Qatar aus dem Nichts zum großen Arc-Triumph

Der Weg an die Spitze. Er ist oft ein Steiniger und Mühsamer. Geduld, Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft sind Attribute, die mit einem Aufstieg oft einhergehen und dennoch scheinen sie – gerade im Metier des Rennsports – nicht zwingend notwendig. Dass Geld die Welt regiert, ist längst eine liebgewonnene, wie immer stärker zutreffenden Floskel, die die Welt des Sports seit langem erreicht hat. Dass mit dem nötigen Portemonnaie Träume schneller wahr werden können, bestätigt sich in unserer Zeit ein ums andere Mal. Offensichtlich wird dieses Faktum mit Blick auf die Vereinigten Arabischen Emirate, wo Mega-Cities wie Pilze aus dem Boden schießen und Fußball Weltmeisterschaften nicht unbedingt auf Grund sportlicher Vorlieben der Einwohner veranstaltet werden, ganz besonders deutlich. Populär ist im arabischen Raum allerdings seit jeher der Galopprennsport, und mit Sheikh Joaan­ Al Thani, Sohn des bis in diesem Jahr herrschenden Emirs von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al Thani und Bruder des aktuell herrschenden Emirs, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, hat in diesem Jahr eine neuer „Big Player“ die glitzernde Show-Bühne des Rennsports betreten. „Wir wollen nicht die Nummer zwei sein“, ließ der Scheich verlauten. Für einen Neuling im Gewerbe eine vollmundige Ankündigung, doch wer die Jungs aus Dubai und Katar kennt, der weiß, dass nach solchen Ansagen selten halbe Sachen gemacht werden. Ende November ging der neuste Coup von Al Thanis Operation durch die Gazetten. In London gab Al Thanis Al Shaqab Racing weitere weitreichende Pläne bekannt. Demnach wird Harry Herbert, der bislang die Geschicke des von ihm gegründeten Highclere Thorouhbred leitete, nun als Berater bei Al Thani einsteigen. Natürlich wird von ihm verlangt, dass er seinen Fokus in Zukunft auf den Rennstall des Scheichs legt, der am liebsten mit dem Turf-Agenten Nicolas de Watrigant zusammen arbeitet. Dieser Schritt ist ein weiteres Indiz für die Visionen, die Joaan Al Thani hegt. „Immer wenn er einen Rennplatz betritt, dann will er auch die Nummer eins sein“, so Nasser Sherida Al Kaabi, ein Sprecher des Scheichs. Treffender kann man es wohl nicht ausdrücken. Die Nummer zwei zu sein, scheint für Al Thani nicht hinnehmbar. Auch abseits des Geläufs. Ein Beispiel? Auf der Tattersalls Auktion im Oktober kauften John Magnier und seine Partner für 3,6 Millionen Guineas einen rechten Bruder der Oaks- und Diana-Zweiten Secret Gesture. So viel wurde noch nie auf einer europäischen Auktion für einen Jährling bezahlt. Genau einen Tag hatte dieser Rekord Bestand. Dann trat Al Thani auf den Plan. Für fünf Millionen Guineas, das sind 5,25 Millionen Pfund, sicherte er sich eine von Galileo stammende Schwester der Oaks-Siegerin Was. Damit ist sie die teuerste Jährlingsstute, die weltweit verkauft wurde. Al Thani ist wieder einmal Spitze und hatte die Schlagzeilen am anderen Morgen sicher. Dieser unbedingte Wille, den Rennsport binnen kürzester Zeit umzukrempeln, die Machtverhältnisse im Sport auf den Kopf zu stellen – es wäre für viele andere eine nicht zu bewältigende Herkulesaufgabe. Nicht aber für Sheikh Joaan Al Thani, der schon mit dem Kauf der späteren Arc-Siegerin Treve deutlich machte, wo sein Platz im Rennsport in Zukunft sein sollte. Es scheint so, als hätte Sheikh Joaan den Blinker gesetzt und befindet sich seit dem auf der Überholspur. „Er hat große Ambitionen. Zweiter zu sein ist für ihn so wie Letzter zu sein“, heißt es von Nasser Sherida Al Kaabi weiter. Die für den Sport typischen Floskeln beherrschen die „Boys aus Katar“ schon aus dem Effeff. Mit Harry Herbert hat Sheikh Joaan al Thani nun den Mann gefunden, der seinen Rennstall, der zwischen einer Gesamtgröße von zunächst 100 bis 110 Pferden in England und Frankreich liegen soll, zu managen. Aktuell stehen in Frankreich 50 Pferde. „Es ist eine Ehre für mich und ich bin sehr aufgeregt“, waren Herberts Worte nachdem er bei Al Thani unterzeichnet hatte. Dabei werden nicht alle Pferde in der silber-grauen Seide Al Thanis starten. Einzelne Pferde werden direkt für Al Shaqab Racing, wo auch Sheikh Fahad Al Thani eingebunden ist, laufen. Hierfür werden aktuell noch Rennfarben entworfen. Europa war für Al Thani von Beginn an das Betätigungsfeld seiner Wahl. In der Normandie erwarb man das Haras de Bouquetot. Hier steht seit dem vergangenen Jahr Al Thanis Mutterstuten-Herde. 