Die Wahrheit um die 820.000

Die Spannung im Auktionsring stieg ins Unermessliche. Die Ziffer auf der Anzeigentafel erreichte in Deutschland bisher unbekannte Sphären. Einer der größten Besitzer des Landes gegen einen Agenten aus Irland. Helmut von Finck im Biete-Duell mit Paul Collins. Zunächst belauerten sie sich wie bei einem Box-Kampf, dann ging es Schlag auf Schlag. Bei 820.000 DM erhielt Irland dann den Zuschlag. Doch der Rekord-Preis war sicher auch ein Sieg für die deutsche Vollblutzucht. Zunächst zumindest einmal.

Es gab Szenen-Applaus. Daniel Delius hatte das teuerste Pferd zugeschlagen, was jemals einen deutschen Auktionsring passierte. Collins musste Hände schütteln. Fragen beantworten. Wer war der Käufer von Katalognummer 199? Wer steckt hinter dem Riesen-Gebot auf die Fuchsstute Anna Frid? Ob Collins selbst jemals die Antwort wusste, ist zweifelhaft. Dermont Weld wurde als Mittelsmann genannt. „Sie wird zu ihm in Training gehen, der Besitzer möchte noch nicht genannt werden“, so Collins.

Die Papiere wurden unterschrieben, der Pass herausgegeben und nur wenige Tage später war die Fuchsstute bereits auf dem irischen Curragh bei dem Coach des Melbourne Cup- Siegers Media Puzzle angekommen. Doch Geld kam keines. Von den 820.000 DM sah die Familie Huber aus Oberhausen zunächst einmal keinen Pfennig. Und das sollte auch die nächsten Wochen und Monate so bleiben.

„Vorerst hatten wir keine Bedenken. Ich kannte Paul Collins schon lange. Er war früher, als er noch hier in Deutschland war, immer klamm. Da hat man ihm schon mal einen Hunderter geliehen, ihn aber immer wieder bekommen. Und im Jahr zuvor hatte er ja bereits Anna Frids Schwester Agnetha für 240.000 DM gekauft und zu Herrn Weld in Training geschickt. Damals hat es auch lange gedauert, bis das Geld kam. Daher haben wir uns die ersten Wochen keine Gedanken gemachte“ schildert Dietmar Huber knapp drei Jahre nach dem Anna Frid-Skandal. Denn zu einem solchen wurde der einstige deutsche Rekordpreis schließlich.

Rekord sind die 820.000 DM heute nicht mehr. Von dem Geld hat auch die Baden-Badener Auktionsgesellschaft nichts gesehen. Das Pferd wurde nachher für einen niedrigeren Betrag freihändig verkauft. Agent Paul Collins wurde nur Monate nach Baden-Baden nicht mehr gesichtet, tauchte in Irland unter. Collins, der einen kometenhaften Aufstieg und noch schnelleren Fall aus der Turf-Szene vollbrachte, sorgte weltweit mit ungedeckten Käufen für Millionen-Einbußen der Auktionsgesellschaften. Nicht nur in Baden richtete er sein Unheil an.

Der Reihe nach: Schon weit bevor Anna Frid am 1. September 2001 den Ring betrat, wusste Huber, dass er ein „talking horse“ hatte. Eine Stute, über die jeder sprach. Schwester des ausgezeichneten Sprinters Areion. Und auch das Exterieur stimmte. Huber erinnert sich: „Es war schon vorher viel Interesse an ihr dran und ich wusste, dass sie ein paar Mark bringen wird. Selbst habe ich bis 250.000 DM mit geboten. Dann bin ich raus gegangen und konnte den Rest genießen.“

Nach der Auktion strahlten die Hubers, die während des Tages noch Polish Power und Twist Bookie gekauft hatten, über das ganze Gesicht. 820.000 DM war für die kleinen Züchter, die in diesem Jahr in ihr zwanzigstes „Rennjahr“ kommen, sehr viel Geld. Deutscher Rekord eben. Doch die Freude hielt nicht lange. Ab Oktober begann der Stress. Huber beschreibt: „Nach einigen Wochen haben wir gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Man konnte uns noch immer keinen Käufer nennen und vertröstete uns im Wochen-Takt. Am 23. November bekam die BBAG ein Fax, dass das Geld einen Tag später von einem gewissen Herren John Vetula kommen soll. Aber es passierte wieder nichts. Mitte Dezember hieß es dann, das der Käufer durch das Attentat am 11. September in New York sehr viel Geld verloren hätte und abspringen würde.“

Hubers standen ohne Käufer, ohne Geld, ohne Pferd und noch viel schlimmer ohne Pferdepass da. Ende Dezember wird der Kontakt zu Dermont Weld immer intensiver, auch Trainer Trond Hansen hilft bei den Gesprächen. „Ich habe Herrn Weld von Anfang an gesagt, dass ich nicht von meinem Preis heruntergehe und er hat mir zugesichert einen Käufer zu finden, da er die Stute von Beginn an sehr mochte“.

