Kohle machen auf Sand

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Als am 17. Juli 1981 präzis um 22 Uhr Hauptstarter Ernst von Mossner ein kleines Fünferfeld zur Dortmunder Sandbahn- und Flutlichtpremiere auf die Reise schickte, brach im deutschen Rennsport ein neues Zeitalter an. Und die erste Bilanz am späten Abend lautete: Examen bestanden. Weit über zehntausend Besucher wohnten der Premiere des Sandbahnrenntages an jenem Freitagabend im Juli 1981 bei. Das prächtige Bild der Flutlichtszenerie schuf eine neue, faszinierende Atmosphäre. Rund 740.000 deutsche Mark wurden umgesetzt, ein mehr als ermunternder Anfang war gemacht und die Verantwortlichen setzte berechtigte Hoffnungen darauf, dass die Sandbahnrenntage eine große Zukunft haben würden.

Schließlich beschloss man schon wenige Tage später, das Dortmunder Jahresprogramm auf insgesamt 42 Renntage auszubauen. Eine für heutige Verhältnisse unglaubliche Zahl, was die Renntage für einen Veranstalter angeht.

Man sprach von Winterterminen mit Chancen ohne Risiko, denn allzuoft waren während der kalten Jahreszeit die Rennveranstaltungen auf den Galopprennbahnen an Rhein und Ruhr dem Rotstift zum Opfer gefallen. Das Geläuf war gefroren, die Gefahr, dass sich die Pferde verletzen oder es Stürze geben würden, war einfach zu groß. Eine Planungssicherheit für Trainer oder Besitzer von Rennpferden war einfach nicht mehr gegeben.

Auch die Wetter saßen während der Wintermonate allzu oft auf Sparflamme, wanderten ins Lager des Trabrennsports ab. Eine Allwetterbahn mit Flutlicht galt bei den Trabern seit vielen Jahren als unentbehrliches Inventar.

So musste auch bei den Galoppern etwas geschehen. Neu war die Idee, die man in Dortmund Ende der siebziger Jahre in die Tat umsetzte nicht. Bereits Anfang der sechziger Jahre hatte der damalige Neusser Geschäftsführer Harald von Gustedt entsprechende Pläne in der Schublade liegen. Eine Sandbahn, gebaut im Innenraum, unmittelbar neben der Grasbahn. So wie, man es in Dortmund praktizierte. Doch umgesetzt wurde diese Idee in der Stadt am Rhein erst 1995.

Galopprennen auf Sand, das war weltweit längst keine neue Sache mehr, als man 1981 in Deutschland die Premiere feierte. Vor allem in den USA domierten und dominieren noch heute die Rennen auf Sand. Das weltberühmte Kentucky Derby wird zum Beispiel auf Sand gelaufen. Auch in England bot man immer häufiger die Alternative zu Grasbahnrenntagen an. Heute werden auf dem Allwetterkurs in Lingfield sogar Gruppe-Rennen entschieden.

In Southwell, Wolverhampton und neuerdings auch Kempton laufen die Pferde ebenfalls auf Sand, so ist auch in England ein strammes Winterprogramm gesichert. Für Pferde, Besitzer, Trainer und natürlich auch für Zocker.

Auch Frankreich ist längst auf den Zug „Sandbahnrennen“ aufgesprungen. Nach Cagnes-sur-mer folgten Deauville und Pau in Südfrankreich. Auch hier bleibt festzuhalten, dass die Qualität der Pferde, die sich auf den Allwetterbahnen präsentieren, von Saison zu Saison besser wird. Dies ist vor allem für die Wetter ein Plus.

Der deutsche Galopprennsport kann heutzutage froh sein, dass Dortmund und Neuss die Alternativen zu den Grasbahnrennen geschaffen haben, im Winter Gewehr bei Fuß stehen. Auch wenn sie aus wirtschaftlichen Mitteln allein nicht mehr in der Lage sind, eine komplette Wintersaison durchzuführen. Die Bedeutung, dass an den Wochenenden von Anfang November bis Anfang März Galopprennen mit Garantie veranstaltet werden, ist immens.

Die Turffans bleiben somit bei der Stange, fallen nicht ein Loch mit dem fatalen Resultat, dass sie möglicherweise im Frühjahr, wenn die Grasbahnsaison losgeht, nicht mehr zum Rennsport zurückkehren.

Neben der reizvollen Atmosphäre, an langen Winterabenden auf der Galopprennbahnen unter dem Scheinwerferlicht einen Glühwein zu genießen und mit Freunden zu Fachsimpeln, kommen neben den Rennstallbesitzern, Jockey und Trainern auch vor allem die Zocker auf ihre Kosten.

