
Nach 15 Jahren wieder ein Stutensieg im Qatar Prix de l’Arc de Triomphe. 47.000 Zuschauer feierten in Longchamp die bei sieben Starts ungeschlagene „Königin“ des europäischen Galopprennsports, die von Alain de Royer-Dupre gesattelte Zarkava. Exakt 16 Tage nach seinem 64. Geburtstag erlebte der zu den Besten seiner Zunft zählende Trainer von Zarkava den wohl größten Moment seiner Karriere. 24 Stunden später trafen wir ihn in seinem Rennstall in Chantilly. Dieser Besuch war lange geplant.
„Sie können gern kommen“, lautete die Antwort auf eine bereits im Dezember 2007 bei der Morgenarbeit in Hongkong gestellte diesbezügliche Frage. Und der Sieg von Zarkava im 87. Qatar Prix de l’Arc de Triomphe setzte dem Vorhaben natürlich sozusagen die Krone auf. Was könnte somit folgerichtig besser passen als ein Gespräch mit Alain de Royer-Dupre?
Wir fanden ihn am leicht regnerischen Montagmorgen ziemlich „frisch“, denn „für eine Party gestern Abend bin ich zu alt, die habe ich meinem Jockey überlassen.“ Doch so leicht wie gedacht lief der Vormittag nicht ab. Denn der Trainer war stark gefragt. Von 8.00 bis 13.00 Uhr konnte er kaum das Handy vom Ohr nehmen, legte auf seiner Außenboxen-Stallanlage einige Meter zu Fuß zurück. Zwischendurch längere Zeit Untersuchungen einiger Pferde mit dem Tierarzt. Dann Besucher, die mit Kaufabsichten kamen und sich mehrere Pferde vorstellen ließen.
Schließlich wartete ein Equidia-Team. Zwischendurch ging es mit den Lots zur unmittelbar an den Rennstall grenzenden Trainierbahn, wobei einmal mehr die herrlichen Möglichkeiten zum Variieren des Trainingsmilieus ins Bewusstsein der Gäste rückten. „In der Regel habe ich drei bis vier Lots, das erste ist gemischt, da sind die für Grasarbeiten vorgesehen Pferde dabei. Wir bleiben pro Lot rund 80 Minuten draußen.“ Schmunzeln musste Alain de Royer-Dupre, als ihm ein fremder Reiter mit origineller Pfeife im Mund entgegenkam: „Das habe ich noch nie gesehen.“
Im Büro dann 30 Minuten für die Antworten auf eine Reihe von Fragen, immer wieder durch ein Telefonat unterbrochen. Doch der Trainer blieb geduldig – ein Vollprofi, nicht nur als Fachmann eine Persönlichkeit, ein Gentleman. Und so viel Entgegenkommen an einem für ihn sehr bewegten Arbeitstag. Obwohl die Zeit weit in den Mittag hineinreichte, kam Alain de Royer-Dupre auch dem letzten Wunsch bezüglich Fotos mit Zarkava in ihrer Box nach.
Der Rennstall des Aga Khan liegt ein gutes Stück von dem des Trainers entfernt. Das 30 Jahre alte Anwesen beherbergt großzügig angelegte Stallungen mit 180 Boxen, sehr breiten Stallgassen und offenen Boxentüren, separatem Futtermittel-Raum, Führkarussell und Quarantäne-Boxen. Dann standen wir der Arc-Siegerin gegenüber, die die Streicheleinheiten ihres Chefs mit Wohlbehagen entgegen nahm.
In der Nachbarbox schaute die vom selben Vater stammende Darjina dem Treiben zu, zwei angehende „Zuchtperlen“, die sich würdig in die lange Tradition der Vollblutzucht der Familie des Aga Khan reihen.
„Wir haben gesehen, dass Zarkava ein außergewöhnlich gutes Pferd ist,“ machte Alain de Royer-Dupre deutlich, „sie hat eine sehr flüssige Art, sich zu bewegen, und kann sehr leicht mit einigen Galoppsprüngen beschleunigen. Das ist unglaublich. Ich habe Zarkava noch nie in Schwierigkeiten gesehen und bin glücklich, eine so großartige Stute trainieren zu dürfen.“
Dabei befanden sich allein in jüngerer Zeit unter seinen zahlreichen Klassepferden einige herausragende Stuten wie Shamdala, Mandesha, Pride und Shawanda. Diese lag Alain de Royer-Dupre sehr am Herzen, „sie war etwas Besonderes, mochte allerdings nur abgetrockneten Boden.“ So richtig für Shawanda oder Zarkava als Lieblingspferd mochte sich der Trainer nicht entscheiden. Auf den ersten Blick scheinen Stuten sein Markenzeichen zu sein, aber „das täuscht, ich habe immerhin fünfmal das Derby gewonnen. Die meisten meiner Besitzer haben Gestüte und deshalb überwiegend Stuten in Training.“ Dennoch, er gilt in Fachkreisen längst als ein Mann mit einem „feinen Händchen“ für Stuten.