Wieder vergehen im Fall Anna Frid knapp zwei Monate, ohne dass etwas passiert. Es ist mittlerweile Februar. Die nicht unerheblichen Trainingskosten in Irland übernimmt Huber. Und mittlerweile sind dann auch endlich echte Interessanten da. Unter anderem soll sogar das große Coolmore Stud an der Stute gewesen sein. Am Ende vermittelt Brian Grassick, Bruder von John Magniers rechter Hand Christy Grassick, Anna Frid an den irischen Besitzer Joseph Higgins. Im März, mehr als fünf Monate nach Baden-Baden, ist man sich einig. Es fließen Provisionen, sowohl Dermont Weld als auch Grassick wollen etwas für die Vermittlung. „Am Ende blieb schon weniger übrig, als wir in Baden-Baden erzielt hätten. Baden-Baden hat nie nach Geld, einer Provision, gefragt. Das hätten wir auch nicht richtig gefunden. Sie hatten mit dem Verkauf nichts mehr zu tun und dann wurde auch der Pferdepass wohl zu früh herausgegeben“, sagt Huber, dessen gutes Verhältnis zu Karl-Dieter Ellerbracke unter der Sache nicht gelitten hat.

Nachdem man sich über den Preis von Anna Frid einig war, kam das Geld. Und zwar nach 14 Tagen. „Auch Dermont Weld, den man heute schon als Freund bezeichnen kann, war froh, dass die Sache vorbei war. Es war ihm auch irgendwie peinlich die ganze Nummer, denn eigentlich wollte er doch nur trainieren und mit der Stute Rennen gewinnen“.

Dietmar und Erika Huber und der Bazillus Turf, das ist eine mittlerweile längere Geschichte. Angefangen hatte alles mit dem nach dem schottischen Whiskey benannten Glen Elgin, den Huber zusammen mit seinem langjährigen Freund Hans Nikenich zusammen hatte. Den ersten Jährling kaufte Huber 1988 in Baden-Baden. Als Geschenk für seine Frau legte er 19.000 DM für Kreuzung hin, mit der er später noch erfolgreich das Listen-Pferd Kreuzkönig züchten sollte.

Vor allem als Züchter haben sich die Hubers mittlerweile einen Namen gemacht. Kein Wunder, wenn man mit einem kleinen Lot von aktuell zwei Mutterstuten für Pferde wie Areion, Atalante, Apollinaris, Agnetha, Anna Frid oder Aristaios verantwortlich zeichnet. Während Agnetha und Anna Frid sogar international für Furore sorgten, stieg Areion zum Champion-Sprinter in Deutschland auf. Im Gestüt Brümmerhof zog Huber den Ausnahme-Flieger, der in seiner Karriere 5 Rennen gewann, knapp 300.000 Euro verdiente und in 2004 als Deckhengst mit seinen ersten Zweijährigen vertreten ist.

Allesamt stammen die „Huber-Cracks“ aus der Caerleon-Stute Aerleona. Diese ließ Huber über Bruce Hellier in Newmarket ersteigern. „Ich hatte meine Frau und Bruce mit dem Auftrag, ein Pferd zu kaufen, nach England geschickt, hatte keine genauen Vorstellungen. Nur eben, dass es eine Stute sein sollte.“

Hellier und Erika Huber entschieden sich für die Fuchsstute Aerleona von Caerleon. Bei 19.000 Guineas fiel der Hammer. Huber hatte ein neues Pferd. „Mir haben vor allem die Augen gefallen. Ich hatte damals noch keine Ahnung und der Trainer sagte nur, dass sind Fisch-Augen, Erika. Ich wusste nur, dass mir die Stute gefiel.“

Bei 20 Starts brachte es Aerleona auf einen Sieg und neun Platzierungen. Bei ihrem Lebensdebüt im Alter von zwei Jahren ließ sie einem Pferd namens Temporal nicht den Hauch einer Chance, canterte diesen förmlich ab. Temporal wurde ein Jahr später zum ersten Derbysieger von Frankie Dettori, Aerleona eine der erfolgreichsten Zuchtstuten des Landes. „Sie verletzte sich Ende ihrer Zweijährigen-Kampgane und zeigte dann nie mehr ihr wahres Können“, so Huber. Das machte aber nichts. In der Zucht hat Aerleona es den Hubers gleich mehrfach zurückgezahlt.

