Es war das Jahr 1994, als der damals 23jährige Italiener Lanfranco Dettori einen der begehrtesten Jobs im internationalen Turf-Geschäft erhielt. Er wurde erster Jockey im mächtigen Godolphin-Stall, feierte für und mit Scheik Mohammed viele große Siege. Nun, nach 18 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit, trennten sich die Wege von Dettori und Godolphin im Jahr 2012. Schon im Jahr zuvor leitete man bei den „Blauen“ einen Generationswechsel an.
„Frankie“ Dettori erhielt immer weniger Ritte, dafür rückte ein neues Talent im Rennsattel immer mehr in den Fokus. Die Rede ist vom heute 21jährigen Mickael Barzalona, der schon 2011 als neuer starker Mann bei Godolphin etabliert wurde und dessen Status sich durch die Trennung von dem charismatischen Italiener weiter gefestigt hat. Nun ist er die Nummer eins des Scheiks, der mit Silvestre de Sousa weiterhin vermehrt auf die Jugend im Rennsattel setzt. Die Fußstapfen in die er tritt könnten größer nicht sein, und auch den Erwartungen muss er sich nun stellen. Dettori ritt in seiner Zeit bei Godolphin 110 Gruppe I-Sieger. Insgesamt ritt er 943 Sieger in blauer Seide.
Der junge Franzose war gerade 16 Jahre alt, als ihn Andre Fabre zu sich an den Stall nahm. Er hatte gerade die AFASEQ Racing School beendet. Über Fabre kam er auch in den Dunstkreis Godolphins. Am 16. Oktober 2007 ritt er in Saint-Cloud Pentland Firth, seinen ersten Sieg errang er im darauffolgenden Jahr in Fontainebleau mit Texan Dream. 2009 stieg er erstmalig für Godolphin in den Rennsattel. Mit Colonial kam er im Prix La Rochette (Gr.III) als Sechster ins Ziel. Am Ende der Saison brachte er es dann bereits auf 72 Volltreffer.
Der Aufstieg des Talents nahm weiter an Fahrt auf. Neben dem reiterlichen Können ist der in der Provence aufgewachsene Barzalona auch mit der Gunst von Mutter Natur bedacht. Der Leichtgewichts-Jockey, dessen Großvater Christian auf Korsika schon Pferde trainierte, hat kaum Mühe sein Gewicht zu halten – eine überaus komfortable Situation, die ihn in die Lage versetzt beinahe alle Engagements annehmen zu können. Im letzten Jahr waren es vor allem Ritte für Godolphin und die Trainer Mahmood Al Zarooni, Saeed bin Suroor und Andre Fabre, die er stets annehmen konnte.
Aktuell bring er es auf 444 Ritte für Godolphin. 87 Mal kehrte er als Sieger vom Geläuf zurück. Fragt man ihn nach seinem wichtigsten Pferd, das er bis dato unterm Sattel hatte, nannte er Simon de Monfort, mit dem er 2010 den Prix la Force gewann. „Er ist einfach ein sehr gutes Pferd“, sagt er schlicht über den King’s Best-Sohn.
Aber vielleicht kann man an einigen Pferden die steile Karriereentwicklung Barzalonas besonders deutlich festmachen. Mit dem von Andre Fabre trainierten Montjeu-Sohn Pour Moi gewann er in den blauen Magnier-Farben in Longchamp 2010 ein Zweijährigen Rennen. 2011 dann der erste Gruppe I-Sieg im Leben des jungen Jockeys. Auf der Nobelrennbahn von Longchamp kämpfte er sich im Prix Saint-Alary mit Andre Fabres Wavering gegen Epic Love zum Sieg. Es folgte der der Sieg im zur Gruppe II zählenden Prix Greffulhe in Saint-Cloud und im gleichen Jahr der Triumph im Investec Derby in Epsom auf Gruppe I-Parkett.
Es war sein erster Ritt in Epsom überhaupt. „Rennen in England sind etwas sehr spezielles“, so Barzalona über den Sport auf der Insel. Schon vor dem Derby siegte Barzalona mit Godolphins Ocean War zwei Mal in Newmarket. „In Newmarket lernt man sehr viel. Auch sehr viele Tricks.“ Dass er in der Lage ist solche Tricks schnell zu lernen, steht mittlerweile außer Frage. Ob er im diesjährigen St. Leger in Doncaster in die Trickkiste greifen musste, sei dahingestellt, jedenfalls avancierte er auf Encke zum großen Camelot-Spielverderber, der in dieser Prüfung die Triple Crown angestrebt hatte.
