Er ist nicht nur optisch ein Schwergewicht, das nicht zu übersehen ist – Lucien van der Meulen, 46-jähriger Unternehmer aus dem holländischen Boxmeer. Seit 1989 besitzt der zweifache Familienvater nämlich, seine Töchter sind 21 und 11 Jahre alt, zahlreiche Vollblüter. Die sind neben dem eigenen Autohandel des umtriebigen Holländers große Leidenschaft. Und in diesem Zusammenhang entwickelt er einen sportlichen Ehrgeiz, der seinesgleichen sucht, nicht nur im Winter sind die lila-gelben van der Meulen-Farben ein gern gesehener Gast auf Deutschlands Hippodromen. Nicht zuletzt dank seiner zahlreichen Starter hilft er auch mit, das so manches Rennen während der aktuellen Wintersaison zustande kommt.
Wir erreichen Lucien van der Meulen im Auto, wie hätte es auch anders sein können, abends gegen halb acht und noch immer laufen die Geschäfte. Umtriebig und fleißig, immer auf Achse, so kennt man ihn. „Die Pferde sind mein Hobby, für die ich alles gebe. Das Geld muss allerdings erst einmal verdient werden. Aber es macht immer noch riesigen Spaß, dann in meiner Freizeit die Entwicklung meiner Pferde aufmerksam zu begleiten, sich die Rennen live anzusehen.
„Deshalb komme ich auch so gerne nach Deutschland”, gesteht der Holländer leutselig. „Gut, hin und wieder brechen wir mit dem eigenen Tranporter, den übrigens meine Tochter fährt, schon mal nach Frankreich auf, haben im vergangenen Jahr z.B. mit Youaremysunshine auch schon dort gewonnen. Aber in Deutschland ist es einfach schöner. Hier versteh ich und spreche die Sprache, ich liebe die Bratwurst und das Bier, möchte mir die Pferde wie gesagt live ansehen und mir einen schönen Tag machen und von der Arbeit ausspannen. In Frankreich spreche ich die Sprache eben nicht.
Nein, das geht schon in Ordnung, auch wenn die Zeiten nicht ganz rosig sind, aber bei uns in Holland existiert der Rennsport praktisch gar nicht mehr. Okay, andere fahren dreimal in Urlaub im Jahr, ich gebe mein Geld eben auf der Rennbahn aus. Was gibt es Schöneres”, fügt van der Meulen voller Inbrunst an.
„Ach, ja am liebsten gewinne ich. Das ist mein größtes Hobby”. Wie hätte sein ganz persönliches Resumee auch sonst lauten sollen. 22 Jahreserfolge waren es im vergangenen Jahr, eine bemerkenswerte wie stolze Bilanz, wie wir finden. „Schlenderhan hatte von der Siegzahl her nur einige wenige mehr”, fügt van der Meulen mit einem Augenzwinkern an, und für diese Siegzahl steht vor allen Dingen ein Name: Jan Pubben aus Sevenum.
„Ein Horseman durch und durch. Gut, es gab in über 20 Jahren auch einige andere Stationen, in Deutschland begann z.B. alles bei Michael Trybuhl mit dem Vollblüter Ali the Great, aber neben einigen kleineren Intermezzos kehrte van der Meulen letztendlich zu seinem Sevenumer Coach zurück.
Mittlerweile umfaßt der Meulen-Rennstall dort 15 Pferde, vorwiegend englische Importpferde, die der Vollblutliebhaber als drei- bzw. vierjährige Sieglose auf der britischen Insel erstanden hat, um, wie er es selbst nennt „möglichst weit unten zu beginnen”. Aber das Handicapsystem beschert dir in der Regel nach drei Erfolgen rund 15 Kilos, das macht die Sache nicht unbedingt erträglich”, so der Holländer vielsagend.
