Es war der 20. März 1971, als auf der Rennbahn in Gelsenkirchen-Horst eine neue Wette aus der Taufe gehoben wurde. „Start zu neuem Glück“ wurde damals getitelt, der erste Rennquintett-Ausgleich sollte eine neue Ära einläuten, passenderweise unter dem Namen „Goldregen-Rennen“. An diesem Wochenende wurden in Köln die beiden letzten Rennquintett-Rennen gelaufen, fast unbemerkt werden diese Prüfungen eingestellt, nach über 32 Jahren.
Einen „Goldregen“ hatte es in den ersten Jahren auch gegeben, Umsätze von über einer Million Mark (!) pro Woche waren keine Seltenheit, weil es auch des öfteren prall gefüllte Jackpots gab. Doch Mitte der Achtziger Jahre ging es bergab, weil auch die Formel mehrfach geändert wurde, am Ende spielte das Rennquintett nur noch eine untergeordnete Rolle, höchstens Nostalgiker griffen zum Schein, ernsthafte Wetter beschäftigten sich damit nicht mehr, die Quoten waren teilweise auch lächerlich gering, weil, wie beim Lotto, nur fünfzig Prozent der Einsätze ausgeschüttet wurden.
1971 startete das Rennquintett in Nordrhein-Westfalen, wurde drei Jahre später auch auf andere Länder ausgeweitet. 1978 wurden 34 Millionen Euro gewettet, im vergangenen Jahr waren es gerade einmal 700 000 Euro gewesen. Der Wettumsatz vergangene Woche: 11 190 Euro.
„Fünf aus 16“ hieß zunächst die Spielformel, mit einer Pferdelotto-Wertung, die dann mehrfach geändert wurde, was gewiß nicht zur Popularität beigetragen hat. In den Achtziger Jahren gab es auch noch „Mittwochs-Turf-Ausgleiche“, die aber mangels Interesse der Wetter bald eingestellt wurden.
Die Rennvereine werden den Tod des Rennquintetts bedauern. Immerhin schüttete das Westlotto letztes Jahr noch
80 000 Euro an die Rennvereine in Nordrhein-Westfalen aus. Und die mit 15 Pferden besetzten Rennen hatten stets für einen guten Umsatz gesorgt. So mancher kleine Besitzer oder Trainer finanzierte zudem die Unterhaltskosten der Vierbeiner mit den Startgeldern dieser Rennen.
Schließlich ist einer der größten Skandale des deutschen Rennsports mit dem Rennquintett verbunden, der insbesondere 1981 sogar vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt wurde, auch wenn er bereits zehn Jahre zurücklag.
Der Kaufmann Georg Dommel aus Ratingen war damals der Financier und Drahtzieher, der Mittelsmann war der damalige Jockey Uwe Mathony, der heute als Autodesigner in Rastatt lebt. Das Prinzip war ziemlich einfach: Dommel, dessen Vater Inhaber des Freizeitparks „Minidomm“ in der Nähe von Düsseldorf war, gab acht der im Rennquintett beteiligten Jockeys Geld (der damalige Tarif waren 3000 Euro plus einer Prämie bei Gewinn) und kombinierte die anderen acht Pferde.
Das System funktionierte blendend. Dommel rief Mathony an („Ich habe da ein bestimmtes Rennen ins Auge gefasst“), der verteilte dann das Geld. „Das geschah unter großen Strapazen“, erinnerte sich der Reiter 1981 im Prozeß, „meistens in der Jockeystube und in der Toilette. Jeder Reiter wollte das Geld vorher, stellen Sie sich einmal vor, was das für ein Gewimmel war.“
Am 7. August 1971 ging es in Mülheim los, Bit of a Rascal gewann als 29:10-Favorit den Preis von Flensburg, Dommel setzte 6720 Mark ein und kassierte 206 459 Mark – weil die „gemeinten“ Jockeys mit ihren Pferden nicht unter den ersten fünf waren. Drei Wochen später in Düsseldorf gab es wieder richtig viel Bares. Es siegte Maifeuer mit Nick Jennings, Dommel bekam für seinen Einsatz von 12 000 Mark diesmal 244 484 Mark heraus.
Acht Jockeys waren vorher mit Geld versorgt worden, ebenso wie am 6. November in Krefeld, als Trojanus mit Arno Zweifel siegte, es für 7680 Mark 106 779 Mark an Auszahlung gab.
Inzwischen wurde man hinter den Kulissen aufmerksam. Uwe Mathony erinnert sich heute: „Das Direktorium hat überhaupt nichts gemerkt, aber die Lotogesellschaft wurde aufmerksam. Die haben angerufen und gesagt, da gewinnt ja immer der gleiche, das gibt es doch überhaupt nicht.“
Am 20. November wollte man in Dortmund noch einmal groß zuschlagen. 700 000 Mark waren im Jackpot, über 100 000 Mark betrugen die Einsätze. Doch diesmal wurden die Pferdelotto-Zahlen, die es zusätzlich zu treffen galt, zwar vorher gezogen, wie es normal war, aber nicht bekannt gegeben. Der Plan scheiterte, das Geld war weg und das Ende der Manipulationen gekommen.
Warum diese Dinge nicht schon kurze Zeit später öffentlich wurden, kann sicher nur von den unmittelbar Beteiligten nachvollzogen werden. Das Direktorium behauptete im Rahmen der Prozesse 1981, dass die verwertbaren Aussagen 1971 nicht zu einer Eröffnung des Sportgerichtsverfahrens hätten führen können. „Erst als 1976 verwertbare Aussagen vorlagen, wurde unverzüglich über die Verbandsgerichtsbarkeit die Staatsanwaltschaft eingeschaltet“, heißt es in einer damals veröffentlichten Presseinformation.
Diese eröffnete dann mehrere Verfahren, die allerdings teilweise gegen Zahlung von Geldbußen eingestellt wurden. Auch wenn Uwe Mathony, der zwischenzeitlich zu den Zeugen Jehovas übergetreten war („ich muss hier aus religiösen Gründen die Wahrheit sagen“), vor Gericht nicht unbedingt zur Freude der Mitangeklagten detaillierte Schilderungen abgab und sehr akkurat auch die oben aufgeführten Zahlen darlegte. Das Gericht sah im übrigen nur eine „geringe Schuld“ der beteiligten Jockeys an, nur Mathony war damals geständig.
Das ist alles Historie. Manipulation, zumindest in diesem Stil, die gibt es (hoffentlich) nicht mehr.
Das Rennquintett gehört der Vergangenheit an, damit die letzte überregionale Großwette und der Satz, den der 56 Jahre alte Uwe Mathony, der 1976 seine Karriere beendete, heute, über dreißig Jahre nach den Geschehnissen prägt, er gilt für die Gedanken, die der gesamte deutsche Turf damals hatte: „Wir dachten schon, wir werden alle Millionäre.“