Die morgendliche Arbeit hat er hinter sich. Im Zirkel wird Lucky Speed unter der Decke noch Schritt geführt. Sein Trainer Peter Schiergen lehnt sich an eine Boxentür und schaut zu seinem letztjährigen Hamburger Triumphator hin. „Er ist wieder richtig da“, bemerkt der Mann, der mit Lucky Speed nach Boreal, Schiaparelli und Kamsin seinen vierten Derby-Sieger gesattelt hatte. In einem Zeitraum von gerade Mal 15 Jahren, 1998 war Tiger Hill sein erster Derby-Starter als Trainer gewesen. Nun hatte am ersten Juli-Sonntag 2013 der Silvano-Sohn erneut für das Asterblüte-Quartier im „Rennen aller Rennen“ gepunktet. Mit kapitalem Speed war Stall Hornoldendorfs vom Gestüt Hof Ittlingen gezogener Hengst unter Andrasch Starke genau zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle gewesen und verwies den französischen Gast Tres Blue und den Riesenaußenseiter Nordvulkan auf die Plätze. Natürlich war auch das 144. SPARDA Deutsche Derby von taktischen Finessen geprägt, erneut war das Tempo vom Fleck weg hoch und erneut kam der Sieger von weit hinten. Neben Lucky Speed hatte Peter Schiergen mit Empoli und Bermuda Reef zwei weitere Pferde im Blauen Band gesattelt und die Taktik, die er aussprach, war eigentlich unmissverständlich. „Alle drei möchte ich an der ersten Ecke im hinteren Drittel sehen.“ Doch dann kam es wieder einmal anders. „Bermuda Reef lag sofort im Vordertreffen, auch Empoli brummte nicht weit dahinter, war ebenfalls viel zu früh da“, schaut uns der Asterblüte-Chef fragend an. Nur Andrasch Starke hielt sich an die Order, wartete wie erwähnt so lange wie möglich und hatte am Ende die Nase vorne. „In anderen Rennen geht das vielleicht, dass man früh zur Stelle ist, nicht aber im Derby“, gibt der Rekordhalter unter den europäischen Jockeys noch einmal deutlich zu verstehen.“ Über die IVA von Rüdiger Alles war der vom Gestüt Hof Ittlingen gezogene Silvano-Sohn auf der BBAG-Jährlingsauktion in den Besitz des Stall Hornoldendorf von Dr. Arend Oetker gekommen. Zweijährig blieb der Silvano-Sohn ungeprüft, im April 2013 brachte ihn Peter Schiergen erstmals heraus, Lucky Speed verbuchte gleich den ersten Erfolg und ließ schon seinerzeit auf der Heimatbahn Kämpferqualitäten erkennen. In Frankfurt ging es gleich auf Gruppe-Ebene weiter, am Pfosten konnte es nur nach einer Start-Ziel-Taktik Vif Monsieur besser als Lucky Speed. Die Weichen für einen Derbystart waren endgültig gestellt. Was man bei seinem Start zu sehen bekam, ließ den Schluss zu, dass man möglicherweise den kommenden Derby-Sieger gesehen haben dürfte. Aus einer nahezu aussichtslosen entwickelte Lucky Speed solch famosen Speed, dass der Silvano-Sohn auf der Linie gegen Flamingo Star und Bermuda Reef zum Zuge kam. Damit war der nächste Schritt getan, aus einem Derby-Starter wurde ein potentieller Sieganwärter. Wie erwähnt siegte Lucky Speed in Hamburg nach einem ausgeprägten Rennen auf Warten in sicherer Manier, bescherte Andrasch Starke den sechsten Derby-Sieg Am Derbytag hatte sich Lucky Speeds Besitzer von seiner Cousine Dr. Ingeborg von Schubert vertreten lassen, da er auf Sardinien weilte. Eine weitere Möglichkeit, seinen Derby-Sieger im letzten Jahr auf der Rennbahn zu verfolgen, bekam Dr. Arend Oetker nicht mehr. Nach dem Derby-Triumph hatte man als nächste Aufgabe den Großen Dallmayr-Preis in München ins Auge gefasst. Die Gruppe-I-Prüfung führt bekanntlich über 2000 Meter. „Lucky Speed ist von seiner Veranlagung auch durchaus in der Lage, Rennen über 200ß Meter zu bestreiten. Er ist dafür spritzig genug“, klärt der Trainer auf. Doch sollte es zu einem Auftritt in dieser Münchener Traditionsprüfung nicht kommen. Der Asterblüte-Chef erklärt warum: „Lucky Speed hat in seiner Box kurz festgelegen, hatte sich im Rücken verspannt. Nichts Ernstes, aber es war eine Pause fällig und an einen Start im Großen Dallmayr-Preis war nicht zu denken.“ Anschließend nahm man mit dem Silvano-Sohn Kurs auf den Longines Großer Preis von Baden. Doch auch in Iffezheim bekam man den amtierenden Derby-Derby-Sieger leider nicht zu sehen. Wenige Tage vor dem Start des Iffezheimer Jahreshighlights stand der Silvano-Sohn unter dem Einfluss eines Infektes. Peter Schiergen: „Es gab eine Verschleimung, auch Baden-Baden mussten wir leider canceln.“ Wenige Tage vor der Entscheidung des Preises von Europa weilte Peter Schiergen auf der Pressekonferenz des Kölner Renn-Vereins. Auch für Deutschlands letzter Gruppe-I-Prüfung wurde Lucky Speed nicht angegeben, doch gab der Asterblüte-Coach deutlich zu verstehen, dass man, wenn man wolle, im Spätherbst noch einen Auftritt mit seinem Derby-Sieger wagen könne. „Ich habe den Hengst auch auf der Hengsteschau am Europa-Preis-Wochenende auf der Kölner Bahn präsentiert, damit sich alle ein Bild davon machen konnten, dass er wieder einsatzbereit ist“, schildert Peter Schiergen die Situation im Herbst. Letzten Endes aber kam es doch nicht mehr zu einem Auftritt von Lucky Speed. Peter Schiergen: „Ein Start in Italien wäre noch möglich gewesen, aber von da gibt es ja kein Geld. So haben wir Lucky Speed dann in Winterruhe geschickt. Wo Peter Schiergen mit seinem Crack in diesem Jahr beginnen wird, steht noch nicht genau fest. „Der Preis der Badischen Unternehmer während des Frühjahrs-Meetings wäre eine Möglichkeit“, so Peter Schiergen, der natürlich auch Auslandsstarts planen dürfte. Zum Beispiel auch die King George? Er antwortet mit einer diplomatischen Frage: „Es hat eine Ewigkeit gedauert, bis ein in Deutschland trainiertes Pferd dieses Rennen gewinnen konnte. 2011 war das die von mir trainierte Danedream. Dann gewinnt zwölf Monate später mit Novellist erneut ein deutsches Pferd. Nun soll das dritte Mal in Folge ein Pferd aus Deutschland dieses bedeutende Rennen gewinnen?“ Fakt ist, dass er wieder so richtig Mumm auf seinen Derby-Sieger hat. „Er erhält eine Nennung für den Prix de l‘ Arc de Triomphe.“ So wird man mit diesem großen Saisonziel im Rücken bei der Planung zeitlich auch immer wieder den Blick auf den ersten Oktobersonntag in Paris werfen. Wie es geht, das hat Peter Schiergen mit Danedream 2011 großartig bewiesen.