HANSEN-STORY

Es ist möglicherweise der bislang heißeste Tag des Jahres. Schon in den Morgenstunden Temperaturen von über 30 Grad. Wer sich zu dieser Zeit in der City oder in einem nicht-klimatisierten Büro aufhalten muss, ist arm dran. Doch es gibt auch angenehme Aufenthaltsorte bei diesen schweißtreibenden Verhältnissen. Das Stallgelände auf der Gegenseite der Neusser Galopprennbahn zum Beispiel.

Schon lange wollten wir den Stall von Trond Hansen einmal besuchen, vor zwei Jahren fast komplett neu erbaut. Und bereits der erste Eindruck verheißt viel Gutes – man ist hier in einer Oase der Ruhe und Idylle angelangt. Alles wirkt neu, alles scheint picobello gepflegt. Man kommt zu der These, dass es für Pferde sicher nicht übel sein muss, hier beheimatet zu sein.

50 Boxen beträgt die Kapazität, 30 Kandidaten sind derzeit untergebracht. In einem Quartier, das den Namen Stall Erftaue GmbH trägt. Erbaut von Dieter „Didi“ Ulbricht, der jede Minute ein Vielfaches seiner Freizeit hier verbringt. Geschäftsführer ist Raimund Dellweg, auch Besitzer.

Bei einem Trainings-Eldorado in Deutschland denkt man eigentlich zuallererst an Köln mit seiner Umzahl an Cracks. Neuss kommt da bei vielen erst in zweiter Linie in Betracht. Die wendige Bahn am Hessentor assoziiert so mancher zu Unrecht mit einem Karrussellkurs, auf dem man kein Klassepferd vorbereiten könnte. Ähnliches hat auch ein prominenter Besitzer noch vor Jahren so gesagt. Diese Stimmen werden allerdings immer leiser.

Trond Hansen: „Es ist ein Mythos und Vorurteil, dass man in Neuss keine Rennpferde trainieren kann. Das Gegenteil ist der Fall. Das hat die Vergangenheit bewiesen. Auch wir hatten hier an Kreuzkönig, unserem ersten Star, einen Crack. Man darf aber auch eine tolle Steherin wie Estarana nicht vergessen.“

Und der Norweger, hier von 1988 bis 1990 und wieder seit 1992 ansässig, begründet seine Sicht der Dinge: „Es ist eine optimale Bahn. Wir haben zwei verschiedene Sandbahnen und eine Grasbahn, die selten benutzt wird und wie ein Teppich ist. Das Verhältnis zu sämtlichen Kollegen könnte besser nicht sein. Und dann schätze ich diese Ruhe hier.“ Einem herzkranken Besitzer soll es seit seinen Besuchen hier (das ist kein Scherz) gesundheitlich wesentlich besser gehen.

Und der Erftaue-Stall kann sich optisch und funktionell in Deutschland mehr als sehen lassen. Hansen: „Er wurde von professionellen Leuten aus Belgien gebaut. Vorbild ist ein Stall in Dubai. Die Luft kann zirkulieren, Sie werden hier kaum Fliegen sehen. Es kommt viel Licht in die Boxen. Einige streichen mein Futtermeister und ich gerade neu.“

Grün und weiß sind die beherrschenden Farben. Zum Equipment gehören ein großes Heu- und Strohlager, eine Haferquetsche im sogenannten Paradestall, hinzu kommen die Außenstallungen und der Stutenstall.

Die Führmaschine bezeichnet Trond Hansen als „sehr große Hilfe im Trainingsalltag“, schätzt auch die Tatsache, dass man hier in Neuss das ganze Jahr über durcharbeiten kann. Und dann stehen für die Pferde ein Solarium, eine Magnetfelddecke sowie eine „Waschstraße“ zur Verfügung, auch zwei große Weiden dienen der Erholung.

Hinzu kommt der „Sozialbereich“ mit einer Wohnung, Büro, Aufenthaltszimmer. „Ich habe hier eine verdammt gute Mannschaft. Und dieses Team ist meist schon über viele Jahre zusammen“, berichtet der Coach. Ein Stalljockey wird derzeit nicht verpflichtet, „doch für uns reiten die besten Jockeys. Mit William Mongil gibt es eine mündliche Vereinbarung. Andrasch Starke sitzt häufig im Sattel. Viele Top-Reiter rufen bei uns an und wollen die Pferde reiten.“

Und dann könnte die Verkehrsanbindung kaum besser sein, ist der Stall von der Autobahn schnell zu erreichen, liegt nie weiter als 45 Minuten von den anderen NRW-Bahnen entfernt.

