Noch nie zuvor war Olivier Peslier für das eher bescheidene englische Quartier von Geoff Huffer in den Sattel gestiegen. Am 5. Mai dieses Jahres war es soweit. Der Franzose saß in den englischen 2000 Guineas auf dem Außenseiter Cockney Rebel und landete wenige Minuten später einen Überraschungscoup in diesem englischen Klassiker. Schnell hatte man hochgerechnet und festgestellt, dass dieser Triumph in Newmarket der 70. Gruppe-I-Erfolg in der Laufbahn des am 12. Januar 1971 im französischen Cosse-le-Vivien geborenen Franzosen war. Eine Zahl, auf die nur ganz, ganz wenige Jockeys in ihrer Karriere kommen.
Wie in so mancher späteren Jockeykarriere war auch Olivier Peslier über die Ponyrennen zum Galopprennsport gekommen. So war es für ihn kein Thema, dass er mit 14 Jahren die Schule beendete und eine Jockeylehre in Chantilly begann. In der damaligen Talentschmiede von Patrick-Louis Biancone, was auch zugleich bedeutete, dass Peslier Kontakt zu Daniel Wildenstein bekam.
Eine Beziehung, die seine nahezu komplette Jockeylaufbahn prägen sollte. Als Patrick-Louis Biancone in Frankreich Probleme mit dem Finanzamt bekam und seine Zelte dort abbrach, beendete Olivier Peslier seine Ausbildungszeit im benachbarten Stall von Nicolas Clement.
Als ein guter Stilist und auch schon in jungen Jahren recht starker Endkampfreiter geriet Olivier Peslier bereits früh in seiner Laufbahn ins Visier der führenden Trainer. So war es dann auch die logische Folge, dass sein Name nach Beendigung seiner Lehre mehr und mehr in den Starterlisten der besseren Rennen auftauchte. Mit 22 Jahren war es dann soweit, auf Le Balafre ritt Olivier Peslier im Prix Jean Prat seinen ersten Gruppe-I-Sieger. Das war in diesem Alter noch nicht vielen vor ihm gelungen und es war zugleich auch ein Dankeschön an seinen Lehrmeister Nicolas Clement, der allerdings Olivier Peslier schon bald für sein Quartier nicht mehr halten konnte.
Denn schon im Verlauf jenen Jahres, als er seinen ersten Gruppe-I-Sieger unter Dach und Fach gebracht hatte, bekam der 22-Jährige ein Angebot von keinem Geringeren als Großbesitzer Daniel Wildenstein, der zu diesem Zeitpunkt – wie übrigens sein Sohn Alec heute ebenfalls – die Pferde von Elie Lellouche trainieren ließ. Schon wenige Monate später ritt Peslier auf Lost World im Grand Criterium von Longchamp für sein neues Engagement den ersten Gruppe-I-Sieger.
Im Juli 1995 war Olivier Peslier erstmals auf höchster Ebene jenseits seiner Heimat erfolgreich. Andre Fabre hatte das Jungtalent für Sheikh Mohammeds Winged Love im Irish Derby verpflichtet. Nach einem dramatischen Finale behielt Peslier auf Winged Love, der später einige Jahre im Gestüt Karlshof wirkte, gegen Definite Article mit einem kurzen Kopf die Oberhand. Die internationale Presse war voll des Lobes über den jungen Franzosen, der schließlich solche Könner wie Mick Kinane, Walter Swinburn, Christie Roche oder Frankie Dettori auf die nächsten Plätze verwies.
Einen besonderen Stellenwert in der Laufbahn von Peslier dürfte die Saison 1996 einnehmen. Erstmals ritt er mit Shake the Joke in den Coronation Stakes einen Sieger in Royal Ascot, mit Helissio gewann er den Prix de l‘Arc de Triomphe und schließlich stieg er am Ende des Jahres mit 163 Siegen zum französischen Championjockey auf.
Es war dann beileibe keine Überraschung, dass der nächste Ritterschlag erfolgte, als Olivier Peslier zum Stalljockey von Andre Fabre aufstieg. Das neue „Dream-Team“ in der französischen Galoppsportszene räumte 1997 so alles ab, was es an Big Points zu gewinnen gab. Den Prix Lupin mit Cloudings, Prix du Jockey Club, Grand Prix de Paris und Prix de l‘Arc de Triomphe mit Peintre Celebre.
Daniel Wildensteins Ausnahmepferd war für Andre Fabre und Olivier Peslier der erste Sieger im französischen Derby gewesen. Dass Peintre Celebre das beste Pferd sei, das er je geritten habe, an dieser Aussage von Olivier Peslier Ende der neunziger Jahre dürfte sich bis heute wohl nicht viel verändert haben. Auch für den Erfolg von Xaar im Prix de la Salamandre 1997 zeichnete das Fabre/Peslier-Team.
Drei Gruppe-I-Erfolge gelangen Peslier 1997 im Ausland. Mit Xaar gewann er für Andre Fabre die Dewhurst Stakes und für Clive Brittain ritt er Air Express zum Sieg in Royal Ascot. Erstmals ritt Olivier Peslier auch einen Gruppe-I-Sieger in Deutschland. Mit Gestüt Ammerlands Borgia trumpfte der Franzose im Deutschen Derby auf. Und so nebenbei holte er sich sein zweites Jockey-Championat mit 154 Erfolgen, zwei weitere sollten noch folgen.
