„Jetzt kommt Stroh, alle müssen ran“, so der unmissverständliche, leicht charmante Kommando-Ton von Erika Mäder. Highnoon war längst verstrichen, der Aufruf galt hoffentlich nicht allen, die da in der guten Stube des Mäder-Stalles im Krefelder Stadtwald Kaffee und Tee getrunken und intensiv über den Galopprennsport diskutiert hatten. Besitzer, Züchter, Redakteure, Erika und Lutz Mäder, enge und ganz vertraute Stallangestellte.
Als der vollbeladene Lkw samt Anhänger dann tatsächlich vor dem Stallgelände parkte, löste sich die Runde in Schall und Rauch auf, wenngleich ein kurzes Händeschütteln zum Wiedersehen noch drin war.
Lutz Mäder hatte nun das Kommando. „Ich bin seit Monaten und Wochen nach dem passenden Stroh unterwegs, nun habe ich es gefunden“, so der ehemalige Championjockey, der seit geraumer Zeit wieder mehr Zeit – nach der Trennung als renntechnischer Leiter mit dem Krefelder Rennclub – für seine Ehefrau bzw. deren Stall zur Verfügung hat. Daraus den Schlüssel zum Erfolg der letzten Wochen und Monate zu ziehen, wäre natürlich zu einfach.
Die Mäders. Kämpfernaturen seit eh und je. Kurz zur Erinnerung. Einen hohen Preis hatte Erika Mäder dafür bezahlt, als sie – wegen versuchter Rebublikflucht – ein Jahr im Gefängnis verbrachte und 1975 aus der damaligen DDR in den Westen ausgewiesen worden war.
Zwanzig war sie da, allein mit einem kleinen Kind und dem für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Wunsch, als Frau im Rennsport zu arbeiten. Doch damit nicht genug der ungewöhnlichen Historie.
Erika Mäder heiratete auch noch einen Mann, der einen noch abenteuerlicheren Weg aus der DDR in die Freiheit gebracht hatte. Lutz Mäder hatte zuvor versucht, durch die Donau ins ehemalige Jugoslawien zu schwimmen. Doch er wurde verrraten, geschnappt und saß vor der Ausweisung ebenfalls ein Jahr im Gefängnis. Auch wenn sie sich schon lange vorher als Kollegen kannen, im Westen wurden sie ein Paar.
Zurück in den Stadtwald, noch ein Tag bis Allerheiligen 2006. „Lutz, uns fehlen noch neun Treffer zum 800. Sieg.“ „Was heißt uns, Dir“, kontert Lutz Mäder. Keine Widerrede der Chefin, die sich natürlich und offen darüber freut, dass am letzten Sonntag in Bremen durch Lucidor endlich wieder ein Gruppe-Treffer gelang.
Es war die Krönung, so zumindest drücken es unmissverständlich die glänzenden Ergebnisse der letzten drei Monaten aus. Vier Erfolge auf Listenebene sowie Lucidors Gruppe-Treffer und Adamantinos‘ Gruppe-Platzierung in Chantilly. Mehr als ordentlich für ein Quartier, das in den letzten Jahren etwas aus dem Schatten der ganz Großen herausgetreten war. Wie nicht wenige andere.
Knapp 50 Pferde betreut Erika Mäder heute, es gab Zeiten, da war die Zahl dreistellig. Doch mit der aktuellen Ziffer liegt man heute als mittelständisch zu bezeichnendes Galoppsportunternehmen voll im Trend. Damit steht man, zumindest theoretisch, gut da.
„Aus unserer Sicht einfach sensationell, diese letzten drei Monate“, bringt es dann auch Erika Mäder auf den Punkt. Mit Cliffrose, zweimal Adamantinos und Deauville markierte man vier Treffer auf Listenparkett, Lucidor konnte es sogar auf Gruppe-Ebene besser als die Konkurrenz und Smokejumnper sorgte mit seinem überraschenden Treffer im Baden-Badener Auktionsrennen für einen finanziellen Paukenschlag, verdiente auf einen Schlag 80.000 Euro.
Cliffrose, im Besitz von Graf und Gräfin von Stauffenberg, wurde inzwischen in die USA verkauft. In Hamburg hatte die Monsun-Tochter den Gruppe-Erfolg bereits vor Augen, als sich Wurfscheibe auf den letzten Metern vorbeischob, nach „Kampf“ mit einer halben Länge voraus war. Zuvor war Cliffrose mit dem BMW Sachsen Preis in Dresden förmlich auf und davon gegangen. Deauville gehört Erika Hilger aus Düsseldorf. Die schnelle Stute schlug in Hannover auf Listen-Ebene zu, hatte vorher in Baden-Baden ebenfalls einen Sprint gewonnen.
Adamantinos, Smokejumper und Lucidor stehen im Besitz des Stalles Capricorns. „Die Familie Hilgert ist unglaublich engagiert. Es tut gut, dass sie diesen Erfolg hat“, freut sich Erika Mäder, die offen zugibt, dass sie Lucidor mit echten Siegchancen in der Bremer Vahr sattelte. „In Düsseldorf wäre er hinter Wiesenpfad bei einem besseren Rennverlauf Zweiter geworden. Seitdem hat er sich weiter verbessert, er musste allererste Chance haben“, so Erika Mäder, die für das Bremer Gruppe-Rennen wieder auf Eduardo Pedroza zurückgriff.
„Das war eine seit langem beschlossene Sache. Er ritt Lucidor in Bremen im Juli zum Sieg, setzte damals alles hundertprozentig um. Es war die Zeit, als Lucidor das schwere Münchner Gruppe-Rennen auf womöglich zu weiter Distanz mehr und mehr zu vergessen schien. Wir hatten in Bremen ein passendes Rennen für sein Comeback gefunden, Lucidor gewann aus der Reserve und ohne Stockeinsatz locker, bekam wieder Mumm.
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