Es war leider kein Abschied nach Wunsch. Der 56-jährige Ralf Suerland bot am Samstag in Dortmund mit Philander seinen letzten Starter auf, ge­nau jenes Pferd, das für den letzten Treffer 2006 und den bislang einzigen in der laufenden Saison gesorgt hat und zum Ausklang des März-Tag leider nicht ganz den 400. Karrieretreffer schaffte.

„Nächstes Jahr wäre ich 40 Jahre im Rennsport gewesen“, so der Trainer, der dieses Jubiläum nicht mehr feiern wird, denn er hört auf. Macht Schluss mit dem Trainieren von Rennpferden, das seit 1991 Lebensinhalt gewesen war, nachdem er zuvor über viele Jahre als Jockey Erfolge gefeiert hatte. In seiner Laufbahn hatte es zahlreiche Höhepunkte gegeben. Vor allem der Derbysieg mit Stuyvesant von 1976 (übrigens der letzte für das Gestüt Schlenderhan) hatte sich als Sprungbrett erwiesen, später folgte noch mit Ebanos Erfolg im Preis von Europa ein zwei­ter spektakulärer Treffer.

Den ersten ganz großen Sieg galt es 1974 zu feiern, als Ralf Suerland auf Sebastiano den Gerling-Preis gewann. In den späteren Jahren folgten Triumphe mit Kioto im Silbernen Band der Ruhr, Feuerbach im Großen Preis von Hessen, Rose Amore im Ja­cobs-Kaffee-Rennen, Vif-argent im Großen Preis der Steigenberger Hotels und Majorität, die mit dem Preis der Diana immerhin ein klassisches Rennen an sich brachte. Mit Florano und Csi­ko gewann er in zwei aufeinander folgenden Jahren den Heinz-Ramm-Früh­jahrs-Ausgleich, wobei Csiko gleichzeitig auch der letzte große Treffer in der Jockeylaufbahn von Ralf Suerland war.

Ende 1990 hatte er die Jockeystiefel an den berühmten Haken gehängt, nicht zuletzt auch als Folge einer schweren Verletzung, die er sich Mitte Juni in Bre­men zugezogen hatte. Nach langen Monaten der Untätigkeit und Rekon­valeszenz startete er im Dezember zwar noch ein Comeback, allerdings nur ein kurzes, um dann endgültig mit der Rennreiterei Schluss zu machen. Mona­te später verdichteten sich die Gerüchte auf, wonach Ralf Suerland ab dem 1. August 1991 als Trainer auf der Kölner Rennbahn tätig sein würde. Er über­nahm den Stall von Günter Rosenbusch, dem Nachfolger von Artur Desch­ner.

Die Trainerprüfung hatte er schon zu seinen Jockeyzeiten 1984 er­folgreich ab­gelegt. Schon zwei Tage nach dem offiziellen Startschuss wurde der erste Sie­ger vom Trainer abgesattelt. Die vierjährige Funkexpertin, gezo­gen von ih­rer Pulheimer Besitzerin Rosemarie Winkels, hatte unter Alexandra Benden in Krefeld über 2150 Meter gewonnen.

Sechs weitere Treffer sollten im Ver­lauf des Jahres noch folgen, so dass man mit der ersten Saison durch­aus zu­frieden sein durfte, zumal man zum Abschluss mit Terrific sogar einen Sieger im Aus­gleich II vom Geläuf abholen konnte. Mit der Zahl der Stallin­sas­s­en stieg auch die der Erfolge, wobei die Pferde vornehmlich in den Handi­caps siegten.

Den ersten bedeutenden Treffer landete Suerland im September 1993, als der zweijährige Lipan den ersten von achtzehn Listen-Siegen erzielte. Neil Grant saß im Sattel des Wallachs, der auf der Heimatbahn im Excelsior Hotel Ernst-Criterium nicht zu schlagen war. Knapp zwei Jahre vergingen, bis Laka­done für den zweiten Listen-Erfolg sorgte, als er unter Peter Schiergen Ende Au­gust 1995 in Iffezheim den Milka Steher Cup gewann. Zwölf Monate brachte das Meeting rund um den Preis von Europa das bislang erfolgreichste Meeting für den Trainer Ralf Suerland.