2014 wirken dort dann Planteur und Style Vendome als Beschäler. Doch Frankreich soll nicht das Ende bedeuten. Man ist nun bemüht sein Engagement auf dem alten Kontinent auszubauen. Dabei ist man in England und Irland auf der Suche nach einem weiteren Gestüt. Gerüchte, dass man Banstead Manor Stud in Newmarket von Khalid Abdullah erwerben will, wollte man nicht bestätigen, sagte aber dazu: „Wir suchen nach einem bereits etablierten Gestüt, entweder in Irland oder England“, so Nasser Sherida Al Kaabi. Doch schon jetzt denkt man – wie könnte es anders sein – über den europäischen Tellerrand hinaus. Auch in Übersee will Joaan Al Thani in Zukunft ins Geschehen eingreifen. „Wir lieben den Rennsport in Frankreich und England sehr. Noch konzentrieren wir uns auf Europa, aber wir sehen unsere Zukunft auch auf anderen Kontinenten“, sagt Al Kaabi. Und es ist ja nicht so, als das Al Thani nicht längst seine Fühler ans andere Ende des Atlantiks ausgetreckt hat. US-Trainer Todd Pletcher trainiert bereits einige Al Shaqab-Pferde und reiht sich damit in eine illustre Riege an Trainern ein, bei denen der Scheich seine Stars vorbereiten lässt. Richard Hannon, Marco Botti, Sir Michael Stoute und Richard Fahey in England, dazu unter anderem Mikel Delzangles, Alain de Royer-Dupres und natürlich Christiane Head-Maarek in Frankreich – die Liste der für Al Thani tätigen Trainer, sie klingt wie das Who is Who des Rennsports. „Zum jetzigen Zeitpunkt fahren wir ganz gut damit, mehrere Trainer zu haben. Es scheint die richtige Philosophie zu sein“, erklärt Al Kaabi. Sportlich gesehen ließ das Jahr für Joaan Al Thani keinerlei Wünsche offen. Die wichtigste Entscheidung traf er im Juli, als er die frische Diane-Siegerin Treve aus dem Besitzer der Familie Head kaufte. Schon zuvor verpflichtete er den ehemaligen Godolphin-Jockey Frankie Dettori, der die Motivator-Stute im Prix Vermeille eindrucksvoll zum Sieg führte. Er hätte die dreijährige Stute eigentlich auch im Prix de l’Arc de Triomphe zum Erfolg steuern sollen, doch wenige Tage vor dem Monstre-Rennen in Paris brach sich der Italiener den Fuß und verpasste den Triumphritt, den an seiner Stelle der Franzose Thierry Jarnet erhielt. Aber nicht nur in Longchamp trumpften Al Thanis Farben auf höchstem Parkett auf. In Erinnerung werden auch die in diesem Jahr stark laufenden Olympic und Toronado bleiben. Letztgenannten lieferte sich in diesem Jahr beinahe ein Privat-Duell mit Godolphins Dawn Approach. Ein Duell mit dem etablierten Godolphin-Imperium, die in diesem Jahr zum neunten Mal den Besitzer-Champion-Titel holten, und dem neuen Emporkömmling aus Katar. Dreimal liefen Toronado und Dawn Approach in dieser Saison gegeneinander. Die ersten beiden Male setzte sich das Establishment in den strahlend blauen Farben durch. Dawn Approach gewann sowohl die 2.000 Guineas und den St. James Palace Stakes, währende Toronado Vierter respektive Zweiter wurde. Die Möglichkeit zur Revanche bekam Al Thanis Crack in den zur Gruppe I zählenden Sussex Stakes. In einem packenden Finish rang der dreijährige High Chaparral-Sohn den gleichaltrigen Godolphin-Hengst dann erstmals -nieder. Und auch Ascot eroberte Al Thani in diesem Jahr. Mit dem von Richard Hannon vorbereiteten Olympic Glory konnte man im Oktober die Queen Elizabeth II Stakes (Gr.I)gewinnen. In Großbritannien beläuft sich seine Gewinnsumme auf 1,099,329 Pfund (circa 1,3 Millionen Euro), in Frankreich bringt er es, nicht zuletzt natürlich Dank Treve auf 2.360.445 Euro. Das ist gleichbedeutend mit Rang drei im Besitzer-Championat und wohl so gar nicht nach dem, Geschmack des neuen „Big Player“. Sheikh Joaan Al Thani würde sagen: „Da ist noch Luft nach oben.“

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