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Von null auf hundert!

Am 3. Januar ist Hayley Turner 26 Jahre alt geworden. Das schönste Geschenk zu diesem Ehrentag hatte sich die englische Rennreiterin schon einige Tage zuvor selbst gemacht, als sie auf der Allwetterbahn in Wolverhampton ihren 100. Jahressieg erzielt und somit ihren persönlichen Rekord verbessert hatte. Sie ist damit die erste Reiterin in dem rennsportbegeisterten Land, die diese Marke erreichte. Dabei stammt die in Nottingham geborene Hayley Turner, die mit ihren beiden Schwestern von der Mutter Kate allein groß gezogen wurde, aus einer Familie, die mit dem Rennsport an sich nichts zu tun hatte.

Allerdings verbrachte sie anders als ihre Schwestern den größten Teil ihrer Jugend in einem Reitstall, machte alle anfallenden Arbeiten und kam mit den Pferden bestens aus, so schwierig sie auch sein mochten. Die Mutter war es dann schließlich auch, die ihr das Reiten beibrachte, ehe der Schritt zu Trainer Mark Polglase folgte, für den sie dann auch ihren ersten Sieger ritt und der ihre Karriere sehr förderte. Sie war Absolventin des Northern Racing College und anschließend Lehrling bei Trainer Michael Bell in Newmarket.

Ihren ersten Sieg erzielte sie am 4. Juni 2000 auf Generate auf der Rennbahn in Pontefract, wo sie ihren achten Ritt der am 27. März des selben Jahres begonnenen Laufbahn absolvierte. Über zwei Jahre vergingen, ehe ihr im August 2002 in Brighton der erste Doppelerfolg gelang. In guter Erinnerung hat sie stets den 16. Juni 2005, als auf der Rennbahn York das „Royal Ascot“-Meeting ausgetragen wurde, sie auf Skidrow ihren ersten Ascot-Ritt ausführte und sie als einzige Reiterin während der Woche zum Einsatz kam.

Ein Jahr zuvor hatte sie bereits einen nicht alltäglichen Titel errungen, als sie mit 44 Siegen auf der Flachen (Turf) als erste weibliche Reiterin das Championat bei den Lehrlingen in England errungen hatte, allerdings im toten Rennen mit Saleem Golam. Sie ist zudem erst die vierte Reiterin nach Alex Greaves, Emma O‘ Gorman und Lisa Jones, die keine Reitererlaubnis mehr in Anspruch nimmt.

Besonders erfolgreich agierte sie in den Jahren 2005 bis 2008, in denen sie 53, 36, 56 und 100 Erfolge verzeichnete.
Auch den deutschen Besuchern ist Hayley Turner keine gänzlich unbekannte Größe mehr. Den ersten Besuch auf einer hiesigen Rennbahn machte sie am 22. Juni des vergangenen Jahres, als sie für Trainer Mark Prescott die vierjährige Alleviate in der über 2800 Meter führenden und von Sereth unter Olivier Peslier gewonnenen Riemer Steher-Trophy auf Platz vier geritten hatte.

Ihren Glanztag nicht nur, was Deutschland-Aufenthalte betraf, sondern der gesamten Karriere, erlebte sie am 16. November, als in Hannover mit der Lando-Trophy, dem früheren Hessen-Pokal, das letzte deutsche Gruppe-Rennen der Saison 2008 auf dem Programm stand und durch Lady Deauville nach England entführt wurde.

Im Sattel der dreijährigen Stute, die von Trainer Peter Blockley, der wie ihre Reiterin zum ersten Mal in der Neuen Bult an den Start gegangen war, siegte Hayley Turner nach einem überlegten Ritt vor dem favorisierten Prince Flori. Dementsprechend groß war dann auch die Freude von Trainer und Reiterin nach den rund zweieinhalb Minuten.

Hayley Turner zählt zu den Fleißigen auf den britischen Bahnen, hat fast tausend Ritte in der zu Ende gegangenen Saison absolviert. Sie zählt inzwischen zu den Lieblingen der Szene, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie im letzten Jahr Mitglied des britischen Teams beim Shergar Cup in Ascot war und bei dieser Gelegenheit mit Gee Dee Nen sogar einen Sieger ritt. Die Teilnahme an diesem Wettbewerb, eine Art Ritterschlag für einen Jockey, bezeichnete sie später als einen der Höhepunkte der Karriere neben dem Gruppe-III-Erfolg auf Lady Deauville in Hannover, dem ersten Erfolg übrigens auf diesem Niveau.

Als Ziel für 2009 hat sie die Teilnahme an den großen Rennen ausgegeben. Sie hofft auf bessere Pferde und damit auf bessere Chancen in den entsprechenden Aufgaben. Sie wird künftig in einer Reihe mit Namen genannt wie Florence Nagle, die 1966 dafür sorgte, dass auch Frauen Trainerlizenzen beantragen konnten, Dorothy Paget, der Besitzerin des legendären Hindernispferdes Golden Miller, Meriel Tufnell, die 1972 als erste Frau in England unter heutigen Regeln ein Rennen gewann, Charlotte Brew, die 1977 als erste Frau in der Grand National an den Start ging, Jenny Pitman, die einzige Frau, die ein Grand National Sieger trainierte, und Alex Greaves, der Ehefrau und Assistenztrainerin von David Nicholls, die dadurch Rennsportgeschichte schrieb, dass sie 1997 als erste Frau in England auf Ya Malak mit den Nunthorpe Stakes in York im toten Rennen ein Gruppe-I-Rennen gewann.

Hayley Turners erster Ritt in einem Gruppe-I-Rennen ist noch nicht Wirklichkeit geworden, der erste Gruppe-Sieg aber schon. Julie Krone gewann 1993 die Belmont Stakes, ein Grade-I-Rennen, in den USA. Die Argentinierin Marina Lescano 1978 sogar die „Triple Crown“ ihres Heimatlandes. Doch auf Europa bezogen haben Frauen in den klassischen Rennen keine Rolle gespielt.

Aber Hayley Turner ist nahe dran, in derartigen Rennen eines nicht allzu fernen Tages zum Einsatz zu kommen. Auf großer Bühne hat sie 2007 anlässlich des Shergar Cups und des Siegs auf dem 340:10-Außenseiter Relative Order schon einmal im Mittelpunkt großen Interesses gestanden, dem ein Jahr später an gleicher Stätte ja der Erfolg mit Gee Dee Nen folgen sollte. Nicht nur in Großbritannien, auch europaweit stellt Hayley Turner unter den Reiterinnen die absolute Nummer eins dar.

So kam Celine Herisson de Beauvoir, die erfolgreichste Reiterin in Frankreich, lediglich auf 25 Erfolge. Als Beste in den großen Rennsport-Nationen erwies sich allerdings die Kanadierin Emma-Jayne Wilson, die bei 927 Ritten eine Bilanz von 115 Siegen, 122 zweiten und 143 dritten Plätzen sowie eine Gewinnsumnme von 6.314.904 Dollar erzielte. Die Saison 2009 hat Hayley Turner mit einem Traumstart eröffnet, denn gleich den ersten Ritt gestaltete sie in Kempton erfolgreich.

Möglicherweise betritt sie in den nächsten Wochen neues, unbekanntes Terrain, denn sie hat den Wunsch geäußert, während des Festivals in Cheltenham im Weatherbys Champion Bumper anzutreten, auf einer Bahn, die sie bis dato noch nie aufgesucht hatte.

(18.01.2009)