Am Samstag sorgte nämlich der von Andreas Helfenbein gerittene Accento als Sieger des Großen Kaufhof-Preises für den ersten Sieg in einem Gruppe (II)-Rennen, dem vierundzwanzig Stunden später Matula unter dem in Hochform reitenden Helfenbein noch einen Listen­-Tref­fer folgen ließ. Hochstimmung also im Stall Suerland, dessen Boxen sich wei­ter füllten. Die folgenden Jahre waren in erster Linie geprägt von Pferden wie Voodoo Lounge, Sharp Domino, Miami Blues und natürlich der ausge­zeich­ne­ten Miss Tobacco, die 1999 nicht nur zwei Listen-Erfolge unter Neil Grant, son­dern als Krönung noch den Sieg im Kölner Ostermann-Pokal (Gr. III) mit Pas­cal van De Keere beisteuerte.

Im Stile der Miss Tobacco trumpfte um die Jahr­tausendwende die von Dr. Rolf Wilhelms gezogene und für Hype­rion Bree­ding startende Proudwings auf, die den Ruf der Kölner Trainieran­stalt über die Grenzen Deutschlands bekannt machen sollte. Nach einem Mai­länder Li­sten-Sieg gewann sie drei Wochen später an gleicher Stätte ihr er­stes von drei Gruppe-Rennen, als sie den Premio Sergio Cumani (Gr. III) auf ihr Konto brach­te.

2001 brachte sie das Kunststück fertig, mit dem Prix du Muguet in Saint-Cloud sowie den Falmouth Stakes in Newmarket zwei Gruppe-II-Rennen in zwei weiteren Ländern zu gewinnen, wobei der Sieg in England den ersten seiner Art eines in Deutschland trainierten Pferdes bedeutete. 2002 sorgten Stingray, der zweijährige Minley sowie der ein Jahr ältere Well Chief für die Glanzlichter der Saison, genau jener Well Chief, der mittlerweile als eines der besten Pferde im britischen Hindernissport betrachtet wird.

Ohne Zweifel als bestes Jahr der Karriere kann 2003 gelten, denn es konnten fünf größere und große Rennen gewonnen werden. Auf Listen-Ebene fing man „bescheiden“ mit Martillo und Mandela, die von William Mongil geritten wur­den, an, um dann neben Wild Passion mit eben jenem Höny Hofer Martillo in Aufgaben wie dem Mehl-Mülhens-Rennen in Köln und dem Großen Por­sche Preis in Hop­pegarten zwei Gruppe-II-Prüfungen zu holen.

Martillo blieb auch 2004 der große Wer­be- und Sympathieträger für den Trainer, der seine Vorlie­be für den stets am Maifeiertag in Saint-Cloud gelaufenen Prix du Mu­gu­et be­stätigt sah, als sein Schützling die Tradition in dieser Gruppe-II-Auf­gabe über die Meile fortsetzte und drei Jahre nach Proudwings den Sieg wie­der nach Köln ent­führ­te.

Als Zu­brot gab es zwei Monate später noch den Sieg in der Ber­lin Bran­den­burg-Tro­phy (Gr. II), die er als klarer Favorit in ei­nem Sechser­feld gegen den Schlen­derhaner Assiun gewann. Martillo, immer wie­der Martil­lo. Nach 2004, in dem es mit dreizehn Siegen das zweitschlechteste Ergebnis der Karriere gegeben hatte, holte Martillo ein Jahr später erneut die Kasta­ni­en aus dem Feuer, als ihm zunächst die Titelverteidigung im Prix du Muguet gelang, ehe er dann sei­ne glanzvolle Karriere mit Gruppe-Sieg Num­mer sechs im 72. Dar­ley Oettin­gen-Rennen (Gr. II) abschloss.

Mittlerweile ist schon der erste Nach­wuchs des im französischen Haras des Chartreux als Deckhengst aufgestellten Champi­on­-Meilers zur Welt gekommen. Vervollständigt wurde die letzte Er­folgs­sai­son von Ralf Suerland durch die beiden Listen-Siege von Kartago, der in Dort­mund und in Iffezheim unter Ad­rie de Vries seine große Veranlagung bewies.

Mit Austriaco war es 2006 eben­falls ein Höny Hofer, der den Hauptanteil der Bilanz beitrug, dies allerdings auf deutlich niedrigerem Ni­veau. So bedeutete dessen Ausgleich-II-Sieg in If­fezheim den Höhepunkt des Jahres, dem nur noch Phi­lan­der folgen sollte, der am Samstag die letzte Chan­ce bietet, um die Karriere des Trainers Ralf Suer­land mit dem 400. Sieg und damit einem Jubiläumstreffer abzuschlie­ßen.

