche Prinzen die Hauptrollen in und um Schloß Windsor spielen. Dass in wenigen Tagen aber auch ein Prince Flori in ihr Leben treten könnte, ahnt bisher nicht einmal die Königin. Das ist auch nicht weiter schlimm, wenn man davon absieht, daß dieser Prinz die sonst so unerschütterliche Monarchin in Verlegenheit bringen könnte: die Notwendigkeit, mit der üblichen Souveränität den Namen „Sascha Smrczek“ auszusprechen.

Am Samstag kommender Woche (28. Juli) nämlich, kurz vor der Tea Time, wird die Königin, wie jedes Jahr, die Trophäen an das Siegerteam des größten englischen Pferderennens überreichen. Quasi in ihrem Vorgarten, denn „Ascot“ die berühmteste Galopprennbahn der Welt, gehört seit ihrer Gründung im Jahre 1711 der königlichen Familie und ist mit deren benachbarten Schloß durch einen direkten Fahrweg verbunden.

Der königliche Tross benutzt ihn, wenn er sich in einem Korso von prachtvollen Pferdekutschen an den großen Veranstaltungstagen nach Ascot begibt, wo die seit ihrer Kindheit pferdepassionierte Monarchin mit einem dreifachen „Hurra“ aus fünfzigtausend oder mehr Kehlen auf Kommando lautstark begrüßt wird.

Das Ganze ist so englisch, wie es englischer kaum sein könnte. Kurzgeschorener Rasen, soweit das Auge reicht, parkartige Atmosphäre, prachtvolle Uniformen, verwegene Hutkreationen; Pymms und „Champaign“ fließen in Strömen und im Mittelpunkt: prächtige Vollblutpferde mit glänzendem Fell.

Die Elite der Elite, aus Rennställen im französischen Rennsportmekka von Chantilly oder in Newmarket südlich von Cambridge – geführt von vornehmen Herren wie Sir Michael Stoute oder etwa Saeed bin Suroor, dem Mann des Vertrauens von Dubais märchenhaft reichem Kronprinzen Scheich Mohammed al Maktoum.

Sascha Smrczek, mäßig erfolgreicher Ex-Jockey aus Dortmund, ist der Vertrauensmann von Heinz Wacek und Jutta Damast. Die Beiden besitzen nicht Hunderte oder Dutzende von Rennpferden, sondern eins, und das sieht auch noch ziemlich unscheinbar aus. Sein Name: Prince Flori, benannt nach Waceks kleinem Enkel Florian.

Mit einer Rückenhöhe von knapp 1,63 Meter ist Prince Flori, ein schmächtiger Brauner, einfach unauffällig – so wie man sich ein Pferd vorstellen mag, das nicht von einem Lord konditioniert wird, sondern eben vom überaus netten Herrn Smrczek. Doch all das trägt gerade mit dazu bei, dass dieser vierjährige Prince Flori zum „Pferd der Herzen“ im deutschen Galopprennsport wurde. Ein abgeklärter Vollprofi, immer wieder unterschätzt, aber doch immer wieder der Beste.

Das ist das Demokratische am Galopprennsport: Da können Herr Wacek und Frau Damast problemlos in Wettbewerb mit dem Aga Khan treten, mit Ölscheichs, russischen Oligarchen und amerikanischen oder indischen Tycoons. Voraussetzung ist nur ein schnelles Pferd.

„Nur“ ist allerdings die Untertreibung des Jahres. Aber seit im vergangenen Jahr ein Hengst aus deutscher Zucht das Paraderennen von Ascot gewann, ist das Selbstbewußtsein in deutschen Rennställen weiter gewachsen. Das Rennen heißt „King George VI and Queen Elizabeth Diamond Stakes“ – ein viel größerer Zungenbrecher ist Smrczek auch nicht.

Daß der 35jährige sich mit dem von ihm in Düsseldorf betreuten Prince Flori nicht zu verstecken braucht, zeigen die – bisherigen – Fakten: Nach erst acht Starts hat der kleine Hengst mit dem großen Kämpferherzen schon vier große Siege sowie sage und schreibe 599.720 Euro an Rennpreisen für seine Besitzer gewonnen. Dazu kommen noch etliche weitere Prämien. Pro im Renntempo gelaufenen Meter macht das mehr als 33 Euro!

Mal für Mal wurde der kleine Hengst von Gegnern und Publikum völlig unterschätzt. Ungeachtet dessen: Prince Floris Leistungssteigerung in den vergangenen 15 Monaten war einfach raketenartig. Als Höhepunkte gewann er den Großen Preis von Baden und den Großen Mercedes-Benz-Preis, die Hauptrennen bei den beiden großen Meetings in Baden-Baden. Zuletzt zeigte er in Paris eine beachtliche Leistung als Dritter im Grand Prix de Saint-Cloud.

Bei näherem Hinsehen ist das alles keine Überraschung mehr, denn der kampf- und beschleunigungsstarke Braune ist ein Sohn des deutschen Hengstes Lando, der vor 10 Jahren die größten Rennen in Deutschland und danach den millionenschweren Japan Cup in Tokyo gewann. Prince Flori sieht nur völlig anders aus als Lando, der 1994 und 1995 zum „Galopper des Jahres“ gewählt wurde, und auch als sein Großvater Acatenango, der beinahe unschlagbare Star der achtziger Jahre auf dem Turf. Aber wenn schon nicht das Aussehen, so doch wenigstens die Energie, den Kampfgeist und den „Rennkopf“ scheint Prince Flori von seinen Ahnen geerbt zu haben.

Nun kommen am Samstag also die 2400 Meter von Ascot. Unter den Augen der Welt und der Königin. Die weiß als echte Expertin ganz genau, worum es bei Pferderennen geht, besitzt selber seit Jahrzehnten zwei Gestüte und eine große Zahl Rennpferde. Arroganz ist der Monarchin deshalb fremd, sie weiß, dass allein der Zielpfosten entscheidet, und es kann als sicher gelten, dass sie für den kleinen Hengst aus Deutschland allerhand Sympathien aufbringen wird, wenn Sie erst einmal bei der täglichen Lektüre ihrer Rennzeitung seine Geschichte gelesen hat.

Jahrzehntelang schienen Galopper aus Deutschland in den internationalen Prestigerennen mehr zu Statistenrollen verurteilt. Seit Lando haben sie sich mehr und mehr eindrucksvoll einen Namen auf der großen Bühne gemacht. Am Samstag nun versucht es Prince Flori. Er wird wieder einmal Außenseiter sein. Gut so! Das ist seine Rolle.

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