12.000 strömten zum Sandbahnstart

Am 17. Juli 1981 strömten 12.000 Besucher neugierig auf die Galopprennbahn in Dortmund-Wambel, um an einer Premiere teilzunehmen, die eine neue Ära im deutschen Galopprennsport einleiten sollte: Sandbahnrennen unter Flutlicht. Aber der Reihe nach. Anfang der Siebziger Jahre gab es beim Galopper-Dachverband, dem Direktorium für Vollblutzucht und Rennen, Überlegungen, eine neue Galopprennbahn in Köln-Chorbusch zu bauen. Zusätzlich zum Grasgeläuf sollten eine Allwetterbahn mit Flutlicht nach amerikanischem Vorbild und ein Pferdesport-Zentrum entstehen. Den Anstoß zu dieser Idee gab seinerzeit der damalige Geschäftsführer des Kölner-Renn-Vereins, Egbert von Schmidt-Pauli, der auf einer USA-Reise interessante Eindrücke gesammelte und in einem Reisebericht aufgeschrieben hatte. Beeindruckt hatten ihn vor allem die dortigen Sandbahn-Rennen, die unter Flutlicht ausgetragen wurden. Der enge Terminkalender in Deutschland ließ kaum noch zusätzliche Veranstaltungen am Wochenende zu, so dass eine Ausweitung auf die Werktage oder in die Wintermonate hinein mit einer Allwetterbahn eine perfekte Option gewesen wäre. Nachdem die Pläne mit Chorbusch relativ schnell zu den Akten gelegt werden mussten, griff Mitte der Siebziger Jahre der damalige Dortmunder Rennvereins-Präsident Hans-Hugo Miebach die Idee einer Allwetterbahn mit Ganzjahres-Betrieb erneut auf. Hans-Hugo Miebach erzählt voller Begeisterung: „Geschäftsführer wurde seinerzeit Walter Mehring, der von den Trabern kam. Dessen Erfahrung mit Allwetterbahnen und die Aussicht, dass Ende des Jahrzehnts ein Geldsegen von 800.000 D-Mark von NRW-Lotto an jeden Rennverein in NRW ausgeschüttet werden sollten, motivierten mich als Präsident des Dortmunder Rennvereins, in eine Sandbahn mit Flutlichtanlage zu investieren.“ Die beiden „M’s“ ließen fortan nicht mehr locker und informierten sich auf einer Reise nach New York über die dortigen drei Rennbahnen mit Sandbahn-Geläuf und Flutlicht. Die Planungen schritten immer weiter voran und 1977 wurde im Vorgriff auf die Allwetterbahn die erste Tribüne verglast. Der heutige Ehrenpräsident Hans-Hugo Miebach sagt: „Ich konnte dem Publikum unmöglich zumuten, bei Wind und Wetter, in den späten Abendstunden oder gar im Winter bei frostigen Temperaturen auf einer zugigen Tribüne Pferderennen zu schauen. Daher beschlossen der Vorstand und ich, die erste Tribüne zu verglasen.“ Der Präsident sorgte mit Mitarbeitern seiner Firma dafür, dass der Innenraum der Tribüne so ausgebaut wurde, dass die Besucher an Tischen sitzen und verköstigt werden konnten. Da die Stadt Dortmund 625.000 D-Mark und das Land Nordrhein-Westfalen inklusive Lotto-Geld 1,3 Millionen D-Mark zu dem voraussichtlichen Investitions-Volumen von 2,6 Millionen D-Mark beisteuerten und somit die Finanzierung stand, konnte es ab 1978 mit der konkreten Planung der Sandbahn und Flutlichtanlage losgehen. Der damalige Präsident erinnert sich, dass, nachdem bekannt geworden war, dass der Dortmunder Rennverein seine Planungen forcierte und zukünftig sein Programm auf 40 Rennveranstaltungen ausweiten wollte, die Kollegen der anderen Vereine sich in der damaligen Arbeitsgemeinschaft, der ARGE, verbündeten und die Wambeler Termin-Wünsche bei jeder Abstimmung über Wochenend-Rennveranstaltungen ins Leere laufen ließen. Der Galopprennsport in Deutschland stand damals in vollster Blüte, der Totoumsatz übertraf an Sonntagen regelmäßig die Millionen-Grenze und die Zahl der Pferde in Training erhöhte sich Jahr für Jahr. Doch die konkurrierenden Rennvereine hatten letztendlich große Bedenken, zu viel Totalisator-Umsatz, aber auch Starter, an Dortmund zu verlieren. Somit zeichnete sich schon damals ab, dass Dortmund von den Kollegen als Veranstalter immer mehr in die Wintermonate „gemobbt“ wurde. Da half selbst ein Hilferuf beim damaligen Präsidenten der Besitzervereinigung, Ferdinand Leisten, nicht viel. Dortmund ließ sich trotzdem von seiner damals revolutionären Idee nicht abbringen und am 1. April 1981 war es endlich so weit. Der Startschuss für den Bau der ersten europäischen Sandbahn mit Flutlicht-Betrieb erfolgte. Hans-Hugo Miebach wollte die Erfahrungen, die er in New York gesammelt