Schwarzenholz liegt im Saarland. Einige Kilometer von Saarwellingen entfernt, bis zur französischen Grenze ist es nicht allzu weit. Von den Allwiesen in Schwarzenholz bis zur Rennbahnstraße in Hamburg-Horn sind es 686 Kilometer. Wenn alles nach Plan verläuft, dann schwingt sich Wilhelm Kelkel am Samstag, dem 22. Juli hinter das Volant seines PKW, hintendran ist der Hänger und darin steht Dark Dancer. Ein Starter im BMW Deutschen Derby. „Das Rennen“, sagt Wilhelm Kelkel, „haben wir schon schwer im Hinterkopf.“
Wilhelm Kelkel ist 58 Jahre alt, Service-Techniker im Ruhestand. Er ist Besitzertrainer, seine Tochter heißt Natascha Jungmann und ihr gehört Dark Dancer. Am Pfingstmontag war er Zweiter in einem Gruppe-Rennen in München, den pferdewetten.de-Bavarian Classic.
Vor Fährhof, vor Auenquelle, vor Capricorn. Nach dem Rennen hat Dark Dancer ein GAG von 92,5 Kilo bekommen.
Wilhelm Kelkel trainiert zwei Pferde. Zwei. Das andere heißt Born to Fly, ist neun Jahre alt und hat im März in Neuss einen Ausgleich IV mit einem GAG von 55,5 Kilo gewonnen.
„Dass ich einmal so ein Pferd im Stall haben würde, das habe ich mir nie träumen lassen“, sagt Wilhelm Kelkel über Dark Dancer. Seit rund zwanzig Jahren trainiert er auf dem Familienanwesen in Schwarzenholz Pferde. Zum Spaß. „Mein Großvater hatte eine größere Landwirtschaft, deshalb haben wir etwas Land“, erzählt er, „und uns eine 950 Meter lange Sandbahn gebaut.“
Dort werden die Pferde gearbeitet. Durchschnittliche Pferde. 14 A-Rennen hat Besitzertrainer Kelkel gewonnen, gezüchtet hat er auch einmal, doch viel kam dabei nicht hinaus. Dann gab es ein Pferd namens Invator, der gewann vorzugsweise in Düsseldorf, 1994 einmal mit Peter Schiergen, knapp Ausgleich III konnte er in Bestform. Ein weniger aufregendes Pferd mit Namen Klaas Klever war im Stall und eben Born to Fly, ein Sandbahnspezialist, der nun auch schon sieben Rennen gewonnen hat.
Natascha Jungmann, die verheiratete Tochter, ritt die Pferde, auch im Rennen. Bis zu jenem verhängnisvollen Sturz vor ein paar Jahren in Miesau, wo man zum Training hin gefahren war. „Ich wollte gar nicht“, erinnert sich Wilhelm Kelkel heute noch. „Der zwölfte Brustwirbel war kaputt“, die Sache stand kurzfristig Spitz auf Knopf. Sie ist gut ausgegangen, heute reitet die Tochter wieder im Training.
Und sie war dafür verantwortlich, dass Dark Dancer heute in Schwarzenholz steht. „Ich bin mit meiner Frau zur Auktion nach Baden-Baden gekommen“, berichtet Kelkel, „eigentlich nur so zum Schauen. Meine Tochter war schon vorher da. Wir haben uns dann dort getroffen. Plötzlich war sie verschwunden, ich sage noch zu meiner Frau, wo mag sie wieder sein und dann kam sie an und hat das Pferd gekauft. Einfach so.“
9500 Euro kostete der Kallisto-Sohn, die Züchter sind Martina und Wilhelm Lohmann. So ganz begeistert war Wilhelm Kelkel zunächst nicht, „aber das müssen meine Tochter und ihr Mann unter sich ausmachen, denn das ist schon viel Geld für uns.“
Inzwischen hat man sich familienintern längst geeinigt. Und schon früh gemerkt, dass man da ein besonderes Pferd im Stall hat. „Auch wenn wir die Derbynennung abgegeben haben, als er noch gar nicht eingeritten war“, sagt der Trainer, „aber wir haben uns das Pedigree genau angeschaut, haben schon gemerkt, dass das eine Steherlinie ist. Und wir wollten unbedingt einmal eine Derbynennung abgeben. Das erste Geld ist ja nicht so viel, aber die zweite Rate ist schon erheblich. Aber da hatte er inzwischen schon gewonnen.“
Dark Dancer vertritt eine solide Röttgener Linie. Die Mutter Dark Lady hat zwei Rennen gewonnen, konnte 72 Kilo und war Fünfte im Diana-Trial. Mit Dares und dem in England über Hindernisse erfolgreichen Darrias hat sie bereits zwei solide Pferde auf der Bahn, Lohmann erwarb sie tragend von Kallisto, hat jetzt einen Jährlingshengst von Zinaad.
„Wir haben ihn dann angefangen zu longieren und gemerkt, der ist ja unheimlich schnell“, erzählt Wilhelm Kelkel, „auch auf der Bahn hat er sich schnell zurecht gefunden. Auch wenn alles Neuland für ihn war.“ Immerhin, einmal ist man zu einem Grasbahngalopp nach Saarbrücken gegangen, „damit er merkt, wie es sich anfühlt, wenn er darauf galoppiert.“
Man wollte in Hassloch anfangen, da wurde der Hengst vor dem Start reiterlos. Es ging dann nach Baden-Baden, „um das alles zu vergessen. Wir Kleinen gegen die Großen, aber er hat sich gut verkauft. Wir haben dann über das Auktionsrennen in München nachgedacht, uns dann aber für Köln entschieden.“ Dark Dancer gewann Mitte November ein Maidenrennen, immerhin waren Pferde wie Saldenblatt und Sommertag im geschlagenen Feld.
Das Jahresdebut 2006 war für Frankfurt vorgesehen, „doch hatte er sich auf der Koppel etwas weh getan.“ Er lief mit Eve Meutzner im Auktionsrennen in Bremen, wurde Sechster „mit einem Rennen im Leib hätte es schon anders ausgesehen“, sagt der Trainer. Und dann kam München. „Das war“, gibt Wilhelm Kelkel zu, „für einen Besitzertrainer schon etwas Besonderes.“ Wohl wahr.
Züchter Lohmann hat natürlich tags darauf angerufen und gratuliert. Es werden weitere Anrufe kommen. Nicht von Gratulanten. Von Interessenten, die das Pferd kaufen wollen. „Schon nach dem Kölner Sieg hat es ein Angebot gegeben“, sagt Kelkel. Es wurde abgelehnt. Und so schnell soll der Schimmel Schwarzenholz auch nicht verlassen. „Wir haben beschlossen“, spricht der Herr des Hauses für die Familie, „dass wir ihn behalten.“ Zumindest bis Hamburg.
Um dort gegen die Schiergens, die Hofers und vielleicht auch gegen die Fabres dieser Welt anzutreten. Nicht mit einem chancenlosen Mitläufer. Mit einem richtig guten Pferd. Das gegen alle Theorien trainiert wird, mit einem vierbeinigen Partner, der 35 Kilo schlechter ist. Auf einer 950 Meter langen Sandbahn. Am entscheidenden Tag werden den Kelkels viele Sympathien gewiss sein.