Bis auf ihren Erstling von Dashing Blade brachten es all ihre bisherigen fünf auf der Rennbahn befindlichen Produkte in die Black Type-Klasse. Und auch Erstling Aerleon erzielte immerhin ein GAG von 81 Kilo. Agnetha (von Big Shuffle) lief sogar im Hong Kong Sprint, platzierte sich zweijährig auf Gruppe I-Level und gewann ein Gruppe III-Rennen in Irland. Beim Hamburger Derby-Meeting 2003 schlug Aerleonas jüngster Sohn auf der Rennbahn, Aristaios (von Dashing Blade, 25.000 Euro-Rückkauf), in einem Listenrennen zu, gewann unter Andrasch Starke das Sierstorpff–Rennen. Und Anna Frid? Auch der Wirbel um die mittlerweile Vierjährige hat sich wohl gelohnt. Die Stute hat am 27. September letzten Jahres ein Listenrennen gewonnen, platzierte sich zuvor auf Gruppe III-Level. In dieser Saison ist der Anna Frid-Knoten allerdings noch nicht geplatzt. Bei vier Starts konnte die Stute in 2004 noch nicht überzeugen. Macht aber wohl nichts. Als Black Type-Siegerin ist auch sie für die Zucht in Irland wertvoll.

Zudem katapultierte Anna Frids Listen-Sieg nach dem Treffer von Aristaios Arleona in die Liste der erfolgreichsten Mutter-Stuten Europas der abgelaufenen Saison. In der Racing Post war Aerleona eine von nur sieben aufgeführten Ladies, die in der Saison 2003 zwei oder mehr Stakes-Sieger produzierten.

„Andrasch hat in Hamburg auf Aristaios unseren aller ersten Renndress getragen. Der ist schon 19 Jahre alt, macht aber, wie man sieht, immer noch einen ausgezeichneten Job“, scherzt Huber, dessen Gastrotel-Verlag mit einem zehnmal im Jahr erscheinenden Magazin den größten Gastronomie-Titel Deutschlands vertreibt. Neben Areion, Agnetha und Anna Frid zeigten auch Atalante und Apollinaris (von Sternkönig, Huber kaufte ihn in Baden für 54.000 DM zurück) Black Type-Performance.

Das nach Aristaios von Big Shuffle 2002 geborene Stutfohlen musste leider aufgegeben werden, dieses Jahr kam am 8. Juni ein rechter Bruder von Areion mit dem Namen Anteros auf die Welt. Das achte Produkt von Aerleona wird im kommenden Jahr wohl nach Baden auf die Auktion gehen. „In diesem Jahr haben wir Aerleona dann nicht mehr gedeckt und gönnen ihr eine Pause. In 2005 wird sie zu Royal Dragon gehen, der mir mit seinem Pedigree und nun seinem ersten tollen Fohlenjahrgang sehr imponiert hat“, beschreibt Huber die weiteren Pläne seiner Super-Stute.

Mit der Alkalde-Stute Atalante, die Huber für 4.500 DM aus Baden-Baden unverkauft wieder mit nach Hause nahm, züchtet man mittlerweile auch selbst. Und auch Atalante ist immerhin dreifache Listensiegerin. Ihr zweiter Nachkomme Adriano sollte eigentlich am Samstag an der Oos mit Katalognummer 149 in den Ring kommen, doch muss der Waky Nao-Sohn passen, könnte nun zur nächsten Auktion angeboten werden.

„Eventuell geben wir ihn aber auch selbst in Training. Wir fiebern zwar auch bei den verkauften Pferden mit, als würden sie uns noch gehören und doch macht es natürlich noch einen Tick mehr Spaß Rennen in den eigenen Farben zu gewinnen“, so Huber abschließend.

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