Denn man wettet gerne auf den Allwetterbahnen. Schnell konstatierte man, dass die Form „steht“, wie es in der Fachsprache heißt. Was nichts anderes bedeutet, als dass die Favoriten oft zum Zuge kommen, oder dass die Formpferde mit großer Beständigkeit nach vorne laufen. Was seine Gründe hat. Während sich auf der Grasbahn das Geläuf witterungsbedingt von Woche zu Woche ändert, heute noch gut, morgen schon weich oder schwer ist, bleiben die Bodenverhältnisse auf den Allwetterbahnen in der Regel konstant.

Lediglich schweres Wetter verändert die Sandschicht. Nach Dauerregen treten die Pferde mehr als üblich durch, hingegen wird die Sandbahn nach starkem Frost so richtig schnell.

Der Kreis der Pferde, die während der Wintermonate in Dortmund und Neuss zum Einsatz kommen, ist nicht nur für einen Kenner der Szene relativ überschaubar, was die Sache bei der Platzierung einer Wette einfacher macht.

„Ich bewettte gerne die Sandbahnrennen, gehe Jahr für Jahr mit einem Plus aus der Wintersaison“, bringt es Herbert Heinen aus dem niederrheinsichen Viersen auf den Punkt, gibt aber auch zu verstehen, dass er die Rennen in Neuss und Dortmund regelmäßig live verfolgt.

Von nahezu exzentieller Bedeutung sind die Winterrennen für die kleineren Ställe, die lediglich bis zu zehn oder fünfzehn Pferde trainieren und vor allem für die zahlreichen Besitzertrainer in Deutschland. Diese Trainier dürfen ausschließlich Pferde trainieren, die im eigenen Familienbesitz stehen. Da sie sich speziell für diese Wintersaison vorbereiten, gewinnen sie in der Regel viele Rennen.

Wie die in Neuss ansässige Besitzertrainerin Marion Weber, die während der letzten Wintersaison hinter den beiden Professionals Peter Hirschberger und Christian Freiherr von der Recke nach Anzahl der Erfolge auf einen glänzenden dritten Rang kam. Sie reitet zum größten Teil ihre Pferde im Rennen sogar selbst. Christian von der Recke, der in Weilersweist in der Voreifel trainiert, zählt seit vielen Jahren zu den erfolgreichsten Trainern auf den Sandbahnen.

Wesentlich weiter ist die Anreise nach Neuss und Dortmudn für Peter Hirschberger, der im letzten Winter vierzehn Sieger sattelte. Die Transporte der von ihm trainierten Pferde reisen aus Leipzig an. Bei Frost oder Schnee, meist Woche für Woche.

Zu den Höhepunkten der Wintersaison zählt der Renntag zu Silvester in Neuss. Tausende von Besucher pilgern zum Jahresultimo noch einmal zur Galopprennbahn, versuchen noch einmal ihr Glück. Silvester 2005 wurde zur allerletzten Minute der Jockey-Championatskampf entschieden.

Filip Minarik hatte am Ende zwei Siege mehr auf dem Konto als Adrie de Vries. Beide Reiter zählen seit Jahren zu den erfolgreichsten auf den Sandbahnen. Aus sportlicher Sicht hat Neuss mehr anzubieten.

Wie zum Beispiel das Deutsche Sandbahn Classic, das Auktionsrennen der Sandbahnspezialisten am 10. Dezember, der Sandbahn Gran Prix Aufgalopp am 21. Januar, das Orsini-Rennen, oder aber der Sandbahn Grand Prix am 4. März. Dieser Grand Prix ist zugleich der 2. lauf der European All Weather Series. Sie beginnt im Februar an der Cote d’ Azur und führt dann über Neuss ins englische Lingfield, nach Rom und endet im Mai im schwedischen Jägersro bei Malmö. Alle Läufe finden auf Sand statt.

Das Pferd, das alle Läufe gewinnt, erhält einen Extrabonus von 100.000 Euro. Bislang gelang dies noch keinem Vierbeiner. Doch auch in der Saison 2006/2007 werden wieder zahlreiche erstklassige Pferde ihr Glück versuchen, nehmen quer durch Europa Kurs auf diesen dicken Batzen Geld. Und eine Station ist Neuss.

Nächste Renntage

Galopprennen in Deutschland
Mo, 02.10. Honzrath
Di, 03.10. Berlin-Hoppegarten
Sa, 07.10. Dortmund
So, 08.10. Köln, Leipzig
Fr, 13.10. Baden-Baden
Sa, 14.10. München
Galopprennen in Frankreich
Mo, 02.10. Marseille-Borely, Pornichet
Di, 03.10. Bordeaux, Auteuil
Mi, 04.10. Chantilly, Toulouse
Do, 05.10. Saint-Cloud, Nantes
Fr, 06.10. Compiegne, Lyon la Soie
Sa, 07.10. Chantilly, Cholet