Bruno Faust und seine Bargeld-Lady Sacarina

Die Frage kam während einer Gestütsbesichtigung im Rahmen der Einweihungsparty von Park Wiedingen: „Und, Herr Faust? Haben Sie bei sich auch so viele Bäume wie hier?“ Bruno Faust, Besitzer des Gestüts Karlshof, gab die passende Antwort: „Ich züchte Rennpferde, keine Bäume.“ Natürlich die Zigarre zwischen den Mundwinkeln. Selbstverständlich nicht verlegen, direkt auf den Punkt zu bringen, was er meint und wie er denkt. Das ist Markenzeichen des Frankfurters. Markenzeichen eines Mannes, der sich am Diana-Sonntag endgültig in der Champions League der deutschen Züchter etabliert hat.

Denn was zuvor in der jüngeren Vergangenheit nur die Ammerländerin Britannia und die Ittlingerin Laurea geschafft hatten, hat nun auch die Karlshofer Zuchtstute Sacarina geleistet. Alle drei verbindet ein „klassisches Gruppe I-Doppel“. Allein drei ist es gelungen, zwei Nachkommen auf die Welt zu bringen, die in einem Klassiker mit Gruppe I-Status nicht zu schlagen waren.

Borgia und Boreal, Lando und Laroche: Beide Geschwister-Paare fuhren für ihre Züchter in Hamburg klassische Ehren ein, beide Paare waren in ihren jeweiligen Jahren die Triumphatoren von Horn, Sieger auf klassischem Derby-Parkett. Durch Salve Regina kann das nun auch Sacarina für sich in Anspruch nehmen. Nach Samums Millennium-Sieg im Blauen Band gewann Salve Regina zwei Jahre nach ihrem großen Bruder das Pendant für die Ladies, erntete auf dem Mülheimer Raffelberg klassische Lorbeeren. Und ist nach drei Starts noch ungeschlagen.

Natürlich darf in dieser Auflistung der Top-Mutterstuten des deutschen Turfs auch Spirit of Eagles nicht fehlen, stellte sie doch mit Silvano und Sabiango ebenfalls zwei Gruppe I-Pferde. Aber eben nicht auf klassischem Rasen. Es sind Pferdeladies, die durch ihre Nachkommen Züchter- und Besitzerträume wahr werden ließen, die deutsche Turfgeschichte schrieben und immer noch schreiben. Die Geschichte von Sacarina begann seinerzeit auf der Badener Herbstauktion. Unmittelbar, nachdem der Katalog für die Sales in Iffezheim erschienen war, hatte sich Faust eine Fuchsstute ausgesucht, hatte sich Sacarina ganz dick angestrichen.

Doch als die Stute in den Ring kommt, erhält Faust nicht den Zuschlag, muss erschrocken zusehen, wie Sacarina schnell wieder den Ring verlässt. Es war nicht so, dass er nicht aufgepasst hatte. Vielmehr hatte der 59jährige damit gerechnet, dass Sacarina einen wesentlich höheren Preis erzielen würde. Aber es war ja noch nichts verloren: Fausts Rettung kam durch das Mikrophon der BBAG: „Dafür geht es leider nicht.“

Sacarina ging zurück, hatte den Reservepreis nicht erreicht. Faust springt von seinem Sitz, geht direkt zu Besitzer Friedhelm Tietjen und macht den Deal perfekt. In bar bezahlt er die damals Dreijährige, kann kaum fassen, dass er zu einem noch vierstelligen Betrag das dicke Kreuz in seinem Katalog erwerben kann. Es sind die unglaublichen Geschichten des Rennsports, die vierbeinigen Lottogewinne, die alle Jahre wieder einmal Einzug in den Turf halten.

Für einige Hunderttausend Euro hat Faust mittlerweile Sacarina-Nachkommen an den Mann gebracht. Im Vergleich zu dem Spottpreis, den er einst investierte, ist das ein Return of Investment, den man sogar zu besten „Dot-com-Boomzeiten an der Börse wohl nur schwer hätte realisieren können. Doch Glück hat wahrlich nicht nur Faust als Käufer der Zuchtstute, sondern auch die, die seinen Angeboten vertrauen.

