
Welcher Aspekt ist der Entscheidende? Erfahrungsgemäß spielt eine tragende Rolle, wie sich die bisherige Laufbahn einer Stute entwickelt hat. Sogenannte spätreifere Semester, die dreijährig erst ihre ersten Auftritte unter Seide hatten und dann unterm Strich auch noch nocht allzu oft am Start waren, hält man in der Regel auch vierjährig in Training.
Schwierig wird dann die Entscheidung, wenn diese Stute eine Familie vertritt, die im Gestüt auf keinem soliden Fundament steht und sie als Erbhalterin in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen soll.
In diesem Jahr haben unsere Umfragen ergeben, dass das Verhältnis ausgeglichen ist. Dies war beileibe nicht immer so, in den letzten Jahren war ein deutlicher Trend, eine Stute auch vierjährig in Training zu halten, offenkundig.
Als Basis unserer Umfrage diente wieder die Statistik der zehn in Deutschland trainierten und nach Gewinnsumme (In- und Ausland) erfolgreichsten dreijährigen und älteren Stuten. In Teil 1 werden die ersten fünf vorgestellt, die Fortsetzung erfolgt in der nächsten Ausgabe.
Die auf den December Sales von Newmarket für umgerechnet knapp 2,2 Millionen Euro an Sheikh Mohammed verkaufte Lady Marian (312.380 Euro Jahres-Gewinnsumme) hat mittlerweile die Reise nach Dubai angetreten, wo sie natürlich auf die tragenden Prüfungen vorbereitet wird. John Ferguson, der die Nayef-Tochter aus der Zucht von Graf und Gräfin von Stauffenberg im Auftrag ersteigert hatte, signalisierte bereits in Newmarket, dass man Lady Marian unter zwei Gesichtspunkten gekauft habe:
Als Renn- und Zuchstute. Offen ließ Ferguson, ob Lady Marian 2009 nach ihrem Dubai-Abenteuer noch in die Mutterstutenherde von Darley eingereiht wird.
Die von Werner Batromei in Mülheim trainierte Lady Marian darf sicherlich als die Aufsteigerin des Jahres angesehen werden. Denn wer hätte schon daran geglaubt, dass die Laufbahn der Stute nach fünf erfolglosen Starts (zwei davon als Zweijährige) mit einem Schlag in eine ganz ander Richtung zielte? Ihr Stern ging während der Hamburger Derby-Woche auf, als sie zur 548:10-Siegquote den Großen Preis der Jungheinrich Gabelstapler auf Gruppe-III-Ebene gegen Ashantee gewann.
Auf schwerer Bahn sahen nicht wenige diese Leistung als Eintagsfliege an, wurden aber schon vier Wochen später eines Besseren belehrt, als Rennstall Gestüt Hachtsees Nayef-Tochter im Henkel Preis der Diana klassischen Lorbeer bereits vor Augen hatte, Rosenreihe aber im letzten Galoppsprung vorbeirauschte. Werner Baltromei sattelte sie anschließend wieder in Frankreich, wo die Stute dann erstmals und beim sechsten Versuch im Nachbarland zum Zuge kam.
Die französischen Rennsportfans dürften ihren Augen nicht getraut haben, wie sich Lady Marian um Klassen verbessert präsentierte. Mit dem Darley Prix de la Nonette (Gr.III) hatte sie in Deauville wenig Probleme, wie immer in ihrer gesamten Laufbahn saß Dominique Boeuf im Sattel. Doch der ganz große Wurf, der sollte sogar erst noch folgen.
Im Qatar Petroleum Prix de l’Opera schlug Lady Marian die europäische Stutenelite auf Gruppe-I-Bühne und sorgte für einen der spektakulärsten Erfolge deutscher Pferde im Ausland. Zugleich war klar, dass die Nayef-Tochter auf der bevorstehenden December Sales von Newmarket ein absolutes Ass sein würde. Und so kam es dann auch.