Bis zum 15. April wird er noch täglich nach seinen vier verbliebenen Pferden schauen, über deren weitere Zukunft mehr oder weniger Klarheit herrscht. Au­ßerdem gilt es noch die Katzen zu versorgen, die er nicht im Stich lassen und deren Verbleib er geklärt wissen will. „Seitdem ich die Entscheidung ge­troffen habe, kann ich wieder schlafen“, meint Ralf Suerland, der in den ver­gangenen Wochen und Monaten so manche schlaflose Nacht gehabt haben dürfte, als die Zahl der Pferde mehr und mehr abnahm, die Kosten aber nicht.

„Ein Ausgleich IV-Pferd benötigt halt genau so viel und gutes Heu und Stroh wie ein Gruppe-Pferd, das ist eine altbekannte Weisheit“, so der Trainer. Um zu ergänzen, „2006 lief ja nicht mehr viel, die Kosten überstiegen die Er­trä­ge, man steckte ja nur noch rein. Ich habe jetzt die Notbremse gezogen. Und zu hoffen, dass irgendeiner ein Pferd zu mir in den Stall stellt und möglicher­wei­se noch einen Sonderpreis erwartet, darauf habe ich keine Lust.“

Als ihn zu Heiligabend die Nachricht ereilte, dass sich sein hoffnungsvoller Austriaco, in dem er einen mögliches Gruppe-Pferd sah, eine erneute Fissur zugezogen hat­te, worauf er in die Klinik musste, empfand er dies als Ko-Schlag. Der näch­ste Niederschlag folgte mit dem Weggang der Bona-Pferde mit Kartago an der Spitze. „Über die Gründe möchte ich nicht diskutieren, akzeptiere sie aber nicht.“

Dann ver­ließen die Pferde des Ge­stüts Norina den Stall. „Die Si­cher­heit der Pferde in meinem Stall sei nicht mehr gewährleistet, wurde mir vorgehal­ten“, so der Trainer, der für diesen Besitzer Star of King in Neuss an den Start gebracht hatte, der dort Zweiter wurde, „aber leider lahm ging.“

Die endgülti­ge Bestä­tigung für den Entschluss aufzuhören, lieferte der Weggang der Höny Hofer. Die Art, wie ihm das mitgeteilt wurde, fand er nicht in Ord­nung. Zuerst erhielt er eine SMS von Rüdiger Alles, dem Rennsport-Berater für die Höny Hofer Pfer­de, eine Viertelstunde später folgte das Fax mit dem Text: „Die personelle Si­tua­tion in Ihrem Stall veranlasst uns, sofort die Pferde abzuziehen.“

„Ich war geschockt, man überlegt zwei, drei Tage, was jetzt kommt. Doch dann habe ich die Entscheidung getroffen, war anschließend erleichtert und froh. Ich will jetzt nicht auf den Rennsport schimpfen, fühle mich aber fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Ich bin nicht todtraurig, eher happy, dass ich es nicht mehr brauche und den Stress los bin.“

Wie er sagt, ist er für alle Aufgaben im Rennsport offen, doch suche er nicht dringend einen Job. Er will erst einmal zwei, drei Monate Abstand gewinnen, wird sich morgens noch in Weidenpesch sehen lassen, z. B. bei Michael Try­buhl vorbeischauen und auch immer wieder in die Gestüte fahren. „Zu Hause ist es ruhiger, dann will ich schauen, was man in welchem Bereich noch ma­chen kann. Ich kann mich je­denfalls nicht so zurückziehen wie z. B. Heinz Jentzsch. Was Spaß macht, wer­de ich machen.“

Wichtig war ihm, was aus seinen Mitarbeiten wird. So hat Sohn Marvin bei Michael Trybuhl eine neue Anstellung gefunden, kann damit in Köln wohnen bleiben, wie auch die Auszu­bildende Vanessa Siegburg in Wei­denpesch ihre Ausbildung fortsetzen kann.

„Die Situation, die ich habe, gibt es bei anderen Kollegen auch. Die wissen nur nicht, was sie machen sollen. Vier, fünf Leute für ein Pferd, wie es früher üb­lich war, das geht heute nicht mehr. Ich habe das Glück gehabt, im­mer Grup­pe-oder Listen-Pferde zu haben“, blickt der Trainer zurück. Und Er­folge hat er mit ihnen gehabt, das ist unstrittig. Schließlich waren jeder drei­zehnte (!) Sie­ger, den er absattelte, in einem Gruppe- oder Listen-Rennen erfolgreich.

