Genau so stellt man sich im Allgemeinen wohl Leibwächter in Spanien vor. Eine Erscheinung mit breiter Brust und starken Schultern, mit sehr muskulösem durchtrainiertem Körper, der seinen Rahmen bestens ausfüllt. Einzig ein bißchen Größe fehlt vielleicht. Er trägt das Haar kurz, aber das tun die Meisten seiner Kollegen auch.
Eher der dunkle Typ. Für die eine Hälfte der Population sei natürlich auch das knackige Hinterteil erwähnt. Er besitzt den klaren Blick fürs Geschehen, ist bestimmend im Charakter. Einer der nicht viel spricht. Schon gar kein Spanisch und trotzdem versteht sich sein Team bestens mit ihm.
Dass er sich auf allen Vieren fortbewegt soll nicht verwundern, denn schließlich handelt es sich ja um einen edlen englischen Vollblüter. Sein Name ist Bodyguard of Spain.
Am letzten Sonntag war er in Hoppegartens Hasseröder Sprint-Cup als “Pferd des Herzens” angekündigt worden und hat sich ohne Zweifel mit seinem beeindruckenden Sieg in die Herzen des Publikums galoppiert. In denen seines engsten Umfeldes war er auch schon vor diesem sehr emotionalem Triumph.
Er schlug bei seinem diesjährigen Debut einen Teil der aktuellen deutschen und skandinavischen Sprint-Asse (darunter erprobte Gruppesieger), von denen fast alle schon mindestens einmal in dieser Saison am Start waren.
Kondition schlägt Klasse, so heißt es oft zu Beginn eines Rennjahres, wenn Formen überraschenderweise gedreht werden. Aber auf der Geraden Bahn Hoppegartens traf dies am ersten Berliner Renntag in 2004 nicht zu.
Zwei Tage später am fortgeschrittenen Nachmittag grast Bodyguard of Spain genußvoll direkt neben dem Geläuf der Rennbahn gemeinsam mit seinen beiden Trainingsgefährten Midnight Traiding und East Tiger. Nur wenige Meter hinter dem Siegpfosten und vielleicht die doppelte Distanz entfernt von seiner Box. Sein Betreuer Christian Zschache hat ihn am Zügel und meint, dass er schon noch ein bißchen müde ist. Aber es war ja auch keine leichte Aufgabe, sein 23. Start.
Es brachte dem fünfjährigen Hengst den siebten Sieg seiner Karriere, zudem kann er auch einige gute Platzierungen im höchsten Handicap und starken Altersgewichtsrennen in seinem Rennrekord vorweisen. “Ich denke in diesem Jahr wird er seine stärkste Saison haben”, sagt des Trainers Frau Ella, in deren Farben die Pferde des kleinen Quartieres laufen. Etwas später am Tisch, als noch einmal kurz auf den Erfolg angestoßen wird.
Das Debut konnte jedenfalls nicht besser verlaufen, und auch wenn Bodyguard of Spain schon zweijährig gewinnen konnte und in guter Gesellschaft heran musste (u.a. in einem Listenrennen in Maisons-Laffitte), darf man nicht vergessen, dass er immer wieder seine Zeit zur weiteren Entwicklung, selbst noch dreijährig bekam.
In jenem Jahr wurde er Dritter im Frühjahrszuchtpreis und machte seinen Weg durch die Ausgleiche. Am Tag der Deutschen Einheit verkaufte er sich im Ausgleich I als Zweiter schon riesig und deutete an in welche Richtung sein Weg führen wird.
Ein schonendes Management ohne jeglichen Druck zahlte sich bereits im letzten Jahr aus, als vier Siege bei nur acht Starts am Ende heraussprangen. Ihm gelangen zwei hochdotierte Erfolge im besten Handicap (bei der Derbywoche in Hamburg sowie in Hoppegarten am Tag der Einheit, als es vom Vorjahr noch etwas richtigzustellen galt), als Aufbaurennen konnten zwei Altersgewichtsrennen siegreich genutzt werden. In solche Prüfungen passt er nun nicht mehr rein, doch wenn die Besitzerin Recht behält, ist das zu verkraften.
