Die Spatzen pfiffen es in Baden-Baden förmlich von den Dächern, das „gute Ding“ des zweiten Meetingstages: Mandel Set im Preis von Offenburg, immerhin ein mit sechzehn Pferden besetzter Ausgleich III. Und nach zwei Siegen bei ebenso vielen Auftritten in diesem Jahr versuchte sich die Second Set-Tochter erstmals in dieser Handicapklasse. Doch es gab offenbar gar keine Zweifel, Mandel Set stand in klarer Favoritenrolle, wurde aber in der Tat auch allen Vorschusslorbeeren vollauf gerecht, galoppierte die Gegner förmlich aus den Schuhen.
So, als sei dies die einfachste Sache der Welt gewesen, begleitete Trainer Dr. Franz Bach seine Seriensiegerin in den Iffezheimer Absattelring zurück. Die Journalisten, in Iffezheim ohnehin an jeder „Siegerstory“ interessiert, staunten nicht schlecht, als der Veterinär Mandel Sets „Geschichte“ in groben Zügen erzählte. So zum Beispiel die Sache mit den zwei Schrauben, die Mandel Set im Bein habe und die auch in Zukunft drin bleiben werden.
Und auch am dritten Meetingstag stellte das kleine Privat-Quartier aus Haßloch in einem weiteren „Monster-Handicap“ in Iffezheim mit Pretty Folly die Favoritin. Die Stute hatte bereits während des Frühjahrs-Meetings an der Oos gewonnen, diesmal ging die Rechnung nicht ganz auf, sie passierte als Fünfte die Linie. Natürlich saß Tochter Nina im Sattel: „Ich musste mit ihr einen Stopp hinnehmen, genau zu der Phase, als sie anpackte. Am Ende reichte es so nicht mehr ganz“, erklärt die hierzulande mit aktuell 13 Saisonsiegen erfolgreichste Reiterin.
Vierundzwanzig Starter hatte Dr. Franz Bach in diesem Jahr unterwegs, sechs davon kamen als Sieger zurück, macht eine erstaunlich gute Quote von 25 Prozent. Das Quartier, das in Haßloch auf der Gegenseite der Rennbahn beheimatet ist, wo einst Heinz Günter Heibertshausen in der Nachbarschaft den Derbysieger Ako trainierte, schreibt Erfolge, keine Frage.
Doch interessant wird es erst, wenn man die Herkunft der Pferde beleuchtet, die für diese kleine Quartier in der Pfalz gewinnen. Es sind Vollblüter, die nahezu ausschließlich mit Gesundsheitsmängeln – wie es in der Fachsprache heißt – der verschiedensten Art in die Obhut von Dr. Franz Bach gelangt sind.
„Fachtierarzt für Zoo- und Wildtiere, Turnier- und Rennbahntierarzt“, so steht es auf der Visitenkarte von Franz Bach. Und darüber steht der Name von Dr. Christine Bach, seiner Ehefrau und praktizierenden Tierärztin im heimischen Schriersheim, einem 13.000 Seelen zählenden Weinstädtchen, wo die Bachs auch ein Häuschen in Hanglage zum Odenwald bewohnen.
„Wir teilen uns die Arbeit auf, meine Frau betreibt die Tierarztpraxis, ich betreue die Höfe, den Heidelberger Zoo und natürlich unsere Pferde in Haßloch“, erklärt Dr. Franz Bach, der darüber hinaus auch als Rennbahntierarzt in Haßloch, Mannheim und Walldorf im Einsatz ist.
Nach den ersten Visiten in den Morgenstunden taucht Dr. Franz Bach in der Regel gegen elf Uhr auf der Bahn in Haßloch auf. Die Arbeiten mit den Vierbeinern haben seine Tochter Nina, Erwin Schindler, Hindernisjockey Martin Vorisek und die Auszubildende Carisma Keilbach natürlich längst in Angriff genommen. Franz Bach schaut dann nach dem Rechten, es gibt viel zu tun, vor allem auf dem veterinärmedizischen Feld.
„Es sind doch fast alle Second-Hand-Pferde, die ich betreue. Die meisten wurden infolge von Gesundheitsmängeln von mir behandelt oder zumindest nachbehandelt“, berichtet der erfolgreiche Besitzertrainer.
