„Wir können unser Glück kaum fassen“

Rennsport-Fotograf Marc Rühl ist eine bekannte Person auf den Rennbahnen in Deutschland, auch wenn sein Gesicht stets hinter der Kamera zu sehen ist. Aber auch auf den europäischen Rennplätzen hat er schon manche Sieger abgelichtet, muss insgesamt abertausende Pferde und ebenso viele Siegerehrungen für die Ewigkeit festgehalten haben. Darunter natürlich auch klassische Helden und Heldinnen. Aber Marc Rühl ist nicht nur der Mann der Bilder, sondern selbst Besitzer und Züchter. Dass aus seiner kleinen Zucht selbst einmal ein Pferd zu einem klassischen Sieger avanciert, hätte er wohl selbst am wenigsten geglaubt, selbst wenn mit jedem geborenen Fohlen auch die Hoffnung das Licht der Welt erblickt. Da geht es einem kleinen Züchter wohl nicht anders als den großen Zuchtstätten wie etwa dem Fährhof, Schlenderhan, Auenquelle oder Ittlingen, um nur ein paar zu nennen. So wird der vergangene Sonntag einen ganz besonderen Platz im Leben des Züchters Marc Rühl einnehmen, als auf dem Mailänder Hippodrom San Siro die vom ihm gezogene und von Dr. Andreas Bolte trainierte Kallisto-Tochter Nepal unter Michael Cadeddu die Oaks d’Italia gewinnen konnte. Rühl war an diesem Tag in Iffezheim mit seinem Team im Einsatz, wo das diesjährige Frühjahrs-Meeting zu Ende ging. So musste er das Siegerfoto der Stute auch den italienischen Kollegen überlassen.

Die Arbeit ging vor
„Der Besitzer war krank und konnte selbst nicht fliegen. Wir waren schon auf dem Weg nach Baden, da hatte er angeboten die Tickets zu zahlen“, sagte Marc Rühl. Doch die Arbeit während des Frühjahrs-Meetings ging vor, und so schaute man das Rennen eben vor Ort im Ländle. „Wir saßen mit Andreas Bolte in unserem Büro am Absattelring und hatten extra zwei Streams, den von Racebets und den von pferdewetten an, falls einer ausfällt. Der Stream von pferdewetten war übrigens schneller“, schmunzelt Rühl. Auch wenn er selbst nicht in San Siro war, den Tag und die Stimmung im Büro wird er wohl niemals vergessen. „Wir haben sie auf den letzten Metern ins Ziel geschrien. Aber 200 Meter vor dem Pfosten kamen noch einmal leichte Zweifel, ob nicht von hinten noch einer angeflogen kommt“, beschreibt der Züchter die letzten Sekunden auf dem Weg zum Oaks-Sieg und vergisst auch nicht, Jockey Michael Cadeddu lobend zu erwähnen. „Er hat das richtig gut gemacht und sich nicht in die Mangel nehmen lassen.“ Während Marc Rühl mit Ehefrau Gabi und dem Trainer im Büro saßen, verfolgten Andreas und Anni Löwe, die mit Son Macia am Ende die Drittplatzierte stellten, gemeinsam mit den Eltern von Dr. Andreas Bolte das Rennen auf dem Rennbahngelände am RaceBets-Stand. Auch hier wurden die deutschen Pferde regelrecht in Ziel gebrüllt. Es war weit über die Rennbahn zu hören. „Als Nepal dann als Siegerin feststand, sind wir uns alle in die Arme gefallen. Die Stimmung war legendär“, erinnert sich Marc Rühl. Als einer der ersten Gratulanten war übrigens Rennleitungschef Frank Becker vor Ort.

Bis dato größter Zuchterfolg
Marc Rühl züchtet seit Jahren Pferde und konnte auch mit dem in seinem Besitz stehende Shoshoni im Jahr 2013 in Köln ein Listenrennen gewinnen. Doch der klassische Sieg überstrahlt nun alles. „Bis dato war Shoshoni unser größter Erfolg. Aber jetzt können wir unser Glück kaum fassen“, so Marc Rühl weiter. Nepal ist eine Kallisto-Tochter, stammt also von einem Deckhengst, der nicht gerade modern ist, doch ihr Züchter hält große Stücke auf den Sternkönig-Sohn. „Er macht super Produkte und grundehrliche Pferde. Er macht die Mütter besser“, erklärt er seine Vorliebe für den Röttgener Stallion. Aktuell haben wir Hallinara von Kallisto, bei Axel Kleinkorres steht eine kleine zweijährige rechte Schwester von Nepal. Mutter von Nepal ist Nassau, die aktuell wieder von Kallisto tragend ist. „So lange es Kallisto gibt, wird Nassau auch zu ihm gehen.“