Nun, mit etwas Abstand zum vergangenem Sonntag, hat Christian Zschache auch eine grobe Saisonplanung vor Augen. “Wenn die Gesundheit mitspielt, laufen wir am 1.Mai in München. Er war bisher kein so gutes Reisepferd, mal sehen, wie er sich auf der Reise gibt. Nach einer Pause geht es dann in Bremen ebenfalls auf Listenebene weiter und dann peilen wir die Hauptziele Holsten-Trophy in Hamburg und Großer Preis von Berlin hier zu Hause jeweils auf Gruppelevel an.”
Im kleinen Kreis am Tisch direkt vor dem Stall taucht heimlich, still und leise Helena Hryniewiecka auf. “Keiner sieht mich, keiner hört mich”, klagt sie schmunzelnd nach ihrem bisher wichtigsten Erfolg. Viele Ritte bekommt sie wahrlich nicht, deshalb war auch sie nach dem Listensieg sichtlich gerührt.
“Natürlich gibt es stärkere Jockeys, das ist mir klar, und das weiß auch Helena. Aber sie reitet ihn ständig in der Arbeit, kennt ihn in- und auswendig und ist jeden Tag da und immer dann, wenn es nötig ist. Deshalb habe ich ihr den Ritt gegeben und sie auch früher schon berücksichtigt.‘ Das sagte Zschache am Dienstag vor dem Rennen und unterstreicht es nochmals eine Woche danach.
Als Dank zahlte es sich aus. Und eine kleine Meisterleistung zeigte die Polin, wie sie auf dem ersten Teilstück der berühmten Hoppegartener Geraden ihr Pferd an die Vorteile bringende Außenseite dirigierte. Eine der innersten Startboxen wurde ihr zugelost, sämtliche Favoriten gingen weiter außen auf die Reise.
Das war der Grundstein zum Triumph. Auch sein kleines Team weiß der Trainer sehr zu schätzen und erwähnt den zweiten Arbeitsreiter Jens Sidow sowie die Amateure Carola, Isolde, Susi und Yvonne. Ohne ihren Einsatz wär sein kleines, voller Qualität steckendes Lot nicht so schlagkräftig. Und Christian Zschache hätte nicht soviel Freude an seiner Tätigkeit, zu der er ja mehr oder weniger gezwungen wurde.
Einige Jahre sind seit dem Unfall mittlerweile ins Land gegangen, der das Leben des über 600 mal siegreichen Jockeys komplett veränderte und natürlich weiter beherrscht. Die große Unterstützung, die ihm damals zu teil wurde, hat er nicht und wird er auch nie vergessen.
Doch seine großen Erfolge, wie die zwei Hoppegartener Derbysiege mit Abasko und Lomber, wie auch die schweren Hindernisprüfungen, die er mit unzähligen guten Springern errang, mögen in seiner Erinnerung viel weiter zurück liegen, als sie es eigentlich sind.
‚Es bleibt schwer, auch wenn viele zu mir kommen und sagen, ich sehe gut und fit aus.‘ Die äußere Erscheinung ist halt nur ein Teil eines Menschen. “Aber ich bin dankbar, dass ich die Arbeit mit den Pferden habe, auch die Tätigkeit als Abwieger in Hoppegarten, Dresden, Hamburg und Magdeburg macht mir viel Spaß und gibt mir eine Aufgabe. Sowas braucht jeder Mensch. Zum anderen kann ich meiner Frau Ella nicht genug danken. Sie war in den schwersten Augenblicken einfach immer da. Das werde ich immer allerhöchst zu schätzen wissen.”
Viele haben Zschache etwas später dann auch wieder ermuntert zu den Pferden zurückzugehen, sich eine neuen Part im Sport zu suchen. “Und da war Helmut Kappes der treibende Keil.” Im positivstem Sinne natürlich. Er stieß ihn förmlich drauf hin. “Ich habe früher viel und auch erfolgreich für ihn geritten. Er hatte dies nicht vergessen, und als Anfang schenkte er uns Arrivato. So ging das Ganze wieder los.” Also eine Art Zwang.
Danach blieb Kappes hartnäckig an ihm dran und überredete ihn letztlich zum Kauf eines Jährlings, der in Iffezheim auf der Auktion erst verkauft wurde, als das Geld aber nicht kam, wieder zum Verkäufer zurückging. Für 8000 Mark wechselte ein Schnäppchen namens Bodyguard of Spain dann nach Hoppegarten.