Nach Gewinnsumme rangiert Gestüt Wittekindshof Rosenreihe (280.500) auf Platz zwei und somit die Bezwingerin von Lady Marian im klassischen Henkel Preis der Diana von Düsseldorf. Ihr Weg zu höheren Weihen war im Gegensatz zu Lady Marian früh vorgezeichnet. Bereits zweijährig erfolgreich auf der Heimatbahn in Köln, überwinterte die von Peter Schiergen trainierte Catcher In The Rye-Tochter zudem als Zweite in einem Listenrennen in Nantes. Die klassische Route war somit Pflichtprogramm für Rosenreihe.
Nach Platz drei im Schwarzgold-Rennen (Gr.III) musste sich die Catcher In The Rye-Tochter in den German 1000 Guineas nur dem Speed von Briseida beugen. Doch der klassische Wurf sollte doch noch gelingen. Mit einer unglaublichen Speedleistung und einem resoluten Ritt von Andrasch Starke flog die Wittekindshoferin zum Sieg im Henkel Preis der Diana und stieg zur Gruppe-I-Siegerin auf.
230.000 Euro wurdenn Wittekindshof gutgeschrieben, keine Stute erzielte eine höhere Summe in einem Rennen. Zwei Monate später beendete die Catcher In The-Rye-Tochter im Prix de l’Opera, in dem sie keine entscheidende Rolle spielte, ihre Rennlaufbahn. Klassische Siegerin und Gruppe-I-Gewinnerin; kein Grund die Rennlaufbahn fortzusetzen. Was nun auch nicht geschieht.
Gestütsleiter Karl Jörg: „Schon unmittelbar nach ihrem Erfolg im Preis der Diana haben wir den Sprung für 2009 zu Samum unter Dach und Fach gebracht. Der Hengst stellte in diesem Jahr mit Kamsin und Baila me zwei Gruppe-I-Sieger, er lässt sich auf jeden Fall vermarkten. Und es ist auch sicherlich eine weitere, große Chance für den Hengst selbst.“
Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Rosenreihe in Begleitung von Elle Danzig ins Gestüt Karlshof reist. Die ebenfalls im Preis der Diana erfolgreiche Wittekindshoferin steht auch auf der Liste von Samum.
Werner Baltromei, der zu den ganz großen Gewinnern der Saison zählt, trainiert auch Baila me (196.000 Euro) und somit die dritte und letzte in Deutschland trainierte Gruppe-I-Siegerin des Jahres. Neben Derby-Sieger Kamsin war es die ebenfalls von Samum stammende Baila me, die den Grundstein für das Karlshofer Züchterchampionat legte.
Und während Kamsin seine bedeutenden Erfolge in den Farben des Stalles Blankenese erzielte, trumpfte Baila me im Dress ihrer Zuchtstätte auf. Erst im Mai stellte Werner Baltromei die Samum-Tochter erstmals vor, in Chantilly sorgte sie gleich für einen kleinen Paukenschlag, als sie in einem stark besetzten Maidenrennen Stuten aus etablierten französischen Quartieren das Nachsehen gab.
Drei Wochen später war Baila me in Köln bereits auf Anhieb auf Gruppe-Ebene erfolgreich, als sie wiederum mit Dominique Boeuf im Sattel, das Diana-Trial (Gr.II) im Weidenpescher Park gewann. Im Henkel Preis der Diana sprang anschließend nach einem kaum optimalen Rennverlauf Rang drei heraus, Platz neun galt es im Prix Vermeille in Longchamp zu notieren. Das anschließende „Break“ nutzte die Samum-Tochter, um im Herbst zum großen Triumph auszuholen.
Nach einem dramatischen Finish zwang Baila me unter Dominique Boeuf Poseidon Adventure im Preis von Europa in die Knie, stieg zur Gruppe-I-Siegerin auf. Bruno Faust vom Gestüt Karlshof wollte es im Kölner Absattelring noch nicht unterschreiben, aber die Tendenz, dass Baila me auch 2009 in Training bleiben würde, die zeichnete sich ab. So wird es auch sein, nach einem Koppelaufenthalt über Winter in ihrer Kinderstube in Karlshof rückt die Samum-Tochter 2009 wieder in das Mülheimer Quartier von Werner Baltromei ein.
