Galopprennbahn Bremen, 27. Oktober. Widrige Bedingungen, Land unter auf dem Geläuf, nur wer ganz weit außen in der Nähe der Sandbahn galoppierte, hatte eine Chance zu gewinnen. Schließlich das Hauptereignis, der Große Preis der Freien Hansestadt Bremen. Mehrere Dreijährige am Start, teilweise geschonte Pferde. Doch nach 1600 Metern setzt sich der älteste Kandidat durch, hatte mit acht Längen Vorsprung als Achtjähriger der Konkurrenz die Eisen gezeigt, hatte seinem Jockey Alexander Pietsch den ersten, sich selbst den zweiten Gruppe-Treffer beschert: Up and Away, “Turf-Methusalem” aus dem Stall von Erika Mäder, eines der erstaunlichsten Pferde hierzulande.
Denn seitdem er dreijährig ist, läuft der Le Glorieux-Sohn mit einem Chip am Vorderfußwurzelgelenk, doch scheint ihm das nicht viel auszumachen. Nach einem nichtssagenden Start als Zweijähriger (Mäder: “Er hatte sich damals sehr hengstig aufgeführt”) gelang beim dritten Versuch als Dreijähriger 1997 in Köln (dazwischen lag die Chip-Geschichte) der langersehnte Maidentreffer, damals noch mit Lutz Mäder gegen Trikeri und Pergamos.
Mit einem GAG von 62,5 Kilo ging es in die Vierjährigen-Kampagne, wurde allerdings im Handicap einige Male über, wie sich herausstellte, zu weite Distanz (2200 Meter) aufgeboten. Doch bald begann der Marsch durch die Handicaps, allein 1998 ging Up and Away fünfmal “auf und davon”, holte sich beim Leger-Meeting in Dortmund einen Ausgleich I. 74.200 DM flossen in jener Saison auf sein Gewinn-Konto.
“Als Fünfjähriger war er zunächst Zweiter im Frühjahrs-Ausgleich in Köln, qar dann auch im Listen-Rennen Vierter, bevor er in Baden-Baden Nasenbluten bekam”, rekapituliert seine Betreuerin. “Er war schon immer sehr formbeständig, überzeugte auch in Hamburg als Dritter, lief dann im August im Ostermann-Pokal erstmals auf Gruppe-Ebene. Als Dritter hat er sich hinter Miss Tobacco und El Divino sehr gut verkauft. Auch im Preis von Schlenderhan in Baden-Baden und in der Europcar-Meile in Köln gefiel er sehr, danach in Düsseldorf war er aus dem Leim.”
Und zu Beginn des Jahres 2000 startete Mäder einen weiteren Versuch. “Wir haben es noch einmal auf 2000 Metern probiert, haben gedacht, das wäre vielleicht besser”, erläutert sie. Nach reichlich Platzierungen in Listen-Rennen und Ausgleich I war sicher Rang zwei hinter Slip Stream in der Berlin-Brandenburg-Trophy ein weiteres Highlight. Schließlich zeigte er den Gegnern im Preis von Schlenderhan in Iffezheim die Eisen, zeigte sich auch später auf Kölner Gruppe-Parkett als Dritter von bester Seite.
“Wie eine Rakete” (O-Ton Erika Mäder) legte er im Vorjahr los, holte sich hintereinander zwei Listen-Rennen in Köln (mit Andrasch Starke bzw. Lennart Hammer-Hansen). Und auch ausnahmslos alle Starts der nächsten Monate verliefen großartig. Die Trainerin fasst zusammen: “In Chantilly war er Zweiter im Gruppe III-Rennen, gewann in Hamburg ein großes Listen-Rennen, danach war er zweimal Dritter in der Berlin-Brandenburg.Trophy und der Jaguar-Meile, gewann schließlich mit dem Oettingen-Rennen seine erste Gruppe-Prüfung in Baden-Baden nach hartem Kampf gegen Touch Down. Im e-Plus-Preis in Düsseldorf haben wir es von der Spitze versucht, die 1700 Meter wurden ihm am Ende etwas weit, aber letztlich war nur Peppercorn vor ihm.”
