Andre Best

Sport-Welt: Vor einigen Wochen haben Sie Ihr Karriereende bekanntgegeben. Mit 53 Jahren nicht ungewöhnlich, aber für den einen oder anderen vielleicht doch überraschend…

Andre Best: …wirklich? Tatsächlich habe ich mich schon im Laufe des letzten Jahres mit dem Gedanken angefreundet. Es war der richtige Zeitpunkt aufzuhören. Ich war mittlerweile einer der Ältesten in der Jockeystube. Ich glaube, neben Adrie de Vries und Andreas Helfenbein sogar der dienstälteste Jockey.

Sport-Welt: War es nur das Alter oder gab es auch andere Faktoren, die Ihre Entscheidung beeinflusst haben?

Andre Best: Es gab durchaus mehrere Faktoren. Das Alter ist das eine. Andere Sachen waren auch die langen Fahrten, die Zeit, die man im Auto verbringt. Das zermürbt einen irgendwann. Außerdem hatte ich auch zuletzt nicht mehr so viele Ritte. Dazu kamen die vielen Unfälle. Ich habe in den letzten Jahren kaum eine Verletzung ausgelassen. Das war einfach nicht mehr das Gelbe vom Ei.

Sport-Welt: Sie sprechen die weniger gewordenen Ritte an. Es mangelte also auch an Unterstützung?

Andre Best: Ich hatte ja nie einen großen Stall im Rücken, habe mich immer mit kleinen Trainern durchgeschlagen. Aber ich habe fast 1.200 Rennen gewonnen und musste auch niemandem mehr etwas beweisen. Wenn das nicht ausreicht, um meine Qualifikation zu beweisen, dann weiß ich es auch nicht. Es gab auch Besitzer, die haben mich nicht mehr auf ihre Pferde gesetzt, weil sie meinten, ich hätte vor Jahren mal falsch geritten. Sie konnten mir aber fast nie sagen, was sie genau meinten. Klar ist man mal mit einem Pferd eingeklemmt oder findet keine Lücke. Aber meinen die Leute wirklich, wir machen das mit Absicht? So etwas habe ich mir auch nie lange zu Herzen genommen.  Ich habe jetzt meinen Frieden mit meinem Karriereende geschlossen. Jetzt kann ich die Wochenenden mit meiner Frau genießen und Dinge tun, für die bisher keine Zeit war. Ich habe zu meiner Frau schon gesagt ‚pack die Wochenenden voll‘. Und da freue ich mich jetzt einfach drauf.

Sport-Welt: Die Verletzungen sprachen Sie ebenfalls an. Wie war es, jedes Mal wieder zurückzukommen zu müssen?

Andre Best: Zuletzt hatte ich einen Beckenbruch, davor brach ich mir den Halswirbel, als ich von Dynamite Star gefallen bin. Beim Sturz von Marientaler habe ich mir die ganze linke Seite zerstört. Ich war durch die Verletzungen immer lange raus, aber ich bin nie mit einem unguten Gefühl zurück in den Sattel gekehrt. Ich habe mir nie den Mut und die Unbeschwertheit nehmen lassen.

Sport-Welt: Wenn Sie zurückblicken. Was hat Ihre Karriere ausgemacht? Oder anders gefragt: Was hätten Sie gerne erreicht, es aber nie geschafft?

Andre Best: Das Deutsche Derby zu gewinnen. Ich denke, das sagt jeder, der es nie gewinnen konnte. Selbst ein Peter Schiergen hat es als Jockey nie geschafft und Terry Hellier hat es auf den letzten Drücker gewonnen. Im letzten Jahr wäre um ein Haar Andreas Helfenbein an der Reihe gewesen. Aber ich war immer ein Jockey, der etwas unter dem Radar geflogen ist, war selten ganz oben. Natürlich hätte ich auch gerne meinen letzten Ritt mit einem Sieg beendet, aber das ist eher eine Sache, die für mich wichtiger gewesen wäre als für andere, und um jeden Preis musste das auch nicht sein.

Sport-Welt: Das Deutsche Derby haben Sie nicht gewonnen, dafür aber andere große Rennen. Was waren Ihre Highlights?