Erst fünf Starts hat sie auf ihrem Polster, da ist diese Entscheidung allemal nachzuvollziehen. Und mit Sicherheit kann man davon ausgehen, dass Baila me 2009 auch wieder jenseits der Grenzen in die Boxen einrücken wird.
In Ebbesloh hat man sich mit Goose Bay (220.800 Euro) für einen Schritt entschieden, der vor zwölf Monaten Früchte trug. Man hatte Avanti Polonia von drei- auf vierjährig nach Frankreich ins Training überstellt, die Stute dankte dies mit ihrem Gruppe-Erfolg im Prix de Pomone (Gr.II) von Deauville. Avanti Polonia hat inzwischen den Rennstall verlassen und steht im kommenden Jahr auf der Liste von Topbeschäler Montjeu in Coolmore.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Avanti Polonia vor ihrer Übersiedlung zu Freddy Head auch hierzulande zu Gruppe-Ehren gekommen war, wie auch Goose Bay in diesem Jahr in den Oaks d’ Italia zur klassischen Siegerin aufgestiegen ist. Beide Ebbesloherinnen wurden hierzulande von Peter Schiergen trainiert und wie Avanti Polonia wechselt nun auch Goose Bay ins Chantilly-Quartier von Freddy Head.
Der Background dieses erneuten Revirements dürfte darin begründet liegen, dass in Frankreich eine Fülle mehr an Startmöglichkeiten für auf Gruppe-Ebene qualifizierte Stuten angeboten werden. Bereits zweijährig zweimal – auch auf Listenebene – erfolgreich, und auch in der Maurice-Lacroix-Trophy auf Gruppe-Ebene platziert, lag es auf der Hand, dass Goose Bay in dieser Saison klassisches Terrain betrat.
Nach einem zweiten Platz im Henkel Trial von Düsseldorf, als die Groom-Dancer-Tochter unter Höchstgewicht Platz zwei schaffte, gelang ihr in Mailand in den Oaks d’Italia der klassische Wurf. Mit Andrasch Starke im Sattel degradierte die Ebbesloherin auf schwer Bahn die Konkurrentinnen – angeführt von Sheikh Mohammeds aus Frankreich aufgebotener Counterclaim – zu Statistinnen, war am Pfosten fünfeinhalb Längen voraus. Damit kassierte sie für diesen Gruppe-II-Treffer ein höheres Preisgeld (180.000 Euro), als Lady Marian bei ihrem Gruppe-I-Sieg in Longchamp.
Nach einer mehrmonatigen Pause folgten Platz zwei im Mülheimer Berberis-Rennen und ein Auftritt im Prix de Flore (Gr.III) in Saint-Cloud. Nun darf man auf die weitere Laufbahn von Goose Bay in Frankreich gespannt sein. Ihr neuer Betreuer Freddy Head kam in diesem Jahr auf eine herausragende Bilanz.
Den Bewies, dass es sich so richtig lohnt, eine ältere Stute selbst fünfjährig in Training zulassen, diesen lieferte Fair Breeze (170.700). Die Silvano-Tochter im Besitz und aus der Zucht des Stalles Margarethe schlug gleich bei ihren beiden Starts im Jahr in Frankreich zu. Zunächst gewann die von Mario Hofer trainierte Stute mit Andreas Helfenbein im Sattel den Prix Allez France (Gr.III) in Chantilly mit satten vier Längen Vorsprung, dann nahm sie auch die Gruppe-II-Hürde im Prix Corrida.
In Saint-Cloud war Jean-Pierre Carvalho ihr Partner. Im geschlagenen Feld befanden sich auch Gruppe-I-Siegerinnen. Auch wenn es nicht zu einem weiteren Sieg reichen sollte, gab es in Deutschland und Frankreich weitere Gruppe-Platzierungen zu vermelden, womit Fair Breeze, die im japanischen Kyoto im November ihre Rennlaufbahn beendete, auf eine Gesamtgewinnsumme von 346.588 Euro kommt. Ihr erster Partner ist Samum, womit für den Erzeuger von Derby-Sieger Kamsin erneut eine hoch qualifizierte Stute gebucht wurde.