Die Frankfurter Trainerszene hat Blutauffrischung erhalten. Nachdem mit Hans-Georg Thalau zum Ende des vergangenen Jahres der älteste Niederräder Trainer die Geschicke seines Stalles in die Hände seiner langjährigen Mitarbeiterin Daniela Thomas gelegt hat, ist der Altersdurchschnitt doch merklich gesunken.
Sie ist damit jüngstes Mitglied in der Trainerriege, folgte Michael Trinker nach, der zehn Monate zuvor diesen Schritt vollzogen hatte.
Beide haben sich ausgezeichnet in ihrem neuen Tätigkeitsbereich eingeführt, haben in wenigen Monaten den Ruf von Frankfurt als Trainingsort ohne Zweifel verbessert. Nicht zuletzt durch Platzierungen und Erfolge in Gruppe- und Listen-Rennen, wie es Michael Trinker mit Mistic Pearl gelang, die in Hoppegarten ein Listen-Rennen für Stuten gewann, während die Trainingsgefährtin Albula zudem noch den vierten Platz erreichte.
Ein Ergebnis, das Ausdruck ist der guten Arbeit, die im Stall des früheren Leichtgewichtsjockeys geleistet wird. Dabei zählt er nach Siegen bislang noch zu den ganz Kleinen, stehen doch erst neun Treffer zu Buche. „Ich habe ja auch immer nur recht wenig Pferde gehabt“, erklärt der seit Februar 2002 für die Rennpferde des von Heinz Weil geführten Gestüts Etzean verantwortliche Trinker, der derzeit für ein Dutzend Vollblüter verantwortlich zeichnet.
Klein, aber fein – könnte man auf den ersten Blick zur Qualität des Aufgebots sagen, in dem alle Dreijährigen bereits ihre Rennen gewonnen haben, Finora als Zugpferd, aber auch Morbidezza („ein sehr gutes Pferd“), Albula und eben die frische Siegerin Mistic Pearl als die Werbeträger betrachtet werden können. Alles Stuten, während der einzige Hengst, der talentierte Parelli in Folge eines Haarrisses ausfiel, erst im nächsten Jahr wieder in die Ereignisse eingreifen wird.
Auf Finora und Morbidezza warten demnächst Aufgaben in Gruppe-Rennen. So ist Finora eine Kandidatin für das Oettingen-Rennen, soll vorher aber in Mailand noch ein Stuten-Rennen bestreiten. An Italien hat man sowieso nur gute Erinnerungen, denn die beiden bislang einzigen Starts brachten Erfolgserlebnisse.
So denkt man natürlich mit Finora am 6. Juli, wenn in Hamburg das Deutsche Derby entschieden wird, diese Serie auszubauen, weiter ungeschlagen zu bleiben. Auf Morbidezza, am letzten Sonntag Zweite in Dortmund, wartet als nächste Aufgabe der Hessen-Pokal auf der Heimatbahn. Eine dritte Stute, der man viel Potenzial zubilligt, ist Prairie Moonlight, mit der man im Hamburger Stuten-Preis antreten will.
Die Dreijährigen stellen die klare Mehrheit im heutigen Lot, genau diejenigen, die bereits im Vorjahr als Zweijährige das Vertrauen des Trainers genossen, der schon damals seinem Arbeitgeber klar machte, dass sie 2002 nicht viel gewinnen würden, dafür zwölf Monate später um so mehr.
Was sich bewahrheiten sollte. Bis auf den später abgegebenen Cole und eine leider in Pisa eingegangene Vollschwester zu Peu a Peu („wäre eine für die Diana gewesen“) sind es die Pferde, die schon in der vorigen Saison im Stall standen, während die damaligen Vierjährigen alle gewonnen haben, dann aber für die Zucht abgegeben wurden.
Die Qualität der letztjährigen Zweijährigen vermisst Michael Trinker bei seinen Youngstern diesmal. Vier hat er unter seinen Fittichen, eine aus dem Quartett ist noch einmal ins Gestüt gegangen, „Ein leichter Typ, Halbschwester zu Peu a Peu, mit dem Manko, auf einem Auge blind zu sein, sollte als sehr spätes Pferd aber für Freude sorgen“, wie der Trainer anmerkt.
