„Wilder Wein mit eigenen Händen groß gezogen“

Letzten Sonntagnachmittag Haltern am See, 30 Kilometer von Münster entfernt. Die Spannung bei Eleonore (alle kennen sie nur unter Lore) Dickerhoff steigt, kurz nach 15.50 Uhr erfolgt der große Jubelschrei. Der von Lore Dickerhoff gezogene Wilder Wein steigt zum Sieger im Großen Preis von Engel & Völkers Düsseldorf – 92. Junioren-Preis auf. In den Farben des Gestüts Park Wiedingen stößt der von Markus Klug in Heumar trainierte und von Adrie de Vries gerittene Soldier Hollow-Sohn in der Distanz entscheidend vor, ist in dieser renommierten Zweijährigen-Prüfung am Pfosten noch in sehr sicherer Manier gegen De Charlie und Danny Boy voraus. Über den Rennsport-TV-Kanal hatte die Züchterin des Siegers Wilder Wein das Listenrennen empfangen, schaute es sich auf ihrem Großbildschirm im Wohnzimmer an. „Ich war hin und weg, wie der Bursche am Ende ja das schnellste Pferd war. Das war einfach nur großartig.“ Dass ihr als Züchterin eine Stunde später noch einmal ähnlich Großes widerfahren würde, konnte sie um kurz nach halb vier noch nicht wissen. Das ganz seltene Züchterdoppel JuniorenPreis/BBAG Auktionsrennen komplettierte für Lore Dickerhoff  Stall Nizzas von Christian von der Recke trainierter Amun. Mit Alex Pietsch im Sattel hielt der ebenfalls von Soldier Hollow stammende Hengst die Konkurrenten mit der Start-Ziel-Taktik knapp, aber sicher in Schach. Colomano und Dia Del Sol kamen dahinter auf die Plätze. „Ich hab‘ gedacht, ich träume“, schildert Lore Dickerhoff einige Tage nach ihrem großen Sonntag kurz und knapp ihre damalige Gefühlswelt.

„Den Hengst selber groß gezogen“
Für eine Züchterin, der mit zwei Mutterstuten ein derartiges Doppel gelingt, darf man dies getrost als ein ganz außergewöhnliches Ereignis bezeichnen. Dabei ist Lore Dickerhoff, früher unter Lore Zieger-Dickerhoff und während ihrer Zeit als Amateurreiterin unter Lore Brinkmann bekannt, schon seit ewigen Zeiten beim Sport. „Mein Großvater konnte sogar das Derby gewinnen. 1946 siege Solo im Münchner Derby in den Farben des Stalles Birkenhof, mein Großvater Josef Dickerhoff war auch der Züchter. Die Siegerschleife habe ich heute noch.“ „Infiziert“ vom Pferd sei sie so schon früh als Kind gewesen. Sie war eine recht erfolgreiche Springreiterin und saß als Amateurrennreiterin auf Vollblütern. Dann stieg Lore Dickerhoff ins Lager der Vollblutzüchter ein. Sie erinnert sich: „Die erste Mutterstute hieß Waitotara, war eine Habitat-Tochter und tragend von Entitled, ich habe sie auf der Quenhorn-Auktion ersteigert. Sie war nicht billig, kostete 110.000 Deutsche Mark. Doch das Produkt, Waitango, war auch ein sehr gutes Pferd. Er war später bei Uwe Ostmann in Training. Der gute Uwe hat mich auch noch am letzten Sonntagabend angerufen und hat mir zu den Zuchterfolgen gratuliert.