Auf der letzten BBAG-Vollblutauktion in Baden Baden erstand van der Meulen sogar, für seine Umgebung zugegebenerweise etwas ungewohnt, einen Jährling namens Tettman, der von Dashing Blade abstammt und mittlerweile bei Christian Sprengel in Hannover im Training steht. „Weitere fünf Pferde werden bei Familie Wolters in den Niederlanden auf den Ernst des Lebens vorbereitet, die ich schon seit Boxmeer-Zeiten kenne.
Gute Freunde und Vertrauenspersonen eben. Apropos Boxmeer. Van der Meulens Augen beginnen zu leuchten. Wer in Boxmeer geboren ist, hat auch gleichzeitig eine Tradition in sich aufgesaugt, die seit dem Jahr 1740 dort ausgeübt wird. Das berühmt berüchtigte Metwurst-Rennen der Junggesellen, ein wahres Volksfest, findet alljährlich in van der Meulens Geburtsort statt und führt über schnelle 800 Meter auf aufgeschüttetem Sand und von Kameras begleitet. Van der Meulen konnte diese Traditionsprüfung sogar zweimal in den Jahren 1989 und 1991 als Besitzer bzw Sponsor, wie er es selber nennt, gewinnen.
„Selbst als Reiter habe ich teilgenommen, allerdings mit mäßigem Erfolg, gesteht er schließlich selbstkritisch. „meine Talente liegen eindeutig woanders”, bemerkt er und macht gleichzeitig seinen Vater und Onkel, der selbst Vollblüter trainiert hat, dafür verantwortlich, das die Rennpferde seit 1987 nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken sind. „Ich habe sogar einige Male bei Ponyrennen teilgenommen, als Reiter wohlgemerkt”.
Und dann kommt das Gespräch schnell auf Jan Pubbens Trainingsanlage, bei der es zweitauschend Meter geradeaus durch den Wald geht und wo auf angrenzenden grünen Koppeln die Pferde auch Gelegenheit zum Ausspannen erhalten, fernab von irgendeiner Rennbahn. Zugleich schwärmt van der Meulen von seinem Freund Adrie de Vries, den er gerne als Berater mit zu den englischen Auktionen nimmt und ihm im selben Atemzug allergrößten Respekt zollt.
„Ich kenne Adrie, seit er sechszehn ist. Ein absoluter Vollblutprofi, der alles für den Sport gibt und vor allen Dingen danach lebt. Der ist bei allem Erfolg immer noch Mensch geblieben. Wir Holländer, die den Rennsport lieben, sind alle mächtig stolz auf ihn. Was Adrie zum Beispiel mit seinen 21 Erfolgen zur Zeit wieder in Katar leistet verdient unser aller Hochachtung”, gerät van der Meulen ins Schwärmen. Und dann kommen wir auf Deutschlands Rennsportsituation und auf die Disqualifikation seines Pferdes Witchingham am vergangenen Wochenende in Dortmund zu sprechen.
Beides möchte van der Meulen lieber nicht kommentieren. „Das steht mir nicht zu. Wie gesagt, der Rennsport in Holland liegt noch viel mehr am Boden, zu den deutschen Verhältnissen möchte ich mich lieber nicht äußern, das tun andere schon zu genüge. Das gilt genauso bei der Disqualifkation meines Pferdes. Ich habe jedoch Einspruch gegen das Zurücksetzen von Witchingham beim Renngericht eingelegt, nachdem ich von einigen deutschen Kollegen und Trainern angesprochen worden bin, die diese Entscheidung ebenfalls nicht verstehen konnten bzw. zu hart empfunden haben, d.h. die auch der Ansicht waren, das das vermeintlich behinderte Pferd weiterreiten konnte und zudem bereits geschlagen war.
Ich warte die Verhandlung jetzt einfach ab und dann sehen wir weiter. Sprachs und fügte noch an. „Nicht, das ich nicht verlieren kann, aber gewinnen ist einfach viel schöner und motiviert umso mehr, treibt uns an, diesen tollen Sport weiter zu betreiben”.