Der Kontrast konnte kaum größer sein – am Sonntag Riesentrubel beim Prix de l‘ Arc de Triomphe, am Montag fast lautlose Stille auf dem fantastischen, 30 km nördlich von Paris liegenden Trainingsgelände in Chantilly. Aus dem dichten Morgennebel tauchte ein Lot von Andre Fabre auf. Der Trainer hoch zu Ross überwachte das Geschehen.
Später traf man sich wie vereinbart im Rennstall des Meisters. „Sie wollen sicher Manduro sehen,“ lautete die Frage. Und schon standen wir an der Box des Grasbahn-Weltchampions. Das verletzte Bein trug noch den Verband.
„Es geht ihm gut“, hörten wir. Andre Fabre streichelte kurz Manduros Hals. Draußen drehte der frisch gekürte Arc-Vierte Getaway im Schritt seine Runden in dem um 1900 von der Familie Chapman errichteten sehr schönen Anwesen. Dann ging es mit dem nächsten Lot im Geländewagen des Trainers zur Bahn. 180 Pferde hat Frankreichs Nummer eins in Obhut:
„Um 70 Pferde kümmert sich meine Frau.“ Elisabeth Fabre ist ebenfalls seit langem mit der Materie vertraut, war schließlich die erste Frau, die in Frankreich Hindernisrennen geritten hat. Der Chef erklärte: „Der zweite Stall liegt separat und im Wald. Da ist es sehr ruhig, deshalb stehen dort die etwas nervigen Pferde. Und die Trainierbahn geht leicht bergauf, das ist gut für die Pferde mit Rückenproblemen.“
Andre Fabre ist ein sehr aufgeschlossener Gesprächspartner. Und antwortet auf Deutsch. Seine Kindheit hat er in Deutschland verbracht, als sein Vater nach dem Zweiten Weltkrieg als Diplomat in der französisch besetzten Zone tätig war. Zwei Jahre studierte Fabre Jura in Saarbrücken. „Ich war lange in Deutschland, kenne auch Berlin sehr gut, war einmal auf der Trabrennbahn in Mariendorf, aber nie in Hoppegarten. Ich habe aber viel Gutes von Hoppegarten gehört.“
1968 kehrte Andre Fabre in seine Heimat zurück. Das Studium wurde weitergeführt und durch Ausreiten im Rennstall und andere Jobs finanziert. Die Pferde übten eine viele stärkere Anziehungskraft aus als die sich nach Abschluss des Jura-Studiums bietenden gewiss nicht schlechten Perspektiven.
Im Rennstall von Andre Adele fasste der junge Mann richtig Fuß. „Ich war ein Spätstarter, absolvierte als Amateur mit 22 meinen ersten Ritt.“ Umso besser die Erfolge, rund 250, darunter 1977 in Frankreichs schwerstem Jagdrennen, der Grand Steeple-Chase de Paris mit Corps a Corps, einem von vier Adele-Startern.
Nach dem Tod von Andre Adele wurde Andre Fabre von den Besitzern gefragt, ob er den Rennstall übernehmen wolle. Die Entscheidung fiel dem Reitertalent nicht schwer: „Mit 30 Pferden bin ich Ende 1977 ins Trainergeschäft eingestiegen.“
Dann begann eine sensationelle Karriere. Seit 1987 ist Andre Fabre Dauerchampion. Seine großen Siege in Europa und anderswo sind Legion. Zu seinen Besitzern gehören die Größten ihrer Zunft. „Ich habe sehr gute Erfahrungen mit deutschen Pferden gemacht“, verweist der 60-Jährige auf die herausragenden Erfolge von Hurricane Run und Manduro, „und unter den in meinem Rennstall stehenden Pferden von Dietrich von Boetticher und Georg Baron von Ullmann befinden sich neue Talente.“
Da denkt er in erster Linie an Getaway, „ich war mit seinem Laufen im Arc sehr zufrieden, er hat Klasse, ein spätreifes Pferd, das im nächsten Jahr zulegen wird.“ Im Ammerländer-Lot nennt Fabre eine zweijährige Stute namens Maggia, eine Boreal-Tochter der von Last Tycoon stammenden Mosogna. „Sie und die Ende September in Ascot als Zweite auf Gruppe I-Ebene stark gelaufene, Khalid Abdullah gehörende Proviso sind Hoffnungen für den großen Sport 2008.“
Der Kontakt mit Dietrich von Boetticher und Georg Baron von Ulmannn stellten die beiden Herren höchstpersönlich her. „Sie sind an mich herangetreten“, meint Andre Fabre, der über Trainingskosten wenig sagt: „Ich kenne sie nicht“, ist sein kurzer Kommentar. Im Stall kümmert sich lediglich eine Person um drei Pferde. Dass allein dies nicht billig ist, dürfte jedem klar sein.