„Zweimal Soldier Hollow bitte“
Mit der Waitotara-Tochter Wind in her Hair – nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen allerdings von Alzao stammenden Aral-Pokal-Siegerin von 1995 – züchtete Lore Dickerhoff weiter. Der große Wurf blieb zunächst einmal aus, dann brachte die Turtle Island-Tochter Wind in her Hair 2014 Wilder Wein zur Welt, ging aber leider wenige Tage nach der Geburt nach einer Kolik ein. „Eine Amme war nicht zu bekommen, so habe ich den kleinen Hengst auf meinen Koppeln vor dem Haus selbst groß gezogen. Rund um die Uhr versorgte Lore Dickerhoff den jungen Hengst mit Fohlenmilch, achtete auf jedes Detail. „Das waren schon anstrengende sechs Monate, aber es hat sich voll gelohnt. Als Spielgefährten stellte ich ihm ein Pony zur Seite.“ Als Wilder Wein dank unermüdlicher Fürsorge und Einsatzes seiner Züchterin sieben Monate alt geworden war, teilte er sich von da an die Koppel mit seinem Zuchtgefährten Amun. Ihn hatte Lore Dickerhoff aus der Dashing Blade-Tochter Albula gezogen, als Vater zeichnet ebenfalls Soldier Hollow. „Ich hatte mir den Hengst in Auenquelle natürlich angeschaut. Er gefiel mir sehr, daraufhin habe ich zweimal Soldier Hollow gebucht“, so die Züchterin von Amun und Wilder Wein.

Amuns Mutter ersteigert
Ebenfalls über eine Auktion, allerdings über die BBAG-Herbstauktion, kam Amuns Mutter Albula in den Besitz von Lore Dickerhoff. 8.000 Euro hatte sie 2007 für die von Sholokhov tragende Stute aus der direkten Mutterlinie von Alpenkönig bezahlt. Albula hatte als Zweijährige bei ihrem Erstauftritt in Mailand gewonnen und verkaufte sich mehrfach in Listenrennen nicht verkehrt, wie zum Beispiel bei ihrem vierten Platz im Hoppegartener Auktionsrennen, ihre GAG-Marke belief sich auf 84 Kilo. In der Zucht lief auch bei ihr zunächst nicht viel, doch nun hat sie mit Amun offenbar einen Volltreffer gelandet. Auch Albula ist inzwischen abgetreten.
Ihre beiden Jährlinge, Wilder Wein und Amun, meldete Lore Dickerhoff für die BBAG-Herbstauktion des letzten Jahres an. Einige Monate zuvor übersiedelten beide Hengste auf den Römerhof um. Dort sollten sie für die Auktion vorbereitet werden. „Michael Andree und sein Team leisteten beste Arbeit. Wilder Wein ging in den Besitz des Gestüts Park Wiedingen über. Ich war sehr erfreut, dass Wilder Wein 43.000 Euro brachte. Aber der Hengst hatte sich auch sehr gut gemacht“, so Lore Dickerhoff. Aber auch über den 32.000-Euro-Zuschlag für Amun zeigte sich die Züchterin sehr zufrieden. Der Soldier-Hollow-Sohn ging in den Besitz des Stalles Nizza über.

Neue Mutterstute erworben
Nachdem die Mütter von Wilder Wein und Amun abgetreten waren, sah sich Lore Dickerhoff nach einer neuen Mutterstute um. Schließlich kam sie in den Besitz der Silvano-Tochter Saturday, einer vierfachen Siegerin, darunter Ausgleich II, aus dem Besitz von Uwe Zerrath. „Ihre Mutter ist Slade, die auf Listenebene erfolgreich war und auf ein GAG von 90 Kilo kam. Sie ist eine Halbschwester der klassischen Siegerin Shapira“,  bringt es die Züchterin von Wilder Wein und Amun über ihre Neuerwerbung auf den Punkt. Auch weiß sie schon, wer im kommenden Jahr der erste Partner für Saturday sein wird. „Ich habe mich für den in Etzean aufgestellten Amaron entschieden. Ein sehr gutes Rennpferd, ein Sohn von Shamardal. Mit Saturday als Lomitas-Enkelin gefällt mir dieser Cross“, so Lore Dickerhoff, die auch wieder einmal auf die Rennbahn kommen wird, wenn ihre Liebsten laufen. „Sollte Amun in Baden-Baden an den Start kommen, fahre ich dorthin. Und wenn Wilder Wein im Preis des Winterfavoriten läuft, möchte ich auch live dabei sein. Vielleicht schaffen es beide oder einer, einmal zum Gruppesieger aufzusteigen. So wie auch der von mir gezogene Gruppe III-Sieger White Lightning.“

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