Mit D.v. Boetticher

GaloppOnline.de: Sie waren bei den King George live dabei, als der von ihnen gezogene Hurricane Run nach einem großartigen Finale zum Sieg fand. Wie haben Sie das Rennen gesehen?

Dietrich von Boetticher: Ich habe die King George zusammen mit meiner Frau auf der Tribüne in Ascot verfolgt. Hurricane Run lief zunächst etwas untypisch. Er sprang sehr gut ab, war sofort dabei. Dabei hatte Herr Fabre Christophe Soumillon ein klein wenig gewarnt, er solle sich nicht zu früh an dem Pacemaker orientieren.

Um die letzte Ecke und in der Geraden hatte Hurricane Run aus meiner Sicht kein gutes Rennen, geriet in die Enge. Der Bahnkommentator und auch ich hatten ihn fast schon für den Sieg aufgegeben. Aber dann kam seine große Klasse zum Tragen. Doch dann nutzte er auch die Unruhe zwischen Electrocutionist und Heart‘s Cry. Als er freie Bahn vorfand, packte er gewaltig an, zeigte riesiges Selbstbewusstsein. Ob die vielen Peitschenschläge vonnöten waren, weiß ich nicht. Auch Christophe Soumillon zeigte sich später einsichtig.

GaloppOnline.de: Sie waren einer der ersten Gratulanten, bedankten sich mit einem Kuss bei Christophe Soumillon. Wie haben Sie den durch Fallons Sperre notwendig gewordenen Reiterwechsel im Vorfeld gesehen?

Dietrich von Boetticher: Das mit dem Kuss war so. Noch vom Pferd aus rief mir Christophe Soumillon zu: Sorry for the Prix du Jockey Club. Das hat mich so berührt, dass er nach einem seiner größten Siege und seinem ersten Erfolg in Ascot an diese unglückliche Niederlage von Chantilly gedacht hat.

Da habe ich mich spontan mit einem Küsschen bedankt. Im Übrigen laste ich Christophe Soumillon nicht die Niederlage im letztjährigen französischen Derby an. Was die Reiterfrage im Vorfeld anging, so sagte mir Herr Fabre einige Tage vor dem Rennen, dass er Soumillon in Reserve halten werde. Ich war damit natürlich einverstanden.

GaloppOnline.de: Lässt sich eigentlich sagen, welcher Sieg mehr bedeutet. Der im „Arc“ oder dieser King-George-Triumph?

Dietrich von Boetticher: Der „Arc“ ist für mich schon immer noch der Höhepunkt. Diese geballte Qualität von Spitzenpferden aus aller Herren Länder. Ich mag das Rennen auch, weil dort stets mehr Pferde als z.B. in den King George am Start sind. Wie wir noch am letzten Samstag sahen, ist bei weniger Pferden mehr taktisches Spiel möglich. Das gibt es in einem Arc eigentlich nicht.

Sonst hätte Hurricane Run im letzten Jahr nicht aus nahezu aussichtsloser Position gewonnen. In diesem Jahr ist der japanische Spitzengalopper Deep Impact für den „Arc“ angekündigt. Der soll ja noch besser als Heart‘s Cry sein. Das ist doch etwas, das verspricht doch noch mehr Spannung.

GaloppOnline.de: Besitzer Michael Tabor war natürlich ebenso im Absattelring von Ascot wie Coolmore-Boss John Magnier. Wie ist Ihr Verhältnis zu diesen bedeutenden Global-Playern des Turfs, die Hurricane Run im letzten Jahr kauften?

Dietrich von Boetticher: John Magnier bewundere ich sehr. Er wurde als Sohn in einem bäuerlichen Betrieb geboren, musste mit 14 Jahren die Schule verlassen, weil sein Vater verstarb und er den Hof führen musste. Er hat diesen zu einem der größten und erfolgreichsten Zuchtbetriebe der Welt aufgebaut. Was er geschafft hat, ist sensationell.

John Magnier ist ein Genie in der Beurteilung von Pferden und darüber hinaus auch ein Genius, was das Kaufmännische angeht. Nach außen hin tritt er unverändert bescheiden und zurückhaltend auf. Ich habe zu ihm seit Jahren ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis und bin natürlich sehr froh, dass Hurricane Run seine Zukunft in Coolmore hat. Etwas Besseres gibt es nicht.