Warum tut er sich dies an? „Ich hatte schon als Junge viel Spaß am Galopprennsport. Sogar während meiner Studienzeit in Berlin bin ich zu den Rennen, so nach Hamburg zum Derby, gefahren. Später waren es dann meine Nachbarn, die Eheleute Hildegard und Fritz Moos, Herbert Schäfer und Heinz Schick, allesamt Besitzertrainer, die mich auch dazu inspirierten, dieses Neuland zu betreten. Als Mitbesitzer war ich bereits an einigen Pferden beteiligt.“
Nach einem dreiwöchigen Trainerlehrgang hatte Dr. Franz Bach 1996 den Besitzertrainerschein in der Tasche. Aus dem Olymp-Stall von Harro Remmert „claimte“ er wenige Wochen später nach einem Verkaufsrennen in Frankfurt Dream für 14 000 Mark. Im folgenden Jahr avancierte der Nebos-Sohn unter Nina Bach zum Doppelsieger, gewann später weitere Rennen.
Neben Dream stieß noch Tanni hinzu. Zwei Pferde, mehr waren eigentlich nicht geplant. „Doch auf einmal kamen die Kranken hinzu“, erinnert sich der Veterinär, und die Sache nahm plötzlich einen ganz unerwarteten Verlauf.
Als Tierarzt auf etlichen Südwest-Bahnen im Einsatz, ist es zwangsläufig, dass er in engem Kontakt zu Trainern und Besitzerrn steht. So kamen die ersten Anfragen, ob Franz Bach nicht Pferd X oder Y in Haßloch medizinisch betreuen könne.
„Vor allem aus dem engen Umfeld von Christian von der Recke und der Familie Müller aus Düsseldorf gab es einige Interessenten. Schließlich wurde der Kreis immer größer, auch das Gestüt Isarland und Helmut von Finck kamen in Kontakt mit Dr. Franz Bach, natürlich waren nur „spezielle Fälle“ ein Gespräch.
Acht Pferde stehen aktuell auf der Trainingsliste des Stalles ABA – „Familienmitglied“ Jack Russell Anton steht Pate für den Decknamen. Die in diesem Jahr noch unbezwungene Mandel Set kam aus dem Gestüt Wittekindshof, lief für die Galopp-Freunde-Baltrum dreijährig zwei Mal in die Platzierung.
Dann zog sie sich eine Fraktur im Vorderfußwurzelgelenk zu. „Gestütsleiter Klaus Jörg rief mich im Winter an, ob ich die Stute haben möchte. Die Verletzung war bestimmt nicht unproblematisch, doch wie man mittlerweile gesehen hat, lohnte sich die Sache. Aber es geht natürlich nicht immer so optimal aus“, erklärt der 55-jährige Veterinär. Im Herbst will man es mit der Wittekindshoferin in Köln sogar in einem Listenrennen versuchen.
Apropos Listen-Rennen: Am Sonntag wird das kleine aufstrebende Privatquartier in München den ersten Starter in einem Listenrennen stellen. Pretty Folly nimmt Kurs auf den Großen Fliegerpreis der Bayerischen Hausbau GmbH. Natürlich wird auch in Riem Nina Bach im Sattel sitzen, ebenfalls erstmals in einem Listenrennen unterwegs sein.
Nachdem die Tochter von Franz Bach als Amateurrennreiterin begonnen hatte, absolvierte sie später nach ihrem Abitur eine Lehre als Pferdewirtin – Schwerpunkt Rennreiten. Mit 71 Siegen ist sie längst zum Jockey aufgestiegen. In diesem Jahr kann sie einen vorzüglichen Ritte/Sieg-Schnitt von 20 Prozent vorweisen.
Nicht nur, dass sich Mandel Set und Pretty Folly auf der Rennbahn bestens ins Szene setzen, sie besitzen auch feine züchterische Referenzen. Pretty Follys Großmutter Prairie Venus gewann gleich zwei Gruppe-Rennen, Mandel Set zählt zur engsten Verwandtschaft von Mandelbaum.
„Ich züchte mit Niniskiyana, die ich seinerzeit auf der Iffezheimer Frühjahrs-Auktion ersteigert habe und die anschließend vier Rennen für uns gewann. Sie hat bereits zwei Nachkommen geliefert, eine Mutterstute reicht uns.