Barzalona wird von seinem Umfeld als fleißig und professionell beschrieben – trotz seiner jungen Jahre, gleichwohl sein jugendlicher Übermut manchmal die Überhand zu gewinnen scheint. Wie in der diesjährigen Ausgabe des Dubai World Cups, als er für Godolphin den Ritt auf Monterosso übernahm, damals noch die Zweite Farbe der „Blauen“. Barzalona siegte auf dem Außenseiter, die letzten Meter legte er aufrecht stehend zurück. Eine leichtsinnige Aktion, die von einigen mit Kopfschütteln quittiert wurde. Für Godolphin war es der erste Sieg im World Cup seit dem Jahr 2006. Doch war das Rennen mehr als nur dieser Sieg. Hier kündigte sich die Godolphin-Wachablösung an, die in der Trennung von Dettori gipfelte. Barzalona schlug nicht nur Godolphins Capponi, der auf Rang zwei kam, er distanzierte auch Frankie Dettori und Prince Bishop um viele Längen. Ein Jahr zuvor kam er mit Monterosso im World Cup schon auf dem dritten Rang zu Victoire Pisa ins Ziel, mit Khawlah gewann er das UAE Derby auf Gruppe II-Level.
Seine erste Saison in Meydan war aus der Retrospektive wohl Barzalonas Durchbruch von einem vielversprechenden Talent in Frankreich zu einem Reiter, dem nun weltweite Aufmerksamkeit zu Teil wird. 2011 war Barzalona im Kreis der ganz Großen angekommen. „Ich finde Rennen in Meydan einfacher als, zum Beispiel, in Frankreich, wo die Rennen eher taktisch geprägt sind. Das passt alles sehr gut zu meinem Stil“, so Barzalona über seine Erfahrungen in Dubai. „Ein Rennen wie den World Cup zu gewinnen ist nicht zu beschreiben. Das ist magisch.“ Gerade über diese großen Rennen spricht er gerne und merkt ihm die Freude an, mit der an diesen Großereignissen partizipiert.
Fragt man den jungen Reiter heute nach seiner rasanten Entwicklung, dann spürt man eine gewisse Demut mitklingen. Er nimmt nicht alles für selbstverständlich, weiß auch, dass Glück, neben Talent, immer eine Rolle spielt und spielte. „Ich hatte sehr viel Glück, dass ich zu Herrn Fabre gekommen bin“, so Barzalona. „Er hat mich über die letzten zwei Winter immer an Godolphin vermittelt. Ich kann mich nur immer wieder bedanken, dass ich die Gelegenheit erhielt, so viele gute Pferde für sie zu reiten.“
Neben ihm ist auch der französische Top-Jockey Maxime Guyon unter dem Protektorat von Andre Fabre. Guyon gewann im Juni 2010 mit Byword in Royal Ascot die Prince of Wales’s Stakes, es war sein erster Ritt in Großbritannien überhaupt. Ein Traum für Barzalona, der vom Flair in Ascot schwärmt. „Einmal in Royal Ascot an den Start zu kommen und ein Rennen zu reiten, wäre eine große Chance. Ich habe viel darüber gehört und mir die Rennen natürlich im Fernsehen angeschaut“, sagt Barzalona für den in diesem Jahr dafür ein anderer Traum wahr geworden ist.
Im Prix de l’Arc de Triomphe nahm er in diesem Jahr zum ersten Mal teil und kam nach einem tollen Ritt mit Andre Fabres Masterstroke auf Rang drei hinter Solemia und Orfevre ein. Es war ein prächtiger Einstand im prestigeträchtigsten Rennen der Welt und Mickael Barzalona wird noch einige Chancen haben auch dieses Rennen zu gewinnen. Der dreimalige „Arc“-Sieger Frankie Dettori ritt 25 Mal in diesem Monstre-Rennen im Bois des Boulogne. Wie gesagt, die Fußstapfen sind sehr groß.