GaloppOnline.de: Sie haben bereits Borgia, die Derby-Siegerin von 1997, in ihrer späteren Laufbahn zu Andre Fabre in Training gegeben. Was hat Sie damals dazu bewogen?

Dietrich von Boetticher: Vor Borgia hatte ich bereits Asolo bei Herrn Fabre in Training. Er war ein Sohn aus einer Tochter von All Along. Ich war mit ihm an internationalen Einsätzen interessiert und nahm den Kontakt mit Andre Fabre auf. Borgia hatte auf Ammerland einen Sehnenschaden auskuriert. Da ich mit ihr internationale Rennen bestreiten wollte, habe ich sie zu Andre Fabre in Training gegeben. Die Rechnung ging ja bekanntlich auf.

GaloppOnline.de: Sie lassen ja auch heute noch bei Herrn Fabre trainieren, er gilt als introvertierter Mensch. Warum ist er aus ihrer Sicht seit nahezu 20 Jahren erfolgreicher als alle anderen. Wieviel Einfluss haben Sie zum Beispiel im Management ihrer Pferde?

Dietrich von Boetticher: Zum Letztgenannten. Ich nehme keinerlei Einfluss auf das Management der Pferde. Dies überlasse ich stets allen Trainern. Herr Fabre ist ein hochintelligenter Mensch. Und Intelligenz hilft bei allen Menschen und auf allen Gebieten. Er kann seine Pferde unglaublich gut einschätzen, weiß, wie er alles zu dosieren hat. Er plant sehr sorgsam, über die gesamte Saison. Aus diesen Gründen steht er weltweit an allervorderster Front.

GaloppOnline.de: Noch einmal zurück zu Hurricane Run. Nehmen Sie sich es eigentlich hin und wieder zu Herzen, dass Sie den Montjeu-Sohn, der ja zum aktuell besten Rennpferd der Welt aufgestiegen ist, Mitte letzten Jahres verkauft haben?

Dietrich von Boetticher: Ich habe die Rennen von Hurricane Run im Arc und in den King George entspannter verfolgt als zum Beispiel das Irische Derby, als er noch in meinen Farben lief. Die Freude über diese Triumphe ist stets gleich groß. Vor allem bin ich glücklich, dasss Hurricane Run im Arc und jetzt in Ascot seine Stellung als künftiger Deckhengst immer weiter aufgewertet hat. In meinem Gestüt Ammerland hätte ich ihn ohnehin nie aufstellen können.

Ich hätte ihn verpachten müssen, doch ist dies eine zwiespältige Sache. Ein Pachtpferd steht aus meiner Sicht in einem Gestüt immer an zweiter Stelle. Der Zeitpunkt, zu dem wir Hurricane Run im letzten Sommer verkauften, war genau richtig. Man sollte in Erwartung eines großen Erfolges verkaufen. Dann sind die Menschen bereit, größere finanzielle Opfer zu bringen. Das ist in der Wirtschaft ähnlich. Kündigt ein Unternehmen Erfolg an, dann steigen die Aktien.

GaloppOnline.de: Dass es einen Hurricane Run gibt, lag an Ihrer Eingebung, vor gut 20 Jahren in Newmarket seine Großmutter Hone zu erwerben. Wie und warum kam es zu diesem Ankauf?

Dietrich von Boetticher: Nicht nur durch meine Eingebung. Aber der Reihe nach. Hone hat mich als Sharpen-Up-Tochter interessiert. Zudem war sie tragend von Caerleon, einem damals noch jungen Coolmore-Hengst, der im Schatten von Lomond stand. Später ist Caerleon zu einem der besten Hengste der Welt aufgestiegen, vor allem auch als Vater erfolgreicher Mütter. Doch den Ankauf von Hone kann ich Hansjörg Eisele verdanken, und ich verneige mich noch heute vor ihm. Er war in Newmarket auf der Auktion, als mich sein Anruf erreichte.