Auf seiner Libelingsbahn Köln erklomm Up and Away auch beim Jahresdebut 2002 die Top-Sprosse auf dem Siegertreppchen, schnappte in der Frühjahrs-Meile zum zweiten Mal zu, zog sich dann zweimal in Mailand auf Listen- bzw. Gruppe-Level ansprechend aus der Affäre. Leichte Ernüchterung machte sich in Hamburg breit, doch hatte er einen Infekt, wie man später herausfand. “In Baden-Baden ging er im Oettingen-Rennen, in dem er Vierter wurde, etwas zu weit hinten”, glaubt seine Chefin, die es dann in der Oppenheim-Meile in Köln versuchte. “Dort kam er mit der losen, kaputten Bahn nicht klar, wurde Vorletzter.
Nicht wenige hatten ihn schon abgeschrieben, dachten dieser Wallach (die Kastration bewirkte den großen Leistungssprung) Up and Away sei über seinen Zenit hinweg. Doch dann belehrte er alle Zweifler mit seinem 181:10-Coup in Bremen eines Besseren. “Wir haben überlegt, ob wir ihn überhaupt noch einmal laufen lassen sollen, da sein Fell schon nicht mehr optimal war. Er ging aber in der Arbeit sehr gut, und seine Besitzer vom Stall Arc haben ihr Okay gegeben”, berichtet Erika Mäder.
“Als ich die Bahn gesehen habe, dachte ich oh mein Gott, hoffentlich bleibt er gesund. Wir haben ihm vorher eine dicke Decke aufgelegt, sind erst spät in den Führring. Es war eigentlich ein irreguläres Rennen, der Junge hat ihn toll geritten. Ich hatte ihm gesagt, dass er selbst die Initiative ergreifen sollte, wenn keiner gehen würde. Und da auch ein Spitzenmann wie Andreas Suborics außen ging, musste an dieser Spurenwahl etwas dran sein. Alexander Pietsch hat ihn an der Kante der Grasbahn galoppieren lassen, Up and Away war mit dem halben Bein auf der Sandbahn.”
Dabei war man durch Zufall auf Pietsch aufmerksam geworden. Erika Mäder: “Ich habe Jens Hirschberger angerufen und SOS gegeben, da ich keinen Reiter hatte. lennart Hammer-Hansen war verletzt, Adrie de Vries musste in Neuss reiten. Ich hatte keine idee mehr. Da hat er mit Alexander Pietsch vorgeschlagen.”
Nun geht Up and Away, bei 48 Starts bislang 13mal erfolgreich und 26mal platziert, verbunden mit einer Gewinnsumme von 364.820 Euro, in den verdienten “Winterschlaf”. “Er hat gleich wieder Tüten von Nimm 2-Bonbons verspeist, die frisst er sackweise”, sagt die Trainerin, die nur bei der Rückfahrt aus Bremen im Zug noch feiern konnte. “Wir saßen im Speisewagen, der Zug ist umgeleitet worden. Wir standen wegen des Orkans ewig in Münster. Up and Away war lange vor mir zu Hause. Er ist schon ein ganz besonderes Pferd.”
Auf die Frage, ob man ihn auch als Neunjährigen im Einsatz erleben wird, lässt die Antwort nicht lange auf sich warten. “Natürlich läuft er noch, wird, wenn er sich wohl fühlt, die gleiche Route gehen, beginnend in Köln. So lange er Spaß hat, gibt es keinen Grund aufzuhören. Bei uns bekommt er auch einmal sein Gnadenbrot.”
Zumal Erika Mäder gerade mit älteren Pferden seit Jahren einen Riesen-Job macht. Man denke nur an solche Cracks wie Tres Heureux oder Bin Shaddad. “Ich wehre mich allerdings dagegen, dass es heißt, ich könnte keine Zweijährigen trainieren. Ich liebe gute, frühe Zweijährige, hatte nur selten das Glück, welche im Stall zu haben. Wir haben auch Auktionsrennen gewonnen, aber die Pferde müssen sich auch anbieten. Nicht umsonst werden die Pferde bei uns alt.”
Wie der erstaunliche Up and Away, über den Erika Mäder abschließend noch eine ganz besondere Episode berichten kann: “Er ist unser Haus- und Hofhund. Ich gehe mittags mit ihm spazieren. Wenn ich seine Box öffne, rennt er immer hinter mir her.” Keine schlechte Vorbereitung, um auch im Rennen schnell zu laufen. Siehe Bremen.