Möglich, dass Pretty Folly nach Ende der Saison nach Frankreich verkauft wird, Interessenten haben bereits bei uns angeklopft. Mandel Set könnte Ende des Jahres auch zum Verkauf stehen“, klärt Dr. Franz Bach auf und fügt hinzu: „Vielleicht melden sich ja Herr Jörg oder Herr Miebach vom Gestüt Wittekindshof.“
Den „Gesundheitsmangel“ von Pretty Folly wollten wir natürlich auch gerne wissen. „Nasenbluten“, so die Antwort. „Hundertprozent ist es nicht in den Griff zu bekommen. Mit einem Naturstoffmittel, das den Blutdruck im Lungenkreislauf senkt, haben wir aber den größtmöglichen Erfolg erreicht“, fasst der Veterinär zusammen.
Leider lief es bei der so gut veranlagten Task, die die Farben von Helmut von Finck trug, nicht wie gewünscht. Nach einem Gleichbeinschaden war die Law Society-Tochter bereits auf dem richtigen Weg nach oben, als ihr Leben nach einer Colitis (unstillbarer Durchfall) plötzlich beendet war. Mit Wide Ocean betreut Franz Bach auch einen Law Society-Sohn aus Isarland.
Er hatte sich auf der Koppel eine Griffelbeinfraktur der komplizierteren Art zugezogen. Er musste später von Dr. Bach nachoperiert werden, bekam auch eine Stoßwellentherapie verordnet. „Jetzt geht er aber unter dem Reiter, es sieht alles günstig aus, ich denke, er wird im kommenden Frühjahr an den Start kommen“, so die Prognose.
Bald geht es auch wieder mit dem Sandbahncrack Oro Khan los. Von Oktober bis Dezember gewann er im letzten Jahr – stets mit Nina Bach im Sattel – vier Rennen in Folge. Und es sei „immer noch was drin“. Mit Pashmina wird ein Pferd vorgestellt, das „ausnahmsweise mal nichts hatte“. Bei der jetzt dreijährigen Lomitas-Tochter aus der Zucht von Helmut von Finck war allerdings zeitig abzusehen, dass sie ein sehr spätreifes Semester sein würde.
„Da hat man mir sie für kleines Geld angeboten“, erklärt Franz Bach. Broken Hand, früher in Düsseldorf stationiert, hat die Umsiedlung in die Provinz so richtig gutgetan. Sie war „rennbahngestört“, heißt es. Für ihre neue Umgebung hat sie im Vorjahr einen Ausgleich III gewonnen, nun steht sie nach den letzten Eindrücken wieder vor einem Sieg. Interessenten aus Frankreich haben nachgefragt, sind an einen späteren Einsatz der Nicolotte-Tochter in der Zucht interessiert.
Die zweijährige Nanny geht auf das Zuchtkonto von Dr. Bach. Die Law Society-Tochter ist das erste Fohlen der Niniskiyana. So, wie es aktuell aussieht, könnte sie sich im Herbst vorstellen. Das zweite Fohlen der Niniski-Tochter ist im Jährlingsalter, heißt Nopper und stammt ebenfalls von Law Society, aktuell ist Niniskiyana tragend von Waky Nao. Die jungen Pferde wachsen im Gestüt Isarland auf.
„Der hat den Hang zur Selbstverstümmlung, raste sogar einmal mit Nina im Sattel morgens gegen das Hochsilo, riss sich die Schulter komplett auf. Ich hatte eigentlich nicht gedacht, dass ich ihn wieder hinkriegen würde.“ Doch jetzt befindet sich Abanou wieder im Lot.
Auf den Koppeln steht weiterer Nachschub für den Rennstall bereit, neue Anfragen liegen vor. Franz Bach: „Ich wäge mittlerweile doch gezielter nach bestimmten Kriterien ab. Was hat das Pferd früher gezeigt, wie sieht das Pedigree aus, oder wie steht die zu erwartende zeitliche und finanzielle Investition im Vergleich zum Schaden?“
Aus einer ursprünglichen Interimslösung für „gesundheitlich angeschlagene“ Pferde hat sich in diesem Haßlocher Quartier eine Eigendynamik entwickelt. Und wenn Nina Bach in einigen Wochen in den Lehrgang zum Public-Trainer einsteigt, da kann man bereits erahnen, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, sie sich mit ziemlicher Sicherheit als Public-Trainerin in diesem Quartier niederlassen wird. Die Grundlage dafür, die hat ihr Vater allemal geschaffen.