Er hätte eine sehr interessante Stute für mich. Ich gab grünes Licht, via Telefon steigerten wir mit, er bekam den Zuschlag. Wenige Monate später brachte Hone den späteren Lomitas-Bezwinger Hondo Mondo zur Welt. Später brachte Hone mit Hondero einen weiteren Gruppe-Sieger und schließlich Hold on, die Mutter von Hurricane Run wurde.

GaloppOnline.de: Hold on brachte mit Hibiskus gleich einen Gruppe-Sieger. Im Derby-Jahrgang befindet sich mit High Fidelity eine von Peintre Celebre stammende Halbschwester von Hurricane Run. Sie hat vor wenigen Wochen bei ihrem Erstauftritt in ihren Farben und trainiert von Andre Fabre in Clairefontaine gewonnen. Wie soll es mit ihr weitergehen. Wird Sie irgendwann auf einer Auktion erscheinen?

Dietrich von Boetticher: Es ist natürlich schön, dass sie gleich gewonnen hat. Nun muss man mal sehen, wie es weitergeht. Herr Fabre ist ja sehr wortkarg, aber ich denke, er wird es schon machen. Zu kaufen ist High Fidelity natürlich nicht.

GaloppOnline.de: Wieviele Ammerländer stehen aktuell bei Andre Fabre. Haben Sie im Ausland noch weitere Pferde in Training?

Dietrich von Boetticher: Bei Herrn Fabre habe ich acht Pferde in Training, sieben bei Andreas Trybuhl und ein Pferd bei Sir Michael Stoute in Newmarket.

GaloppOnline.de: Hatte der Weggang von Andreas Schütz, der für sie hierzulande die meisten Pferde trainierte, Einfluss auf den deutschen Standort von Ammerländer Pferden in Training?

Dietrich von Boetticher: Mit Ausnahme von Nordic Thunder blieben alle Pferde bei der Stallübernahme bei Andreas Trybuhl in Köln. Dass Nordic Thunder nach Frankreich wechseln würde, war schon vor dem Weggang von Andreas Schütz beschlossene Sache.

GaloppOnline.de: Nordic Thunder, im Vorjahr Zweiter im Preis des Winterfavoriten, kommt in diesem Jahr noch nicht so richtig weiter?

Dietrich von Boetticher: Das stimmt, er ist schon eine Enttäuschung. Aber Herr Fabre setzt noch auf den Herbst. Er meint, dass bei weicherer Bahn noch etwas möglich wäre.

GaloppOnline.de: Seit 1989 sind Sie Besitzer des Gestüts Ammerland, der Heimat der Derby-Sieger Borgia und Boreal. Wie groß ist aktuell die Mutterstutenherde, welche Hengste haben Sie für ihre Zuchtperlen in diesem Jahr auserwählt?

Dietrich von Boetticher: Aktuell umfasst unsere Mutterstutenherde 37 Pferde. 27 stehen in Ammerland, sieben in Coolmore und drei auf der Three Chimneys Farm in Kentucky. Dort werden auch die Pferde, die in den USA auf die Auktion gehen, vorbereitet.Wir haben in dieser Sison Boreal sehr stark unterstützt. Auch Java Gold erhält Ammerländer Stuten. Natürlich sind wir auch international aufgestellt. Gebucht wurden z.B. Montjeu, Peintre Celebre, Kris Kin, Sharmadal oder Antonius Pius. In den USA Bernstein, Rahy und Hawk Wing.

GaloppOnline.de: Derby- und Coronation-Cup-Sieger Boreal deckte im ersten Jahr lediglich fünf Stuten, 2005 und somit im zweiten Jahr waren es bereits über 20. Wie war die diesjährige Resonanz, wie sieht seine Zukunft in Ammerland aus?

Dietrich von Boetticher: Boreal hatte das große Pech, sich im Preis von Europa zu überschlagen. Er zog sich einen Schädelbruch, Wirbelverletzungen, etc. zu. Ich dachte damals, das war‘s. Als er wieder auf dem Damm war, haben wir mit ihn bewusst zunächst einmal nur gezielt eingesetzt, lediglich eigene Stuten zugeführt. Dann fand er im zweiten Jahr bereits eine gute Resonanz, in diesem Jahr deckte Boreal noch mehr Stuten als 2005.

GaloppOnline.de: Ist das Erbe der Hone in Ammerland langfristig gesichert?

