Als in Köln am Sonntag der Grand Prix-Aufgalopp anstand, blickten nicht wenige auf die letztjährigen Derby-Starter Quinzieme Monarque und Nicolosio, die am Toto großes Vertrauen genossen. Dabei drehte im Führring ein Pferd seine Runden, welches seinen Trainer Wolfgang Figge schon im vergangenen Jahr als Dreijähriger in Verzückung geraten ließ. Gemeint ist Stall Salzburgs Night Wish, ein rechter Bruder der mehrfachen Gruppe-Siegerin und „Galopperin des Jahres 2009“, Night Magic. In Köln gab er auf Listen-Parkett seinen Saisoneinstand. Und was der Hengst dort zeigte, war genau die Klasse, die ihm sein Trainer seit je her attestiert hatte. Mit gewaltigem Speed kam der Bruder der prominenten Schimmelstute herangeflogen und verwies die tapfer dagegen haltende Nausica Time und den erwähnten Quinzieme Monarque auf die Plätze. Nur ein Sieg möchte man meinen, doch wenn man die Geschichte des Vierjährigen noch einmal Revue passieren lässt, dann ist der Erfolg in Köln mehr. Es ist eine Geschichte, die wechselhafter nicht sein könnte. Als einstige Derby-Hoffnung in seine erste Saison gestartet, plagten Night Wish alsbald Luftprobleme. Ein Start in Hamburg war ausgeschlossen, eine Fortsetzung der Karriere in Gefahr. Jetzt ist Night Wish zurück – und wie. Doch bis zum Sieg im Kölner Listen-Rennen war es ein weiter Weg. Der Sholokhov-Sohn, der als Zweijähriger ungeprüft blieb, war die große Derby-Hoffnung seines Trainers, doch die letztjährige Saison nahm für den schicken Hengst nach einem gelungenen Karrierestart eine äußerst unglückliche Wendung. Nach seinem überzeugenden Debüt-Sieg auf der Heimatbahn in Riem war auch Night Wishs Leistung im Bavarian Classic der Gruppe III in der Retrospektive mit Rang vier zum späteren Derby-Sieger Lucky Speed mehr als vielversprechend. Doch sein darauf folgendes Laufen in der Kölner „Union“ sollte alle Hoffnungen der Verantwortlichen auf einen Auftritt im 144. Deutschen Derby jäh begraben. Für den Start im Kölner Derby-Trial und auch später für das „Blaue Band“ in Hamburg hatte man mit der Verpflichtung des Weltklasse-Jockeys Frankie Dettori im Vorfeld einen echten Coup gelandet und unterstrich auch auf diese Weise den „Mumm“, den man auf den braunen Hengst aus Etzeaner Zucht, der auf der BBAG Jährlingsauktion 200.000 Euro kostete, hatte. „Union“ wirft Fragen auf Doch das Laufen im Oppenheim Union-Rennen machte schon früh deutlich, dass Night Wish an diesem 16. Juni nicht das Pferd war, das man kannte. Früh in Schwierigkeiten, sah man den Hengst nie in der Partie. Am Ende passierte der Sholokhov-Sohn mit unglaublichen 23 Längen Rückstand hinter dem restlichen Feld den Zielpfosten. Eine Leistung, die einfach nicht stimmen konnte. Doch was war passiert? „Er bekam schlecht Luft. Das lag aber vor allem an dem Ritt. Dettori hat ihn mit viel zu viel Tempo auf die erste Ecke zugesteuert. Night Wish braucht unbedingt ein relaxtes Rennen“, so Wolfgang Figge damals gegenüber der „Sport-Welt“. Schnell waren sich die Verantwortlich um Trainer Wolfgang Figge und Besitzer Hans-Gerd Wernicke sicher, dass ein Auftritt im „Blauen Band“ mit Night Wish, der aus der Listen-platzierten Monsun-Tochter Night Woman stammt, nicht zu realisieren war. „Die Stimmung nach der „Union“ war sehr niedergeschlagen. Und uns war schon klar, dass es nichts mit dem Derby werden wird. Das war die richtige Entscheidung“, erinnert sich Wolfgang Figge an die Tage nach der Kölner „Union“, als von