Andre Best: Natürlich die Siege mit Kornado, mit dem ich 1993 das Union- und Mehl-Mülhens-Rennen gewinnen konnte. Im gleichen Jahr gewann ich zudem mit Pinot das Deutsche St. Leger. Auch der Sieg mit Diamond Dove in der Winterkönigin war ein echter Höhepunkt. Und die Geschichte mit Kellahen, den ich von einem No Name bis hin zu einem Pferd für das Deutsche Derby begleitet habe, war ebenfalls eine tolle Sache. Mit ihm gewann ich auch das Derby in Österreich. Vielleicht eine Art Trostpflaster für das nicht gewonnene Deutsche Derby.  

Sport-Welt: Man erinnert sich auch an das Jahr 2017, als Sie zweimal für Godolphin ritten. Mit Discursus gewannen Sie ein Listenrennen und mit Agathonia wurden Sie Listen-Zweiter…

Andre Best: …das war auch noch einmal so ein Highlight. Es gibt nicht viele deutsche Jockeys, die diese Farben tragen durften. Das war wie ein Ritterschlag, und dann auch noch diesen Kistenritt zu verwandeln. Das hätte ich mir im Leben nicht erträumt. Nach dem Sieg haben sie mich dann noch einmal draufgesetzt. Und ich hätte ein weiteres Mal für Godolphin reiten können, aber ich verpasste die Gelegenheit, da ich mich in der Morgenarbeit bei Peter Schiergen verletzte. Das Godolphin-Pferd hat in Dortmund gewonnen, wie auch zwei meiner anderen Ritte, für die ich vorgesehen war. Das zu sehen, war noch schmerzhafter als die Schultereckgelenksverletzung.

Sport-Welt: Und das schlimmste Erlebnis, wenn man die Verletzung einmal außenvorlässt?

Andre Best: Das schlimmste Erlebnis? Das war vielleicht in Frankfurt zu Beginn meiner Karriere, als ich im Großen Preis der Steigenberger Hotels, einem Grupperennen, das Pferd Greifvogel verknallt habe. Ich habe den Stock falsch eingesetzt und das Pferd brach weg. Im Ziel war ich um Nase Zweiter. Gewonnen hat Iron Fighter von Horst Steinmetz. So etwas passiert und man darf solche Erlebnisse nicht zu nahe an sich herankommen lassen. Man ist immer nur so gut, wie sein letzter Ritt. Also muss man es beim nächsten Mal besser machen.

Sport-Welt: Alles in allem waren Sie über 30 Jahre dabei. Was hat sich in den drei Jahrzehnten für einen Jockey verändert?

Andre Best: Ich habe ja noch die Blütezeiten miterleben dürfen. Damals gab es in Deutschland Rennen am Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag. Mülheim hatte 15 Renntage, Köln 20. Allein im Westen gab es genug Verdienstmöglichkeiten. Heute fallen immer mehr Bahnen weg. Frankfurt oder Bremen zum Beispiel und oft gibt es nur einen Renntag am Wochenende. Da wird es dann schon mal eng mit den Ritten. Man ist auch gezwungen, weite Reisen für zwei oder drei Ritte zu unternehmen, weil man weiß, dass, wenn man das eine oder andere Pferd jetzt nicht reitet, beim nächsten Mal ein anderer draufsitzen wird.

Sport-Welt: Wird sich die von Ihnen beschriebene Situation Ihrer Meinung nach wieder verbessern oder muss man sagen, wenn es so bleibt, dann sollte man zufrieden sein?

Andre Best: Ich denke, wenn es so bleibt, dann wäre es schon ein Erfolg.

Sport-Welt: Dass Sie heute auf eine derart lange Karriere zurückblicken können, hängt maßgeblich mit dem Namen Bruno Schütz zusammen. Bei ihm haben Sie Ihre Ausbildung absolviert. Wie kamen Sie denn eigentlich auf den Berufswunsch Rennreiter? Gab es vorher schon Berührungspunkte mit dem Galopprennsport?