Dietrich von Boetticher: Ich denke schon. Neben Hold on befindet sich in der Ammerländer Mutterstutenherde auch noch eine Schwester von ihr, die tragend von Bering ist. Es sieht zudem so aus, dass in naher Zukunft noch die eine oder andere Stute das Erbe der Hone verstärken wird.

GaloppOnline.de: Ein Volltreffer war der Ankauf von Grey Lilas. Sie hatte in Deauville für 170.000 Euro den Ring zunächst unverkauft verlassen, später kam sie freihändig in ihren Besitz. Die Stute gewann unter der Obhut von Andre Fabre vor allem den Prix du Moulin de Longchamp (Gr. I). Wie hat ihre Zuchtlaufbahn begonnen?

Dietrich von Boetticher: Die Stute, die ja auch in beiden französischen Stutenklassikern platziert gelaufen ist, trägt von Boreal. Das ist natürlich für den Hengst eine große Chance. Die Disposition für 2007 steht noch aus, mal sehen, wie das Fohlen aussieht. Grey Lilas ist nach Borgia, die unverändert die Krone ist, die sicherlich beste Stute in der Herde. Borgia führt aktuell ein Fohlen von Dansili bei Fuß. Er ist der Vater des aktuellen Grand Prix de Paris-Siegers Rail Link.

GaloppOnline.de: Sie waren ohnehin gerade auch auf dem internationalen Markt als Käufer in jüngerer Vergangenheit sehr aktiv, haben die Mutterstutenherde mit einer Vielzahl von erstklassigem Blut verstärkt. Werden wir Ammerländer Jährlinge in Zukunft auf dem internationalen Auktionsmarkt sehen?

Dietrich von Boetticher: Ich denke schon. Aber dies ist auch schon seit einiger Zeit der Fall. Dabei ziele ich aber bewusst auf den internationalen Markt. In England, Irland oder Frankreich ist die Bedeutung des Vollblutsports ein anderer als bei uns. Was aber auch für die USA gilt. Dabei sind unsere Blutlinien ja so erfolgreich wie noch nie.

Und mit der Paarung eines sehr guten Stallions lässt sich auch ein Pferd zeugen, dass auf internationaler Bühne für Interesse sorgt. Aber noch mal zum Vergleich. In Irland stehen 50.000 Mutterstuten, in England 40.000. Der Stellenwert ist dort einfach ein anderer.

GaloppOnline.de: Bei einem Gestütsbesuch vor nicht allzu langer Zeit haben Sie Gefühle gezeigt, als die Sprache auf ihren ersten Derby-Sieger Luigi kam. Dieser Hengst bedeutet Ihnen offenbar noch sehr viel?

Dietrich von Boetticher: Oh ja, mit ihm und seinem Derby-Sieg fing eigentlich ja alles so richtig an. Luigi freut sich immer noch bester Gesundheit, deckt auch noch die eine oder andere Vollblutstute. In der Warmblutzucht ist er häufiger im Einsatz, hat auch schon tolle Produkte gebracht.

GaloppOnline.de: Sie waren auch mehrere Jahre Präsident des Münchener Rennvereins. Kennen die Landschaft somit nicht nur aus dem Blickwinkel eines Züchters oder Besitzers. Auch wenn Sie auf den deutschen Bahnen in letzter Zeit eher weniger präsent sind, gibt es aus aus Ihrer Sicht eine Empfehlung oder Idee mit positivem Einfluss für den deutschen Rennsport?

Dietrich von Boetticher: Ich habe mich seinerzeit als Präsident in Riem auch u.a. dafür stark gemacht, dass wir die klassischen Rennen öffnen. Auch dadurch haben wir den internationalen Anschluss herstellen können. Zu uns reisen Engländer, Franzosen, leider zu selten Iren. Wir sind im Ausland präsent, schneiden großartig ab.

Was ich hierzulande für dringend notwendig halte, ist die Modernisierung unserer Tribünen. Ohne einen bestimmten Komfort, ohne Atmosphäre sind die Menschen heute nicht mehr bereit, Veranstaltungen zu besuchen. Das Drumherum, das Ambiente, das alles muss genauso stimmen. Und wenn wir dann noch tollen Sport anbieten, dann stimmt die Sache.

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