Insgesamt 150 Pferde trainiert Alain de Royer-Dupre, davon 80 für den Aga Khan. Das Team setzt sich aus 70 Mitarbeitern zusammen. Seinen Stalljockey Christophe Soumillon bezeichnet der Trainer als extremes Talent, „er ist zwar nicht der stärkste Reiter, hat aber ein super Gefühl für die Pferde und für besondere Situationen im Rennen. Ich habe ihn damals beobachtet und dem Aga Khan als Jockey empfohlen.“ Auf den reiterlichen Nachwuchs angesprochen, meinte Alain de Royer-Dupre: „Unter den zehn Lehrlingen sind viele Mädchen.“
Kontakt zu Pferden besaß Zarkavas „Chef“ seit frühester Kindheit, denn sein Vater war Direktor des französischen Nationalgestütes. Als Pferdemann lernte er sein Handwerk im Mesnil Stud, was Erinnerungen an eine große Dame des Rennsportes hervorruft – Madame Jean Couturie und ihre schwarz-weißen Rennfarben, Züchterin und Besitzerin des unvergessenen Right Royal. Dort blieb er acht Jahre. Zeitig orientierte sich der in Westfrankreich geborene junge Mann in Richtung Trainer und begann mit einer limitierten Lizenz, ritt seine Pferde selbst. Mit der öffentlichen Lizenz im Jahr 1972 und vier Pferden begann in der Normandie die Karriere.
Die große Chance seines Lebens kam, als ihm nach dem Tod von Francois Mathet zu Beginn der 80er-Jahre dessen Trainingsquartier angeboten wurde. Inklusive der Pferde des Aga Khan, der Royer-Dupre „als klassisch ausgebildeten Trainer“ bezeichnete, „der richtige Mann, um Mathet zu ersetzen. Mathet hat niemals etwas dem Zufall überlassen, in dieser Beziehung ist Royer-Dupre ebenso gründlich.“ Und noch etwas bewegte den Ismailiten-Führer: „Herr Royer-Dupre hat in der Provinz mit mäßigen Pferden Rennen gewonnen, und das über Jahre hinaus. Das muss ein guter Trainer sein.“ So erfolgte 1981 der Wechsel nach Chantilly.
Von nun an ging es stetig bergauf. 1982 gelang der erste Gruppe-Sieg, und zwar mit Starski im Prix Jean Prat. Zwölf Monate später dann der erste bedeutende Erfolg für den Aga Khan, als Sharaya mit Yves Saint Martin den Prix Vermeille gewann. Die Zusammenarbeit mit seinem stärksten Patron gestaltete sich immer erfolgreicher.
Längst stehen für Alain de Royer-Dupre rund 50 Gruppe-I-Siege zu Buche. Zwei wichtige Siege kamen in Deutschland hinzu: Sumayr 1985 im Preis von Europa, Kartajana 1991 im Bayerischen Zuchtrennen. Wenn von herausragenden Triumphen des Zarkava-Trainers die Rede ist fallen natürlich sofort auch die Namen von Lashkari (Breeders‘ Cup Turf in Hollywood Park) und der von Pride im Hongkong Cup. Ganz besonderen Stellenwert besitzt der erste Arc-Sieg, den Dalakhani 2003 perfekt gemacht hatte.
2008 trug aber auch die für italienische Interessen antretende Sabana Perdida kräftig zur Bilanz ihres Chefs bei, wobei sich der zweite Gruppe-Sieg in den Windsor Forest Stakes von Royal Ascot abhebt. Mit Zarkava hat die Trainerlaufbahn von Alain de Royer-Dupre einen weiteren Höhepunkt erreicht.
Die Klassestute ist das erste Pferd in der langen Geschichte des Arc, das diesen ungeschlagen gewonnen hat. Nach ihrem Charakter befragt, sagt der Trainer: „Sie ist an sich unkompliziert. Nur die Startbox war nicht ihr Thema, warum, weiß ich auch nicht. Zarakava weigerte sich auch stets, die Waage zu betreten. Wie das eben so ist bei besonderen Talenten, bei einem Genie, es gibt auch Macken.“ Doch die hat man ihr nie angekreidet – ihre Leistungen zu wiederholen wird wohl so schnell keiner Stute gelingen.
Ihr grandioser Arc-Sieg hat Alain de Royer-Dupre zum ersten Trainer-Championat in seiner Heimat verholfen, wobei die gute Form seiner Pferde bereits im Frühjahr entsprechend zu Buche schlug. Auf die für ihn überragende Saison 2008 und den grandiosen Sieg von Zarkava im Arc hat der Meister gewiss inzwischen die Flasche 93er-Rothschild geleert, die am Montagmorgen auf seinem Schreibtisch stand. Schließlich steht nach dem Arc-Sieg auch fest, dass Alain de Royer-Dupre erstmals in seiner Laufbahn zum Trainer-Champion aufsteigen und Andre Fabre ablösen wird.
Die Story erschien in der neuesten Ausgabe der VOLLBLUT.