Die Zweijährigen könnten dieses Jahr nicht mithalten, die Dreijährigen seien einfach stärker, meint Trinker, der daher hofft, dass der eine oder andere noch als Vierjähriger im Stall bleibt und nicht zu Saisonende in die Zucht wechselt. „Sind die Hoffnungsträger weg, sieht es erst einmal düster aus“, gibt er sich keinen Illusionen hin.
Auch nicht, was die Zukunft angeht. „Herr Weil und ich haben einen Vertrag geschlossen, der mittlerweile schon zweimal verlängert wurde. Es muss halt laufen, dann wird er auch noch öfter verlängern“, gibt sich der Trainer als realistischer Betrachter der Szene, „denn das dürfte ja auch anderswo so gelten.“
Er hätte nie das Trainieren von Rennpferden begonnen, wenn er nicht diese Chance bekommen hätte, erklärt der überzeugte Rheinländer, der sich immer wieder, wenn es die Zeit zulässt, nach Köln und die Umgebung, wo die Eltern zu Hause sind, aufmacht.
Der berufliche Mittelpunkt ist allerdings Hessen.
Hier bezieht er sein Festgehalt für das Training von Rennpferden des Gestüts Etzean, dessen Eigner nur zu den wichtigen Galopps nach Niederrad kommt, ihm ansonsten alle Freiheiten lässt. Dass Trinker in der Morgenarbeit mitreitet, war einer der Hauptgründe, dass Heinz Weil, der einen leichten Reiter, der später zum Trainer aufsteigen könne, für seine Pferde haben wollte, auf ihn kam.
„Wir haben keine Führmaschine, aber für die zwölf Pferde eine fünf Köpfe umfassende Mannschaft. So kann sich jedem Pferd intensiv mit Führen, Reiten und Spazierengehen gewidmet werden. Abends leihen wir uns schon einmal die Führmaschine von Clemens Zeitz aus“, erklärt Trinker, der den Anruf aus Frankfurt mit „der Chance meines Lebens“ damals zu Hause in Kerpen-Sindorf im Hause der Eltern erreichte.
Nach einem kurzen Gedankenaustausch war man sich einig, wurde der Kontrakt unterzeichnet zwischen Michael Trinker und Heinz Weil, der den Großteil seiner Jährlinge zum Verkauf auf den Markt gibt und nur ein paar dem Rennstall überstellt.
„Schlägt eine Linie wie z.B. die von Peu a Peu gut ein, dann bekomme ich auch die Nachzucht“, erklärt der Trainer, der bei der täglichen „seine eigene Methode hat, denn kopieren gelingt nicht.“ Nach Hannover oder in den Osten wäre er nie gegangen und im Westen hätte sich ihm eine derartige Chance nie geboten, da kam Frankfurt schon richtig.
Erfahrungen hat er bei zahlreichen großen Trainern gemacht, war bei Bruno Schütz, Ostmann, Schiergen, Jentzsch und Blume, will aber auch die Zeiten, wo er bei Leuten, die eher im zweiten Glied stehen, nicht missen. Auch dort hat er viel gelernt, betont der Trainer, der ohne jegliche Probleme 50 kg reiten könnte.
Gewichtsprobleme hat er nie gekannt, hat vielmehr immer viel essen könne, ohne ein Gramm zuzusetzen. „Das Schwierigste war von 50 auf 49 Kilo, wenn es verlangt wurde, zu kommen“, erinnert er sich. Erleichtert wurde ihm der Wechsel in den neuen Beruf, als die GAGs von 50 auf 52 kg geändert wurden, „wodurch die guten Reiter uns auch noch Ritte weggenommen haben.“
Mittlerweile weiß Trinker um die zahlreichen Probleme, die ein Trainerleben mit sich bringen kann. „Hier hast du weitaus mehr Verantwortung als ein Jockey“, meint er, gibt zu, dass es am Anfang viele Sachen gab, die er nicht kannte. Musste nachfragen, sich Rat bei anderen holen.