einem auf den anderen Moment alle hochgesteckten Ziele durch einen unglücklichen Umstand zunichte gemacht wurden. Die von Frankie Dettori erkannten Luftprobleme bestätigten sich nach weiteren Untersuchungen umgehend. Man suchte daraufhin medizinische Unterstützung in Großbritannien. Man kontaktierte Spezialisten im Rossdales Equine Hospital von Newmarket, die daraufhin nach München reisten und sich des Hengstes annahmen. „Gemeinsam mit unserem Tierarzt in München nahmen die Ärzte aus England die Operation vor“, sagt Wolfgang Figge. Darüber hinaus laserte das internationale Ärzte-Team den Vierjährigen, der die Behandlungen gelassen über sich ergehen ließ. „Natürlich muss ich mich bei Herrn Wernicke (Besitzer von Night Wish, Anm.d.Red.) bedanken, denn ein derartiger Eingriff kostet schon einen Haufen Geld“, so der Riemer Trainer weiter. „Doch am Ende hat es sich gelohnt“, freut sich Wolfgang Figge. Doch war eine vollständige Genesung bei Problemen mit den Atemwegen nie garantiert. Das weiß auch der Trainer. Gleichwohl war er sehr zuversichtlich, dass der Braune wieder der Alte werden wird. „Wenn man gute Ärzte hat – und die hatten wir – dann liegt die Chance, dass ein Pferd wieder Rennen laufen kann bei 75 bis 80 Prozent“, erklärt der 67-Jährige. „Die Ärzte haben wirklich gute Arbeit geleistet.“ Man gab ihm eine Pause und Zeit, sich zu erholen, was Night Wish dankte. Nach gut vier Monaten war es soweit: Night Wish canterte erstmals seit der „Union“ wieder zur Startstelle auf. In Riem wurde er bei seinem Comeback gleich sehr guter Zweiter, Vierzehn Tage später gewann der Sholokhov-Sohn dann in Compiegne. Auch seine nächste Form, ein fünfter Rang in Saint-Cloud, war alles andere als schlecht. Es war sein letzter Auftritt als Dreijähriger, worauf man im Riemer Quartier man mit den Vorbereitungen auf Night Wishs Vierjährigen-Kampagne begann. „Wir hatten immer das Listen-Rennen in Köln im Blick“, sagt Wolfgang Figge. „Die Vorbereitungen auf dieses Rennen mit seinem Sparringspartner Pain Perdu liefen perfekt, ich war richtig euphorisch. Das bin ich zwar immer einmal, aber ich wusste genau, dass er in Köln unter der ersten Drei laufen wird.“ Charakterlich hat sich Night Wish über den Jahreswechsel noch einmal seiner berühmten Schwester Night Magic, die in Japan aktuell ihr zweites Hengst-Fohlen erwartet, angenähert. „Er ist ein ziemlich relaxter und ausgeglichener Kerl und viel erwachsener geworden. Er sieht aus wie ein Traum von einem Pferd, auch wenn er vor den Starts immer ein wenig nervös ist. Hier ist er ganz wie seine Schwester“, beschreibt Wolfgang Figge seinen Schützling. Den oben zitierten „Mumm“ hat man mit Night Wish nicht verloren. Das klingt in jedem Satz mit, den Figge über seinen Schützling formuliert. Nun wird Night Wish, der aktuell mit einem GAG von 94,5 aufwarten kann, erst einmal wieder eine Pause von gut acht Wochen erhalten, bevor es in Iffezheim in den zur Gruppe II zählenden Großen Preis der Badischen Unternehmer gehen wird. „Pausen braucht er auch. Er ist kein Pferd, das ich in kurzen Abständen an den Start bringen kann. Es war mein Wunsch, mit ihm direkt in dieses Rennen zu gehen“, gibt Wolfgang Figge zu verstehen. Ob es für Night Wish auch wieder nach Frankreich gehen wird, kann Figge noch nicht sagen. „Wir wollen uns das Rennen in Iffezheim erst mal ansehen, dann entscheiden wir weiter. Grundsätzlich kann ich mir auch vorstellen, mit ihm in Deutschland zu bleiben.“