hatte, unbedingt mit einbringen. Schlammschlachten wie in den USA sollte es in Dortmund nicht geben. Daher sollte die Sandbahn eine gröbere Struktur bekommen und eine gut funktionierende Drainage, damit bei starkem Regen das Wasser abfließen konnte. Eine weitere Neuerung war die Überhöhung der Bögen, wodurch die Pferde in den Kurven mit höherem Tempo, aber dennoch sicher galoppieren konnten. Bei der Planung der Flutlichtanlage half Miebachs Geschäftsbeziehung zu Siemens, die Investition preiswert und dennoch effektiv zu gestalten. Die Jagdbahn musste geopfert werden, der Trainingsbetrieb litt während der nur dreieinhalb monatigen Bauphase enorm, aber am 17. Juli konnte die 1600 Meter lange Sandbahn, die eine neue Ära in der Geschichte des Dortmunder Rennvereins einleiten sollte, eröffnet werden. Zehn Tage zuvor, am 7. Juli, fand ein Probelauf statt, zu dem der Rennverein Vertreter der Presse, der Aktiven und der Rennvereine eingeladen hatte. Das Echo auf die Generalprobe war allgemein positiv und somit konnten der Präsident, sein Vorstand und der „Trabererprobte“ Geschäftsführer Walter Mehring hoffnungsvoll und gespannt der Premieren-Veranstaltung entgegen fiebern. Die Galopprennbahn in Wambel war am 17. Juli proppenvoll, denn kaum ein Turf-Enthusiast ließ sich die europäische Sandbahn-Premiere entgehen. Veranstaltungsbeginn war um 19:30 Uhr und die Startzeit für das erste Sandbahn-Rennen war für 22 Uhr vorgesehen. Ab 21:30 Uhr erstrahlten die 80 Flutlichtmasten und erzeugten eine einzigartige Atmosphäre auf dem völlig überfüllten Hippodrom. Selbst bei dem Schreiber dieser Zeilen, damals noch Vollblut-Novize und selbstverständlich auch anwesend, erzeugte diese Atmosphäre Gänsehaut-Feeling. Erster Sandbahn-Sieger wurde der Schlenderhaner Steuben unter dem „ Azubi“ Hans-Jürgen Leiser (18) und in Training bei Heinz Jentzsch. Das Asterblüte-Quartier von Trainer Jentzsch durchlief damals eine Formkrise und veranlasste den Betreuer der Stallinsassen zu der lakonischen Aussage: „Wenigstens kann ich auf Sand noch Rennen gewinnen!“ Insgesamt wurden an diesem Premierentag fünf Galopprennen auf Sand gestartet und einziger Kritikpunkt war, dass vier Pferde aus der Maschine heraus reiterlos wurden, weil sie sich während des Wartens auf die einrückenden Pferde tief in den Sand eingegraben hatten, somit beim Start auf dem glatten Untergrund wegrutschten und das Geld der Wetter sprichwörtlich in den Sand setzten. Dies war aber wirklich der einzige Wermutstropfen einer Veranstaltung, die ein breites und sehr positives Echo in der Berichterstattung sowie bei der gesamten Turf-Gemeinde fand. Der Abend löste so viel Begeisterung bei den Besuchern aus, dass diese enorm viel Stehvermögen bewiesen und 4.000 Besucher bis zum Start des letzten Rennens kurz nach Mitternacht auf der Rennbahn ausharrten. Im folgenden Jahr wollten die Dortmunder Verantwortlichen 40 Rennveranstaltungen durchführen, aber die ARGE spielte, wie bereits erwähnt, nicht mit und bereitete den Träumen vor allem von Hans-Hugo Miebach abrupt ein Ende. Gelsenkirchen, Mülheim, Neuss und Krefeld hielten die gesamten Wintermonate zusammen mit Dortmund am Wochenende Rennen ab und die eigentliche Idee, die man seinerzeit in Dortmund verfolgte, konnte nicht realisiert werden. Es gab im Sommer ein paar gemischte Veranstaltungen mit Gras und Sand unter Flutlicht, aber die gesamten Renntage in Dortmund wurden eher weniger als mehr. Hinzu kam, dass ab 1995 eine zweite Sandbahn in Neuss entstand und erst ab 1996 Dortmund und Neuss zunächst im Januar und Februar und ab 1998 auch im Dezember als alleinige Winter-Veranstalter auftraten. Immerhin wurden lange Zeit auch Rennen für die bessere Pferdegarnitur ausgeschrieben und so kamen sowohl Ausgleich II-Pferde als auch bessere Pferde in dem mit 51.000 D-Mark dotierten Sandbahn-Grand Classics zu ihrem Recht. Gemessen an der Premieren-Veranstaltung ist man in Wambel mit einer revolutionären Idee heute leider im trüben Alltag gelandet. Sehr oft hat man im Winter das bedrückende Gefühl, dass man allenfalls zehn Prozent der damaligen 12.000 Besucher auf der Dortmunder Galopprennbahn antreffen kann.

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