Wie andere wertvolle Briefmarken, so sammelte Olivier Peslier in den folgen Jahren Gruppe-I-Erfolge am laufenden Band. Immer verstärkter auch im Ausland, man wollte ihn einfach bei jeder sich bietenden Möglichkeit haben. Es war dann auch wieder keine Überraschung, dass 1998 mit High Rise – trainiert von Newarket-Trainer Luca Cumani – der erste Erfolg im englischen Derby fällig war. Wenige Wochen vorher ritt Olivier Peslier mit Desert Prince, dem jetzigen Stallion im Gestüt Isarland, den Sieger in den Irish 2000 Guineas. Mit ihm trumpfte der Franzose auch noch in den Queen Elizabeth II Stakes von Ascot auf.
Pesliers Popularität in England war enorm. In einem damaligen Interview erklärte Peslier vor der britischen Presse: „Ich glaube, ich bin in England als Jockey populärer als in meiner französischen Heimat. In England ist das Interesse am Rennsport viel größer als in Frankreich. Zeitungen und Fernsehen berichten intensiv über den Galopprennsport.
In Frankreich gibt es nur den Paris-Turf und auch die Begeisterung für die Rennen ist in England deutlich größer. Der einzige Tag, an dem die Atmosphäre in Frankreich so gut wie in England ist, ist am Arc-Tag. Und das liegt daran, weil so viele britische Besucher in Paris sind“, so die harschen Worte an den französischen Rennsport. Schließlich krönte Peslier 1998 wieder einmal eine riesige Saison, als er mit Sagamix für Andre Fabre bereits seinen dritten Prix de l‘Arc de Triomphe in seiner Laufbahn gewann.
Es folgte die Zeit, als Olivier Peslier über Winter in Japan im Einsatz war. Natürlich verbunden mit weiteren Gruppe-I-Triumphen. Der erste gelang ihm mit Wing Arrow in Tokio, 2001 saß Olivier Peslier im Sattel von Jungle Pocket, als dieser den weltberühmten Japan Cup gewann. Das in Japan vom Stellenwert nicht minder hoch gehandelte Arima Kinen gewann Peslier mit Symboli Kris S und Zenno Rob Roy, mit er auch ein weiteres Mal im Japan Cup triumphierte. Insgesamt stehen bis zum heutigen Tag zwölf Gruppe-I-Siege in Japan in Pesliers Rekord.
Aber auch in Singapore kam der Franzose zu Gruppe-I-Ehren, als er mit Hat Trick 2005 die Hong Kong Mile gewann. In dieser Saison dürfte zudem der Triumph mit Westerner im Gold Cup von Royal Ascot etwas ganz Besonderes gewesen sein. Im Übrigen wurde dieser Sieg nicht auf das Konto von Trainer Andre Fabre verbucht. 2001 war Wildenstein mit seinen Pferden zu Lellouche gewechselt, doch blieb Peslier bei Fabre.
2003 ritt Olivier Peslier seinen zweiten Derby-Sieger in Hamburg, mit Dai Jin und somit erneut für den Schütz-Stall. Diesmal aber für Andreas, während Bruno Schütz noch für Borgia als siegreicher Trainer verantwortlich gewesen war. Einige Wochen später war Peslier mit Dai Jin auch im Kölner Rheinland Pokal auf höchster Ebene erfolgreich. Der Derby-Sieg mit Dai Jin in Horn fiel zu einer Zeit, als er und Andre Fabre kein Team mehr waren.
Im Herbst 2001 hatte man zwar noch mit Banks Hill im Breeders‘ Cup Filly & Mare Turf in Belmont Park von New York ein auch für dieses Team bedeutendes Highlight markiert, doch war es ein Jahr später zum Bruch gekommen, was zugleich den Aufstieg einer neuen Ära namens Christophe Soumillon bedeutete. Für Andre Fabre war Olivier Peslier in sieben Jahren auf 20 Gruppe-I-Sieger in Frankreich und vier jenseits der Grenzen gekommen.
Die Gebrüder Wertheimer nahmen Olivier Peslier unter Vertrag. Es war nicht Verborgen gebliebenen, dass in Frankreich längst eine neue Jockey-Ära begonnen hatte. Nicht nur ein Soumillon, auch ein Pasquier, Lemaire, Bonilla, Thulliez, Victoire oder Auge, die Jockey-Schule in Chantilly trug immer mehr Früchte. Die Gruppe-I-Erfolge füllten auch für Olivier Peslier, mittlerweile ein Mittdreißiger, nicht mehr so konstant die Siegerlisten wie noch vor einigen Jahren.
Schließlich kam es im letzten Jahr auch zum Split mit Trainerin Chriquette Head-Maarek, die Peslier den Laufpass gab. Doch die Wertheimer Brüder hielten zu Peslier. Die Folge war, dass die Wertheimer-Pferde den Head-Maarek-Stall verließen. Allerdings, einen so richtigen Kracher gab es im Wertheimer-Dress schon seit Jahren nicht mehr.
Dass Olivier Peslier nun mit Cockney Rebel in den Guineas und somit in England seinen 70. Gruppe-I-Sieger steuerte, erscheint ein nicht untypisches Detail seiner Laufbahn zu sein. Denn immerhin gelang es dem Franzosen, 31 von diesen 70 Gruppe-I-Triumphen jenseits der Grenzen zu landen.
Und wie auch der Erfolg mit Ouija Board in den letztjährigen Prince of Wales‘s Stakes von Royal Ascot zeigte, ist der insgesamt vierfache französische Championjockey im Ausland für die Big-Points offenbar mehr gefragt als in seiner Heimat.