Zschache hält mit seiner Dankbarkeit für die Unterstützung von Helmut Kappes nicht zurück. Er war, wie schon erwähnt, der Unermütlichste unter sehr zahlreichen solidarischen Menschen für den 47-Jährigen.
Ende des Jahres 2002 war dann auch die Prüfung zum Besitzertrainer abgelegt und die erste ‚eigene‘ Saison wurde ein Jahr danach, mit sieben gewonnenen Rennen bei nur 24 Einsätzen, eine hocherfolgreiche. Das Lot umfasst nun drei Pferde und ist auf hohem Durchschnittslevel unterwegs. “In diesem Rahmen soll es auch bleiben.”
Berufstrainer ist im Moment kein Thema für Zschache. “Die Arbeit als Abwieger macht mir sehr viel Spaß und außerdem benötige ich für die Reha viel Zeit. Und im Stall kann es doch kaum besser laufen.” Denn dem mit allem Respekt ausgedrückt ‚Schlechtesten‘ im Lot, Midnight Traiding, traut der Trainer in der neuen Saison einen Ausgleich II durchaus zu.
Und dann gibt es ja noch diesen Tiger im Osten, eine dreijährige Hoffnung, ein Bild von einem mächtigen Tier. “East Tiger könnte der Beste werden, wenn er sich weiter so körperlich und mental entwickelt”, hat Christian Zschache vor eineinhalb Monaten für das Galopp 2004-Heft verkündet.
Ein Satz, von der die Redaktion des Heftes derart beeindruckt gewesen sein muss, dass sie daraus “Der Beste im Lot” machte. Realistisch genug ist das Team, dahin ist noch ein weiter Weg. Aber er hat sich als Youngster auch schon standesgemäß aus der Maidenklasse verabschiedet. Die Tendenz bei den Ergebnissen stimmte.
“Wir waren gerade auf der Autobahn, als Helmut Kappes anrief und uns sagte, dass noch am gleichen Tag ein Jährling bei uns eintrifft. Als ich East Tiger dann zum ersten Mal sah, war ich hin und weg. Liebe auf den ersten Blick”, erzählt Ella Zschache.
Er wird im Frühjahrszuchtpreis im Mai beginnen und hat dann Nennungen für einige Auktionsrennen auf diversen Distanzen, meint ihr Mann, der sich vor allem von der Spritzigkeit bei diesem bulligen Körper beeindruckt zeigt.
“Ich bin sehr gespannt, denn es ist im Moment schwer abzuschätzen, welche Strecke er bevorzugen wird.” Kann also gut sein, dass bald neue Schlagzeilen die Presse beherrschen werden. Muß nicht, kann aber. Die Anzeichen bringen die Hoffnung.
Solche verriet einst auch Bodyguard of Spain. “Schön an unseren Erfolgen mit ‚Body‘ ist aber auch, dass wir zeigen können, wie gut sich die Pferde hier in Hoppegarten entwickeln können. Zwei Gruppesieger des letzten Jahres, die hier trainiert werden, sprechen doch für sich. Und ich kann nur sagen, dass der Union-Klub sehr entgegenkommend ist und viel ermöglicht”, möchte sein Trainer unbedingt erwähnt wissen.
Wie es immer so ist, gerade hatte Zschache die Abendration Futter für seine drei Haferbanditen klar gemacht und dabei über die Verbindung zu Helmut Kappes gesprochen, klingelt das Telefon. Mit Kappes, dem Betreiber des Gestütes Rheinberg, am anderen Ende. Der Coach gibt ihm auf Nachfrage die grobe Routenplanung für den Surako-Sohn durch und fügt noch die Masse von erschienenen Artikeln der Printmedien an, die diesem emotionalen Erfolg reichlich Raum und Druckfarbe gaben.
“Mein Gott, was alles in der Presse stand, wie ein Stoff für ein Drama im Fernsehen.” Aber das ist ja auch in Ordnung, solche Geschichten braucht der Turf. Dieser Bodyguard of Spain hat als Rennpferd auf jeden Fall seine richtige Bestimmung gefunden. Denn als echter Leibwächter macht es sich eher schlecht, vor allen Anderen möglichst schnell wegzulaufen. Und sollten die ganz großen Ziele doch nicht erreicht werden, so bleibt er dennoch “Einer für`s Herz.” Und ein Tiger wartet im Osten…