Was hat dieser Mann in seinem Leben nicht so alles erlebt, es würde Stoff für eine ‚Never ending story‘ liefern. Hartmut Steguweit trainiert nicht mehr – mit der Goldenen Ehrennadel des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen zollte der Dachverband am Ostermontag einem Mann des Sports jeglichen Respekt, der nun im ‚Unruhestand‘ mit 62 Jahren, so und nicht anders wird es aussehen, auch weiterhin die Vollblüter im Auge behalten wird, wie übrigens jeden Morgen im Weidenpescher Park zu Köln.
So mancher outete sich bei dieser Gelegenheit gerne als großer Steguweit-Fan. Nicht zuletzt deshalb, weil gerade dieser Trainer immer für mich als jemand im Sport stehen wird, der einst in die Phalanx der Arrivierten einbrach. Und das nicht nur einmal, um dabei genau das im Turf zu verkörpern, dass vieles, wenn nicht alles, in diesem Galopprennsport möglich erscheint.
Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Steguweits Windwurf-Sohn Grauer Wicht mit Bernd Selle im Sattel, der den vermeintlich unbezwingbaren Lirung im Frankfurter Ellen Betrix-Pokal niederrang. Kommentar Hartmut Steguweit heute: ‚Der körperlich weitaus größere Lirung kam damals schlecht um den Bogen‘, bringt es dabei Grauer Wichts Betreuer auf den Punkt.‘
Oder das 9000-Mark-Ringeltäubchen Philipo, der später nach einem Aortaabriß in der Morgenarbeit eingang. Er avancierte ebenfalls 1986 zum Derbysieger unter Dave Richardson gegen Night Line ( Trainer Peter Lautner) und El Salto( Trainer Heinz Jentzsch) in einer Zeit, als das Derby noch als Rennquintett gelaufen wurde. Das nur am Rande. ‚Bei Philipo war es Liebe auf den ersten Blick und so ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann, als ich ihn vom Gestüt Falkenstein auf der Jährlingsauktion erstand‘,erinnert sich Steguweit heute.
‚Ich hatte auch schon früh öffentlich bekundet, dass der noch besser wird als sein Vater Prince Ippi, und das noch weit vor seinem Mehl Mülhens-Sieg und dem dritten Rang als Zweijähriger im Winterfavoriten.‘ Viele nannten mich damals einen Daueroptimisten oder hielten mich für größenwahnsinnig. Aber aus meiner Röttgener Zeit wusste ich, wie ein Klassepferd aussehen musste. Davon hatte ich schließlich viele betreut. Und gerade Philipos Vater Prince Ippi, dessen Schweif wir damals immer einshampoonierten und anschließend jedes einzelne Haar toupierten, damit mit der besondere Glanz zum Vorschein kam, war für mich immer ein ganz besonderes Pferd. So wie viele Jahre später auch dieser unglaubliche A Magicman.‘
Ein grandioser, später nach Amerika verkaufter Dunkler, ein Bild von einem Pferd, der unter dem jungen und nahezu unbekannten Andreas Suborics 1996 den zur Gruppe 1 zählenden Prix de la Foret gewann, zugleich Suborics‘ erster Erfolg auf Gruppe 1-Level. Bereits zuvor, im Sommer 1996, gewann A Magicman unter Neil Grant den Prix de la Porte Maillot, ebenfalls in Paris, und läutete damit sein erfolgreiches Frankreich-Abenteuer ein. Und nicht zu vergessen Rotteck, ein Law Society-Sohn, benannt nach dem Kurier von Kaiserin Maria Theresia, trainiert als eines von 20 Pferden auf der Neusser Galopprennbahn und Sieger u.a. im Hamburger Idee Hansa-Preis 2004. Rotteck lautete auch der Spitzname von Hartmut Steguweit im Gestüt Röttgen, das sein Leben genau in diese Bahnen lenken sollte, die sein weiteres Turfleben, so und nicht anders, geprägt hat.
Seinen Pferden verlangte Steguweit alles ab. Genauso wie er selbst immer wieder aufstand, vor allen Dingen nach zuletzt zahlreichen gesundheitlichen Rückschlägen, ein Kämpfer vor dem Herrn eben.
Alles begann einst in Röttgen, wohin Hartmut Steguweit noch heute gerne zurückkehrt. Er war ein Kind des Rennstalles dort und kennt auf dem Gestüt womöglich jeden Grashalm. Unter Adrian von Borcke startete er einst seine Jockeylehre, die anschließende Rennreiterkarriere war gewichts- und größenbedingt andererseits schnell zu Ende.
Als Reisefuttermeister, aufgestiegen unter Theo Grieper, gab es damals für den ‚Frauenschwarm‘, gegen den selbst ein gut gestylter Roger Moore gänzlich verblasste, gab es für den jungen Hartmut Steguweit nur noch eine höhere Dimension: Röttgen eben. Seine Familie kam aus Ostpreußen. Der in Kassel geborene Steguweit verlor seinen Vater während eines Trainingsunfalls im dortigen Gestüt. Dieser kam 1958 auf König Ottokar schwer zu Fall und verstarb schließlich. Fortan nahm ihn die Gestütschefin Maria Mehl-Mülhens unter ihre Fittiche.
‚Alles, was ich später in meinem Beruf brauchte, habe ich dort gelernt und vor allen Dingen ihr zu verdanken. Aber auch Trainer Hans Block in München, Sven von Mitzlaff, von dem ich mir einiges abgeschaut habe, aber auch meine Lehrmeister Janos Graf Pejacsevich und Adrian von Borcke sind wichtige Personen in meinem Leben gewesen.‘ Zu Beginn seiner Trainerlaufbahn in München (er verließ Röttgens schützende Mauern im Jahre 1981) gab es zunächst eine Durststrecke, in der der Kämpfer Steguweit gefordert war.
Erst mit dem Standort Herzebrock und vor allen Dingen den Pferden Grauer Wicht, Riamo und Philipo, die sich als lohnende Schrittmacher erwiesen, kam der Aufschwung. Warendorf, Ebbesloh, Loxten, Neuss und Köln folgten. Zuletzt waren es noch Pferde wie Sculpted, Manipura oder Peace Royale, sämktlich Stuten, die den ‚Disziplinfanatiker‘ Steguweit, den nicht wenige in ihm sahen, ihn immer wieder in die Erfolgsspur zurückfinden und ihn niemals so ganz gehen ließen.
Der warme, aufrichtige Applaus vieler Galopprennsportfreunde jüngst auf der Kölner Rennbahn für jemanden, der annähernd fünfzig Jahre im Turf gearbeitet hat, brachte dabei vor allen Dingen eines zum Ausdruck: die Hochachtung vor der Leistung des Menschen und Trainers Hartmut Steguweit.