Es war eine der Schlagzeilen der vergangenen Tage: Trainer Mario Hofer und Jockey Jean-Pierre Carvalho beenden mit sofortiger Wirkung ihre Zusammenarbeit. Am Freitag brodelte es bereits in der Gerüchteküche, worauf aber Hofers zweiter Jockey noch zu keiner Stellungnahme bereit war. Das ändert sich zu Beginn der Woche, nachdem sich beide Parteien noch einmal getroffen hatten.
„Ich hatte bei diesem Gespräch mit Mario Hofer nicht das Gefühl, dass sich eine weitere Zusammenarbeit anbietet. Wir trennen uns. Wenn alles in Ordnung wäre, kämen solche Gespräche erst gar nicht zustande und eine Trennung schon gar nicht“, so die ersten Sätze von Jean-Pierre Carvalho zu diesem Thema.
Natürlich steht vordergründig der Grund der Trennung im Interesse dieses doch etwas – zumindest, was auch den Zeitpunkt in der Saison angeht – überraschenden Splitts.
„Als man mir Ende der letzten Woche sagte, dass ich ein Pferd in der kommenden Woche im Ausland nicht reiten werde, habe ich das Training abgebrochen. Das war zuviel. Es ist grundsätzlich keine so wichtige Geschichte, aber eine Sache des Prinzips“, fasst der gebürtige Franzose zusammen.
Da nun auch ein für Montag anberaumtes Gespräch beide nicht mehr zusammenbrachte, ist Jean-Pierre Carvalho ab sofort ein Freelancer unter den Jockeys. Wie geht es weiter? „Zunächst einmal freue ich mich auf das Meeting im Schwarzwald, und darauf werde ich mich voll konzentrieren.
Ich habe für die ersten drei Tage rund 20 Ritte, am Himmelfahrtstag reite ich für Christian Sprengel in Lyon mehrere Pferde und steige dann wieder in Baden-Baden ein. Ich freue mich auf die zahlreichen Ritte. Nach Baden-Baden werde ich mich neu orientieren, dann auch sehen, wo ich in der Morgenarbeit ausreiten werde.“
Seit 1999 war der in Clermont-Ferrant geborene Franzose – mit einer einjährigen Unterbrechung bei Urs Suter – bei Mario Hofer im Stadtwald tätig. Ein Teil seiner Karriere, mit großen Möglichkeiten zur eigenen Entfaltung. Zwei Vize-Championate – 2003 hinter Andrasch Starke und zwölf Monate später hinter Andreas Suborics – belegen dies. Seit 2000 ist er in der Top-Ten der Statistik, nun dieser Bruch.
„Es gab ganz normale Hoch und Tiefs, alles in allem aber war die Zusammenarbeit bei Mario Hofer mit viel Erfolg verbunden, Ich gehe auch nicht mit Wut im Bauch, es gibt soviele schöne Erinnerungen“, hält Jean-Piere Carvalho fest, dem auch klar ist, dass er ein Engagement als zweiter Mann in einem Stall mit über 100 Pferden so schnell nicht wiederbekommen wird.
„Ich habe dennoch die Konsequenz gezogen, hoffe, dass ich mich als Freelancer durchkämpfen werde“, schildert er seine Perspektiven. Klar ist, dass der zweite Stalljockey auch an einem großen Stall nicht mehr das ist, was es früher einmal war. Das waren die Zeiten der Absolutisten, die Nummer eins im Stall wie Fritz Drechsler am Asterblüte-Quartier bei Heinz Jentzsch oder Oskar Langner bei Sven von Mitzlaff. Oder auch Georg Bocskai ebenfalls bei Heinz Jentzsch, Peter Alafi bei Bruno Schütz. Aber zu dieser Zeit hatten auch die zweiten Jockeys in den federführenden Quartieren eine Art Traumjob. Es gab viele sehr gute Pferde, der erste Mann musste entscheiden, hatte den Druck.
Der zweite Mann konnte eigentlich keine Fehler machen, nur gewinnen, sogar große und größte Rennen. Wie z.B. Peter Kienzler mit Alpenkönig im Deutschen Derby gegen Lombard unter Fritz Drechsler. Oder Andrzej Tylicki, der mit Acatanango in Horn punktete, während Georg Bocskai Lirung die Treue hielt.
Nur einige Beispiele, alles Geschichte. Heute haben es die zweiten Jockeys an besseren Ställen mit einer ganz anderen Grundstruktur zu tun. Weniger Besitzer, weniger Pferde, folgerichtig weniger Renntage. „Der zweite Mann kämpft ums Überleben“, fasst es Jean-Pierre Carvalho zusammen.
2007 war er die ersten sieben Wochen im Jahr für seinen Stall in Cagnes-sur-mer, die Sandbahnsaison fand ohne ihn statt. „Ich habe am 25. März meinen ersten Sieger hierzulande geritten, tauchte nicht in der Statistik auf, musste mich erst einmal wieder ins Gespräch bringen. Nun bin ich wieder unter den Top-Ten“, so der Verlauf der ersten Monate in dieser Saison. Die Statistik weist ferner aus, dass er für Mario Hofer gerade mal zehn Ritte in Deutschland in diesem Jahr ausführte.
Doch dies sei kein Vorwurf an den Trainer. „Wir haben hier ruhig begonnen und ich habe geritten, was mir zustand.“ Am letzten Sonntag in Hannover brachte sich „Chippi“ mit drei Siegen, inclusive dem Listentreffer, nachdrücklich in Erinnerung.
Nun wird sich Jean-Pierre Carvalho zunächst einmal als freier Jockey „durchkämpfen“. „Ich bin 35 Jahre alt, fit, kann 51 Kilo reiten. Ich denke, das sind gute Voraussetzungen.“ Um seine Rittengagements kümmert sich seit vielen Jahren Harald Schneider aus München.
Natürlich sei, so Carvalho, unter den Jockeys alles viel schwieriger als noch vor ein paar Jahren. Was man natürlich ohne Wenn und Aber abnicken muss. Man schaue sich das Vorprogramm eines x-beliebigen Renntages an. Ein Rennen, zwölf Pferde, sieben Stalljockeys, drei, vier Pferde bleiben übrig für mindestens ein halbes Dutzend Reiter. Man kennt dies aus den Partys in den Sechzigern, Siebzigern. Auch die Kids von heute spielen es noch: Neun Stühle, zehn oder mehr Leute, die Reise nach Jerusalem geht los.
Dass im Moment ein „kleiner Krieg“ unter Jockeys abläuft, wiegelt er klar ab. „Nein, das ist nicht so. Klar, dass schon einmal die Suppe überkocht. Aber wir kennen uns teilweise schon mehr als zehn Jahre. Bislang war stets Respekt unter uns Reitern vorhanden. Das soll auch auf jeden Fall so bleiben.“