Eine große Hilfe war dabei seine jetzige Ex-Frau, die ihre Erfahrungen als Reisefuttermeisterin miteinbrachte, auch heute noch zum Team zählt. „Es wird auch jetzt noch Dinge geben, die ich mir erarbeiten muss“, ist er sich sicher. Wenn das zweite Halbjahr 2003 wie das erste wird, dann wäre er sehr zufrieden. „Gruppe-Siege lassen sich nicht erzwingen, kommen meist dann, wenn man sie nicht erwartet hat.“
Erwartet hatte er allerdings ein gutes Laufen von Mistic Pearl in Hoppegarten, die als Zweijährige bei Andreas Schütz stand, über Winter für einen italienischen Trainer in Pisa weilte, dort aber nicht starten konnte, da sie einen gewissen Geldpreis aufweisen musste. Sie hätte zu Starts nach Deutschland fahren müssen, was keinen Sinn machte, worauf sie dorthin zurück kehrte.
„Sie ist dann in München gelaufen kam aber am Start nicht mit, brauchte dieses Rennen noch. Dort habe ich sie abgeholt und mich für die Hoppegartener Aufgabe entschieden, da sie dort alle Gewichtserlaubnisse in Anspruch nehmen konnte. Ich war von einem guten Laufen jederzeit überzeugt, zumal sie als Zweijährige schon viel Schnelligkeit gezeigt hatte“, so Trinker, nach dessen Meinung es Mistic Pearl als Listen-Siegerin natürlich weitaus schwerer haben wird.
„Vielleicht gehen wir mit ihr nach Italien oder in die französische Provinz“, könnte die mögliche Zukunft aussehen.
Zunächst aber steht erst einmal das Hamburger Derby-Meeting an. Prairie Moonlight soll als einziger Vertreter des Trinker-Stalles dort antreten. „Ich denke mit guten Chancen“, sagt der Trainer, der ja Vergleichsmöglichkeiten zur Genüge im Stall stehen und das Badener Herbst-Meeting dick unterstrichen hat.
Dahin wird man mit einer ganz starken Mannschaft um Finora herum reisen. Zu ihr zählt auch ein gewisser Syracruz, der lange Probleme aufgegeben hatte. „Der hatte als Zweijähriger gearbeitet wie eine Million, gab sich im Rennen dann aber schnell geschlagen.“ Als das später auf der Heimatbahn erneut passierte, wurde eine gänzlich andere Taktik eingeschlagen. Man verordnete ihm Scheuklappen und ließ ihn konsequent auf Warten reiten. In Mannheim klappte es blendend, in Iffezheim nicht ganz so gut.
„Eines der Hauptziele für ihn ist das Hannoveraner Auktionsrennen, der ist jetzt voll bei der Sache, kann außen und innen gebracht werden. Auf seinen Werdegang bin ich gespannt“, gibt sich der Trainer zuversichtlich.
Da Parelli ja für das Derby („wäre vielleicht auch zeitlich eng geworden“) infolge eines Haarrisses nicht in Betracht und erst in der kommenden Saison an die Öffentlichkeit kommt, drückt Michael Trinker seinem Kollegen Dave Richardson mit Palmridge für das Rennen der Rennen die Daumen. „Zuerst habe ich gedacht, dass er in der Union überfordert sei. Genauso, wie man das bei mir von Finora gedacht hatte, aber dann wurde ich ja eines Besseren belehrt.
Probieren muss man es, das Rennen kann man nur einmal gewinnen, egal ob glücklich oder sonst wie. Für mich ist das Derby sowieso schwer, da ich überwiegend Stuten habe, denn die Hengste bringen auf den Auktionen nun einmal mehr Geld. Also bin ich in diesem und im nächsten Jahr aller Voraussicht nach nicht dabei. Es gibt aber auch noch andere schöne Aufgaben, wie Gruppe- und Listen-Rennen, auf die wir uns jetzt erst einmal konzentrieren.“
Einen Tipp für Hamburg wagt er nicht, weiß nicht, ob Dai Jin das gegebene Pferd ist. „Überragendes wie im Vorjahr mit Next Desert habe ich nicht gesehen. Martillo ist wohl der Beste, doch der läuft nicht im Derby. Es kann durchaus eine Überraschung geben, denn jeder der vermeintlichen Favoriten hat schon eine schwere Niederlage einstecken müssen, Es scheinen viele gute Pferde #zu sein, aber kein herausragendes wie ein Next Desert. Warum also sollte da ein Palmridge keine Chance haben?“
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