Als Jährling verkauft
Aber kommen wir noch einmal zu Nepal, die wie alle Fohlen aus der Zucht von Marc Rühl im heimischen Bedburg das Licht der Welt erblickte. „Ich bringe alle Fohlen selbst zur Welt, übernehme die Nachtwache, während meine Frau tagsüber aufpasst.“ Als Marc Rühl die kleine Nepal bei ihren ersten Schritten an der Seite ihrer Mutter auf der Koppel beobachtete, da konnte freilich noch niemand ahnen, dass dort auf noch etwas wackeligen Beinen eine zukünftige Oaks-Siegerin ihre Umwelt erkundet. Als Jährling ging Nepal dann auf die BBAG-Auktion, wo sie für 5.500 Euro in den Besitz des Stalles Seseke ging. Doch aus den Augen verloren sich Züchter und Pferd natürlich nie. Und langsam, aber sicher zeichnete sich auch ab, dass Nepal großes Talent besitzt. „Andreas Bolte hat früh erkannt, dass sie ein Rennpferd ist. Das habe ich auch früh gesehen. Du kannst sie am Daumen aus der Box ziehen, sie ist total brav. Ein richtiges Rennpferd eben.“ Nepal debütierte im Frankfurter Auktionsrennen als Sechste „was gut war. Was aber in Düsseldorf los war, wissen wir immer noch nicht“, so Rühl. Auch in Düsseldorf belegte sie Rang sechs. Dann platze der Konten – aber richtig. In Hoppegarten gewann Nepal überlegen mit siebeneinhalb Längen gegen Azita. Wann genau der Plan reifte, mit Nepal in die Oaks zu gehen, kann Marc Rühl nicht sagen. Alternativ wäre aber ein Start im Hoppegartener Diana-Trial möglich gewesen. „Markus Klug war total froh, dass wir nicht nach Berlin gegangen sind, denn er hat dort Kasalla am Start“, sagt Rühl mit einem gewissen Stolz in der Stimme.
 
Soldier Hollow-Einfluss
Und so machte man um die Hauptstadt einen Bogen und sich auf in Richtung Mailand. Hier regnete es stark, der Boden in San Siro war schwer. Ob das einer Kallisto-Tochter passt? „Ich hatte Bedenken und war sehr nervös. Kallistos brauchen eher guten Boden, aber es kam wohl der Soldier Hollow-Einfluss durch“, erklärte Marc Rühl, der Nepals Mutter Nassau, die ihre Rennkarriere auf Grund einer Verletzung beenden musste, aus dem Stall von Werner Baltromei kaufte. „Als Pastorius dann das Derby gewann, wollte ich einen Soldier Hollow. Und da ist mir eingefallen, dass wir doch eine Soldier Hollow-Tochter besitzen. Die aus der Zucht des Gestüt Röttgens stammende Nassau stammt aus der Monsun-Stute Naomia und ist daher ähnlich gezogen wie Pastorius, daher passte auch der Cross mit Kallisto sehr gut“, erklärt Marc Rühl. Nassau und jetzt eben Nepal, deren Großmutter Nagoya die Oaks d’Italia 1999 gewinnen konnte, stammen aus der Erlenhofer Nella da Gubbio-Familie, die gerade durch die aktuellen Erfolge von Nutan, Nightflower und Nymphea brandheiß ist. Eine Familie, der auch schon im letzten Jahrtausend die famosen Nebos und Neckar entstammten.

Als erstes Produkt aus der Nassau, die ihrerseits das erste Stutfohlen von Soldier Hollow und auch die erste Soldier Hollow-Tochter ist, die in die Zucht ging, kam Nepal zur Welt und avancierte direkt zur klassischen Siegerin. Das ist wohl der Stoff, aus dem die Träume sind. Und der Traum muss noch nicht beendet sein. Kurz nach dem Rennen war zu hören, dass Nepal möglichweise für das Deutsche Derby nachgenannt werden soll. „Ich glaube schon, dass sie dort weit vorne landen könnte“, spinnt Rühl den Derby-Gedanken weiter. Doch die letzte Entscheidung über den weiteren Werdegang Nepals treffen natürlich auch die Besitzer. „Meine aktuelle Info ist, dass man mit ihr ins Hamburger Stutenrennen gehen wird“, sagt der Züchter über Nepal, die die Reise nach Italien gut überstanden hat und nach Angaben ihres Trainers sogar zugenommen hat, und wünscht sich für die Zukunft der Stute vor allem eines: „Dass sie gesund bleibt.“

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