Andre Best: Nein, überhaupt nicht. Ich bin zu dem Beruf gekommen, wie die Jungfrau zum Kind, war aber immer tierlieb und mochte auch Pferde. Ich habe damals in der Sportschau einen Bericht gesehen, dass man Jockey-Nachwuchs sucht. Die Kinder wurden schon damals immer größer, und da habe ich an mir heruntergeschaut und gemerkt, dass es passen könnte. Ich war schon immer ein kleiner Pimpf und hatte Zeit meiner Karriere auch nie Probleme mit dem Gewicht. Bei mir hat es gereicht, wenn ich mich in die Wanne gelegt habe oder zwei Tage vor den Rennen nur etwas weniger gegessen habe.

Sport-Welt: Wie kam dann der Kontakt zu Bruno Schütz damals zustande?

Andre Best: Mein Vater war Maler und Lackierer und hatte bei Bruno Schütz gearbeitet. Er sagte, dass er einen Trainer kennt, also bin ich eines Morgens dahin und habe mich vorgestellt.

Sport-Welt: Ohne vorher einmal auf dem Pferd gesessen zu haben?

Andre Best: Ich hatte im Vorfeld zehn Reitstunden. Damals haben wir im Sauerland gelebt. Aber das Reiten habe ich tatsächlich erst richtig im Rennstall gelernt. Damals war auch Erika Mäder am Stall. Sie hat sich meine Hände angeschaut und meinte, dass ich ein Jockey werde.

Sport-Welt: Hatten Sie zu Beginn Ihrer Karriere ein Vorbild? Vielleich auch, was den Stil anging…

Andre Best: …Ich denke, was den Stil angeht, da habe ich meinen eigenen kreiert. Vorbilder waren Andrzej Tylicki, der eine Macht war, und Lester Piggott. Er war schon damals eine Legende.

Sport-Welt: Heutzutage wird die Sportschau kaum für den Jockey-Nachwuchs werben. Jetzt haben Sie Ihre Karriere beendet, andere werden folgen. Die deutsche Jockey-Elite ist etwas in die Jahre gekommen. Machen Sie sich Sorgen um den Nachwuchs?

Andre Best: Es ist dürftig, ja. Mit Leon Wolff und Sean Byrne haben wir aber zwei Lichtblicke. Und Rene Piechulek traue ich zu, ganz unabhängig von seinem Arc-Sieg, dass er die Lücke, die irgendwann entstehen wird, füllen kann. Dazu kommt zum Beispiel auch noch Martin Seidl, der ja auch noch jung ist. Aber in ein paar Jahren wird es schwierig und am Ende wird man auch nicht drumherum kommen junge Reiter aus dem Ausland zu holen.

Sport-Welt: Warum ist es so schwierig, neue Leute für den Beruf Rennreiter zu finden?

Andre Best: Es ist ein Knochenjob, der einem viel abverlangt. Du hast eine Siebentagewoche und feiern gehen ist am Wochenende nicht drin. In meinen Anfangsjahren gab es, wie gesagt, auch noch genügend Verdienstmöglichkeiten und ich konnte auf die zweiten Bahnen ausweichen. Spaßeshalber habe ich dann immer gesagt: ‚In der Provinz bin ich der Märchenprinz‘.

Sport-Welt: Sie könnten jetzt an den Wochenenden feiern. Das ist der Lohn nach all den Jahren. Aber dem Rennsport bleiben Sie ja treu…

Andre Best: …genau. Ich bleibe hinter den Kulissen und arbeite bei Henk Grewe. Ich bereite die Pferde nun für die Rennen vor. Das macht mir unglaublich viel Spaß und ich werde auch dabei bleiben, so lange ich aufs Pferd komme.

Sport-Welt: Eine letzte Frage: Ein Trainer Andre Best stand nie zur Disposition?

Andre Best: Nein. Das hatte ich zu keinem Zeitpunkt meiner Karriere im Kopf und das war immer das, was ich nie machen wollte. Man sieht ja, wie schwer es heutzutage ist, als Trainer zu arbeiten. Mit einem Stall von 15 Pferden ist da kaum etwas möglich.

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