So trai­nier­te er mit Proud­wings eine Stute, die als erstes in Deutschland gezo­ge­nes und auf­ge­wachse­nes Pferd ein Gruppe-Rennen in England gewann. Er ist auch der ein­zige Trai­ner neben Heinz Jentzsch, der ein Rennen in Japan ge­wann. Stich­wort Japan. Da leuchten die Augen, wenn die Rede noch einmal auf den Tri­umph von Proud­wings („ein Traum“) in einem Altersgewichts­ren­nen vor 150.­000 Zu­schau­ern in Tokio kommt, der mit dem Gewinn von 440.­000 DM ver­bun­den war.

Diesen Triumph zählt er zu den größten Momenten seiner Trai­ner­lauf­bahn, genauso wie den Sieg von Martillo im Porsche-Preis in Hoppe­gar­ten, als Massenbesuch herrschte und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Besuchern zählte. Wer Martillo sagt, muss auch Jo­ckey Wil­liam Mongil nennen, den früheren Stalljockey des Aga Khan, dem er nach „Ju­gendsünden“ in Frankreich, die ihm den Job gekostet hatten, und er­folgreichem Auf­enthalt in Ma­cau den Weg nach Deutschland und damit zu zahl­reichen großen großen Er­fol­gen verhalf.

Als Erfolgsstory erwies sich auch der Werdegang von Prou­dan­ce, der einst für 9.000 Euro erworben wurde, vier Rennen, darunter ein Grup­pe-Rennen und rund 110.000 Euro gewann. „Er war zudem zweimal in Dubai platziert, verdiente dort rund 40.000 Euro, doch war anschließend die Luft raus, worauf ich als Trainer nicht mehr für gut genug befunden wurde und das Pferd ver­lor. Dankbarkeit gibt es wohl in Deut­schland nicht“, tut Ralf Suerland die­ses Kapitel ab.

Mit Proudwings ge­wann Suerland Rennen in fünf Ländern (Deut­schland, Italien, Frankreich, Eng­land und Japan). Der Tag der Arbeit am 1. Mai erwies sich in den Jahren 2001, 2004 und 2005 als Tag des Triumphes, als der über die Meile führende Prix du Muguet dreimal gewonnen wurde, be­gon­nen mit der großartigen Proudwings und abgeschlossen mit dem nicht min­der erfolgreichen Martillo.

Gesehen hat er zahlreiche große Rennsport-Metropo­len, weilte in Tokio, Hong Kong, Dubai oder Ascot, wo sich Martillo mit Platz drei glänzend aus der Af­färe zog und der Trainer der offiziellen Kleiderordnung entsprechend und Frack und Zylinder erschien. „Der Hengst hat sechs Gruppe-II-Rennen ge­wonnen. Dennoch wurde dann hintenrum gesagt, wenn er bei einem ande­ren Trainer gestanden hätte, hätte er auf auch Gruppe-I-Ebene gewonnen“, schüttelt der Trainer den Kopf.

Als beste Pferde nennt er Martillo und Proudwings, „wobei die Stute nach GA sogar noch höher steht. Schließlich hat sie ja auch ein Gruppe-I-Rennen ge­won­nen“, erklärt Ralf Suerland, womit er auch gleich bei der größten Ent­täu­schung der Karriere ist.

Die galt es 19. August 2001 zu verkraften, als Proud­wings als Siegerin des Prix de Jacques le Marois unter Christophe Soumillon wegen Be­hin­derung auf den letzten Platz zurückgestuft wurde. Seit diesem Tag genießt der gebürtige Belgier und mehrmalige französischen Champion wenig Sym­pa­thien bei dem Trainer, der seinen Stall als ideal für einen jungen Trainer be­zeichnet.

„Früher standen sie Schlange, wenn hier in Köln ein Platz frei wur­de. Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert und es findet sich kaum noch einer. Aber wer geht das Risiko angesichts der derzeitigen Lage im Rennsport auch noch ein? Dabei ist alles vorhanden, Silo, Führ­maschine, Sattelzeug, alles komplett. Ansonsten gibt es den Ausverkauf, doch lieber wäre ihm ein Nachfolger, denn dann wären auch die Katzen ver­sorgt.

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