Zustande kam dieses Vorzeige-Quartier kurz nach der Trennung zwischen Hans Gläser und Trond Hansen. „Dieter hat mir geholfen“, erzählt Trond Hansen. „Wir haben erst den alten Holzstall abgerissen und dann diesen Stall erstellt, der erste in Deutschland auf Betonbasis“, fügt Ulbricht an.

„In Neuss liegt so viel Potenzial, auch durch die Sandbahn und Flutlichtanlage. Unser Ziel war, diesen Trainingsstandort weiter nach oben zu bringen. Wir haben sechzig neue Boxen gebaut, dreizehn dem Reiter- und Rennverein zur Unterbringung der Gastpferde zur Verfügung gestellt. Das Verhältnis zum Verein ist optimal. Herr Dr. Koenemann leistet als Geschäftsführer tolle Arbeit.“

Sogar Heinz Pferdmenges lässt Pferde hier vorbereiten, wie Lucien oder Noreen. Gerade vor wenigen Tagen ist Dirk Grauert mit seinem Stall Mydlinghoven dazugestoßen, sicherte sich Larkin und Last Dance, wobei Letztgenannter für Hindernisrennen nach Frankreich zu Francois Doumen wechselte.

Und Trond Hansen freut sich über die Zusammenarbeit mit dem hocherfolgreichen Eigner (Laveron, Noel): „Herr Grauert war vor wenigen Tagen hier und hat gesagt, er hätte sich nie vorstellen können, dass es in Neuss solch ein Paradies gibt.“

Auch zu Trainern wie Andreas Schütz, Andreas Trybuhl, Norbert Sauer, Werner Baltromei, Jan Pubben oder Holland-Besitzer Lucien van der Meulen pflege man einen sehr guten Kontakt, wie Ulbricht betont.

Sogar das Haras du Logis fungiert bei einem Pferd als Co-Besitzer. Neben Raimund Dellweg, Hans-Dieter Ulbricht und Erika Hense (ihren Elando liebt der ganze Stall) zählen auch der Stall Nesseltraum mit der guten Suvretta, der sehr passionierte Harry Koehne aus Düsseldorf zu den Kunden der Erftaue-GmbH, oder Friedhelm Ubber, der übrigens bei der BBAG-Jährlingsauktionen einen rechten Bruder von Monos anbietet.

Eng arbeitet man mit dem Gestüt Erftmühle der Familie Hönning (in unmittelbarer Nachbarschaft von Schlenderhan) zusammen. Natürlich wünschte man sich eine volle ausgelastete Kapazität. „Unser Traum wären 50 Pferde hier“, sagt Hansen. „Aber in der heutigen Zeit ist der Kampf um neue Besitzer nicht einfach. Ich habe großen Mumm auf vier Zweijährige, Golden Millennium, Ardito, Noreen und Taggs King. Bei den Älteren setze ich viel Vertrauen in Larkin, Royal Fire und Glückslicht, mit der wir gerne Black Type schaffen würden. Zur Zeit habe ich nicht viele Starter, lasse ihnen Zeit, um ihre Batterie aufzuladen. Denn achtzig Prozent brauchen eher weichen Boden.“ El Tiboron könnte im Herbst auf die Hindernisbahn wechseln, ist bereits eingesprungen worden.

15 Treffer stehen in einer mehr als ansehnlichen Saison bereits auf dem Hansen-Gewinn-Konto. „30 Treffer sollten es werden. Es müsste noch einiges drin sein“, sagt der Trainer, der seit 45 Jahren mit Pferden zu tun hat, schon 25 Jahre als Trainer arbeitet. „Als Jockey wurde ich zu schwer, habe nur zwanzig Rennen gewonnen.“

Als Coach kann der in Kaarst lebende Norweger stolze 500 Siege in Skandinavien, 318 in Deutschland vorweisen.

Für Hobbys bleibt da kaum Zeit. „Am Wochenende bin ich auf der Rennbahn, an den anderen Tagen im Stall.“ Doch in solch einem angenehmen Ambiente zu arbeiten, macht sicher Spaß.

„Ich kann nur alle Interessenten einladen, bei uns vorbeizukommen und sich unser Quartier anzuschauen“, sagt Trond Hansen. Wem dies nicht möglich ist, der kann sich auf der in dieser Woche fertiggestellten Homepage www.stall-erftaue.de einen Einblick verschaffen. Und sich davon überzeugen, dass der „Mythos“, in Neuss könnte man keine Rennpferde vorbereiten, ein Märchen ist.

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