Auch 2008 will der „Zauberer“ von Chantilly natürlich wieder verstärkt in den wichtigen Rennen der Dreijährigen präsent sein. „Dieses Jahr hatte ich keine besonders guten Dreijährigen, ein Gruppe I-Sieg im Derbyjahrgang fehlte. Ansonsten lief die Saison bis Anfang Oktober mit 130 Siegen sehr gut.“
Dass Andre Fabre von Stephane Pasquier eine hohe Meinung besitzt, ist bekannt. Der hat einen Vertrag bei Khalid Abdullah, „und wenn er frei ist, dann kann ich disponieren. Ein sehr guter Jockey ist Johan Victoire, zumal er auch leichte Gewichte bringen kann.“ Veranlagung ist aber auch bei einem von Fabres Lehrlingen zu sehen, denn Maxime Guyon ist schon mehrfach angenehm aufgefallen. Gute Reiter sind aber auch und vor allem für die Morgenarbeit wichtig, „uns fehlen leichte Reiter. Viele Mädchen sind zwar leicht, beherrschen aber nicht alle Pferde.“
In der Regel ist die Arbeit mit drei Lots getan. „Das erste Lot bleibt etwa 70 Minuten draußen, das andere eine Stunde. Stuten und die jungen Pferde sind empfindlich, sie dürfen keine schweren Reiter tragen und nicht zu lange unter dem Sattel gehen. Dann werden sie noch geführt.“ Zwei Lots reitet Andre Fabre mit, „das habe ich gern, da kann ich meine Pferde länger sehen und mit den Leuten diskutieren.“ Von Koppelaufenthalt hält er nichts, „die Verletzungsgefahr ist zu groß.“
Die Zeit bei Andre Fabre vergeht sehr schnell. Der Trainer verabschiedete sich. Am Nachmittag standen Rennen in Chantilly an. Das Pferdeparadies beherbergte zum Stichtag Juni 2007 die stolze Zahl von 2551 Rennpferden. Unglaubliche 120 km und sehr breite Sandbahnen stehen zur Verfügung, umrahmt von 120 Hektar Rasen. Hinzu kommt eine von den USA „abgeschaute“ Allwetterbahn. 12 Kilometer beträgt der Hinderniskurs mit 100 verschiedenen Sprüngen. Wer sich in dem weitläufigen Gelände nicht auskennt, findet schwer den Weg zurück.
Zu Grasgalopps geht es auch auf die Rennbahn. So wie kurz vor dem Prix de l‘ Arc de Triomphe bei einem der üblichen öffentlichen Grasgalopps, als Georg Baron von Ullmanns El Comodin einen sehr guten Eindruck hinterließ.
Wenn die Grasbahnsaison in Europa zu Ende geht, ist für Andre Fabre Urlaub angesagt. „Da geht es nach Argentinien, ein großes Pferdeland mit sehr guter Vollblutzucht. Das Wetter ist fantastisch und ich kann meinem Hobby Polo nachgehen. Und das stammt auch aus Argentinien.“ Der Trainer zeigt lächelnd auf sein Barett – eine typisch französische Kopfbedeckung.