Denn die Zuchtkarriere der Fuchslady geht explosionsartig los. Am 21. März des Jahres 1997 kommt gut 20 Autominuten von Frankfurt entfernt ein Fohlen von Monsun zur Welt. Wer an diesem regnerischen Märztag damals prophezeit hätte, dass dieses Pferd einst das Deutsche Derby in einer Art und Weise gewinnen würde, von der noch spätere Generationen sprechen werden, den hätte man wohl für verrückt erklärt. Doch aus diesem kleinen Fohlen wurde der große Samum. Einer der Größten, die das Horner Moor jemals mit Siegesschleife verließen.

Produkt Nummer zwei war Sandino, der ebenfalls in den Farben des Stalles Blankenese von Hamburgs Renn-Club-Präsident Franz Günther von Gaertner startet. An die Erfolge seines älteren Halb-Bruders (Sandino stammt von Platini) kann er nicht anknüpfen, aber auch er wurde immerhin zu einem guten Handicapper, der bisher nur einmal nicht im Geld landete.

Und dann kam schon sie, Salve Regina. Am 1. März 1999 wird auf dem Karlshof die erste Vollschwester von Samum geboren. Bis zum 9. Juni 2002 war sie „nur“ die Schwester des großen Derbysiegers. Doch aus dessen Schatten ist Salve Regina seit jenem Tag in Mülheim herausgetreten, geht nun mit besten Chancen nach Hamburg und könnte den Big Brother sogar übertrumpfen. Für Besitzer Manfred Hellwig, Besitzer des Gestüts Höny-Hof, ist mit Salve Regina jedenfalls der Traum von einem klassischen Sieg schon in Erfüllung gegangen.

Nur kurz vor dem Diana-Sieg der Monsun-Tochter ist bei Champion-Trainer Andreas Schütz die zweijährige Sasuela eingezogen. Produkt Nummer vier aus der Sacarina. Ihr Vater ist Dashing Blade. Auf Gruppejagd wird sie im Gegensatz zu ihren Geschwistern für den Karlshof selbst gehen, wurde vom Züchterchampion des Jahres 2000 nicht verkauft. Denn irgendwie muss der Familienstamm der Sacarina ja auf dem Karlshof gehalten werden, und so musste irgendwann eine Stute in Karlshof-Besitz bleiben.

Samums erster Vollbruder hört auf den Namen Schaljapin, wurde knapp ein Jahr nach Sasuela geboren und vergnügt sich derzeit noch auf den Koppeln seiner Aufzuchtstätte. Der Besitzer von Schaljapin, dessen kleine Schwester (ebenfalls von Monsun) vor drei Monaten zur Welt kam, ist im übrigen wieder Franz-Günther von Gaertner, der sich auf der Koppel in das Pferd verliebt haben soll.

Von drei Produkten auf der Rennbahn haben zwei bereits in bester Gruppe-Gesellschaft zugeschlagen, ließen in der Eliteliga der Galopper ihrer Gegnerschaft keinerlei Chancen. Und das nur, weil 1995 in Baden-Baden keiner außer Faust auf Sacarina aufmerksam geworden war, keiner die Stute haben wollte und Faust dann glücklicherweise auch genug Bargeld dabei hatte.

In der Gewinnsummen-Rangliste ihrer Nachkommen liegt Sacarina in dem angesprochenen Zucht-Vierer zwar noch an letzter Stelle, haben ihre drei „Konkurrentinnen“ vor allem durch Borgia (Hong Kong Vase-Siegerin), Lando (Japan-Cup Gewinner) und Silvano (Arlington Million- und Queen Elizabteh II Cup-Sieger) im internationalen Turfzirkus einiges mehr eingaloppieren lassen. Wenn man Bruno Faust jetzt fragen würde, ob sich das noch ändern wird, so würde die Antwort sicher in typischer Faust-Manier ausfallen: Bei Samum und Salve Regina geht es noch weiter. Außerdem kommen ja noch andere, ganz sicher.

Etwa so würde der Züchter wohl optimistisch antworten, dabei von Hamburg-Horn und der Rennbahn Longchamp im Bois de Boulogne in Paris träumen. Darf er auch. Denn er gehört zu Deutschlands Topzüchtern. Bewiesen wird das von seinen Schützlingen auf den Hippodromen des Landes. Und eines ist sicher: wer einmal eine Sacarina aus dem Ärmel zaubert, der ist immer wieder für Gruppe-Coups gewappnet.

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