
Der 26. Oktober 2008 wird als einer der erfolgreichsten Tage des europäischen Rennsports in die Geschichtsbücher eingehen. Die blanken Fakten dieses 26. Oktober: Erstmals gehen fünf Breeders’ Cup-Rennen nach Europa, erstmals stellt England den Sieger im Breeders‘ Cup-Classic und erstmals trägt sich Europas erfolgreichster Jockey, Frankie Dettori, in die Siegerliste eines der wichtigsten Sandbahnrennen der Welt ein. „Es gibt Tage, da gelingt einfach alles“, brachte es Trainer John Gosden auf den Punkt.
Wenige Stunden, nachdem dieser mit Donativum den Breeders’ Cup Juvenile Turf gewonnen hatte, setzte er mit Raven’s Pass noch einen drauf. Und was für einen. Ausgerechnet in dem Rennen, in dem stets die Amerikaner dominieren, ausgerechnet gegen das Pferd Amerikas schlechthin, Superstar Curlin. Diesen machten die 55.331 Zuschauer im Santa Anita Park zum heißen 19:10-Favoriten. Über eine Million Dollar wurden allein auf der Bahn auf Curlins Sieg gewettet. Die Kurse auf die restlichen Kandidaten stiegen damit in lukrative Höhen. Notierte Raven’s Pass in der „Morning Line“ noch bei 70:10, gab es in den frühen Morgenstunden am Sonntag deutscher Zeit mit 145:10 mehr als das Doppelte. Frankie Dettori servierte dem dreijährigen Elusive Quality-Sohn aus hinteren Regionen ein Traumrennen, hatte Curlin den gesamten Weg über vor sich im Visier, um aufzuschließen, als auch Curlin mit seinem großen Angriff im Schlussbogen startete.
Als der imposante Fuchs unmittelbar vor Erreichen der Geraden unwiderstehlich Boden gutmachte, ging ein Raunen durch das Publikum. Alle rechneten damit, dass Curlin nun auf und davon gehen würde. Doch weit gefehlt. Denn so schnell wie Curlin vorne war war der Traum von der Titelverteidigung auch schon wieder ausgeträumt. Mit noch mehr Schwung ging Raven’s Pass außen an Curlin vorbei, an der Innenseite rauschte auch der groß laufende Henrythenavigator (zahlte sensationelle 110:10 auf Platz) heran und wurde Zweiter. Beide Pferde lieferten sich in diesem Jahr schon zahlreiche Schlachten. Dreimal, in den 2000 Guineas, den St James‘s Palace Stakes und den Suxxes Stakes, hatte dabei Henrythenavigator das bessere Ende für sich. Bereits in den Queen Elizabeth II Stakes gab es am 27. September dann aber die Formumkehr. Raven’s Pass besiegte Henrythenavigator mit einer Länge Vorsprung.
Beide Pferde starteten am Samstag nun erstmals über 2000 Meter, beide zudem erstmals auf Sand. Es gab also genug Fragezeichen. Doch Grund zu Zweifeln hatte John Gosden trotzdem nie: „Ich war mir sicher, dass wir heute unter den ersten drei landen würden. Er war so gut drauf und hat sich über die gesamte Saison so gigantisch gesteigert.“ Dass Gosden damit goldrichtig lag, bewies auch die Zeit von 1:59,22 Minuten, die einen neuen Bahnrekord in Santa Anita bedeutete. Eindreiviertel Längen hinter Raven’s Pass kam Henrythenavigator ins Ziel, eine weitere Länge zurück folgte Gruppe I-Sieger Tiago. Erst dann passierte einen Hals zurück Curlin den 2000 Meter-Pfosten.
Während Jockey Robby Albarado die Niederlage mit den Worten „ich will es nicht auf den Untergrund schieben. Curlin hat alles gegeben, gekämpft wie ein Löwe“ eher sportlich nahm, war sich Curlins Trainer Steve Asmussen sicher, dass der erstmals zum Einsatz gekommene synthetische Untergrund seinen Superstar gestoppt hat: „Es war einfach wie ein Grasbahnrennen auf schneller Bahn. Der Grund für die Niederlage ist einzig und allein der Boden. Curlin bleibt aber ein Superstar und hat uns in seiner Karriere, in der er bisher über 10 Millionen Dollar verdiente, alles bewiesen.“ Lange hatte ein Fragezeichen hinter dem Start von Curlin gestanden, lange hatte sein Team Bedenken wegen des Untergrunds geäußert. Nach einer guten Abschlussarbeit und dem plötzlichen Aus des Kentucky Derby-Siegers Big Brown stand Curlin dann zu Beginn der letzten Woche indes als sicherer Starter fest.
Auch Raven’s Pass und Henrythenavigator hatten mit der Mile zunächst andere Rennen im Visier, was auch für Duke of Marmalade mit dem Turf galt. Der fünffache Gruppe I-Sieger hatte unter Johnny Murtagh nach einem Rennen aus dem Vordertreffen allerdings keinen besseren Moment und konnte als Neunter nach einer langen Saison keine Akzente setzen. Der Danehill-Sohn wird wie auch Henrythenavigator keine Rennen mehr bestreiten und im kommenden Jahr als Stallion eine zweite Karriere starten. „Duke of Marmalade wird in Irland nach Coolmore gehen, Henrythenavigator in Coolmores Dependance in Amerika decken“, erläuterte Trainer Aidan O’Brien nach dem Rennen.
In diesem wäre Raven’s Pass eigentlich mit Jimmy Fortune angetreten, doch musste dieser bis zum Vortag des Cups eine Sperre absitzen und verzichtete freiwillig auf den Ritt. Frankie Dettori zeigte sich als eine mehr als würdige Vertretung und feierte seinen insgesamt achten Breeders‘ Cup-Sieg. Nach zwei zweiten Plätzen war er nun auch einmal im Classic an der Reihe.
Für Trainer John Gosden, der in den Achtzigern vor dem Wechsel nach England auf dem Santa Anita-Track in Kalifornien trainierte, war es nach dem Juvenile Turf-Sieg wenige Stunden vor dem Classic und nach dem Erfolg von Royal Heroine in der Mile 1984 der dritte Treffer in einem Breeders‘ Cup-Rennen.
Den zweiten Sieg als Besitzerin feierte Prinzessin Haya von Jordanien. Die Gattin von Sheikh Mohammed, der mit seinem Darley Stud ebenfalls an dem Pferd beteiligt ist, schwimmt aktuell auf einer Welle des Erfolges, starten auch Juvenile Turf-Sieger Donativum und der Englische Derbysieger New Approach in ihren Farben.
Für den in Kentucky von Stonerside Stable gezogenen Raven’s Pass war es beim zwölften Start der sechste Karriere-Sieg, seine Gewinnsumme beläuft sich nach dem mit 2,7 Millionen Dollar dotierten Classic-Sieg nun auf 3.658.556 Dollar.