Kornados Vatertag am Muttertag

Premier Grand Cru Classe, dieses Prädikat lässt selbst verwöhnte Weintrinker immer ein wenig vor Ehrfurcht erstarren. Bei dieser Bezeichnung auf dem Etikett der Flasche wissen Kenner natürlich um das ganz besondere Tröpfchen im Glas. Doch Jahrgänge prägen nicht nur die Welt der edlen Weine. Allein das gängige Wort "Derby-Jahrgang" zeigt, dass der Jahrgangsbegriff in der Vollblutzucht ebenso seine Bedeutung hat. Als schlichtes Ordnungsprinzip einerseits, und zweitens sagt ein bestimmtes Jahr auch immer etwas über die Qualität der während seines Frühlings geborenen späteren Rennpferde aus. Expertin und Fachmann wissen zum Beispiel von den Fohlen, die 1990 das Licht der Welt erblickten, dass nicht nur eines, sondern selbst beim Anlegen strengster Maßstäbe einige aus ihren Reihen auf der Rennbahn herausragende Klasse besaßen.

Als das letzte Jahrzehnt des alten Millenniums anbrach, ahnte natürlich noch keiner etwas von der Güte der Vollblut-Ernte. Doch schon 1993 sprach man von einem legendären Jahrgang mit gleich vier absoluten Superpferden: Lando, Monsun, Sternkönig und Kornado ihre Namen.
Dieses Quartett gestandener Gruppe-I-Sieger bewies jedoch keineswegs nur auf dem grünen Rasen seinen Ausnahmestatus. Alle vier, und das ist keineswegs so alltäglich, sind offenbar auch in ihren zweiten Karrieren zu Höherem berufen. Bei Monsun zeichnete sich der Gestütserfolg bereits bei den allerersten Nachkommen ab. Samum, Subiaco und Network heißen die frühen Aushängeschilder des in Schlenderhan aufgestellten Isarländers. Sternkönig reüssierte vor allem mit seinem Sohn Kallisto. Als erstes in Deutschland gezogenes und trainiertes Pferd verewigte er sich in der Siegerliste des Derby Italiano. Und Lando hat eine anfängliche Skepsis vieler Züchter unlängst erst dank seines Sohnes Paolini, dem jüngsten Gewinner des Premio Presidente della Repubblica in Rom, einfach so vom Tisch gewischt.
Lando, Monsun und Sternkönig wechselten 1996 in die Zucht. Kornado ebenso, er allerdings erst im Frühjahr und auf direktem Weg vom Rennstall ins Gestüt. Und zu einem Zeitpunkt, da die erste Decksaison für seine drei Altersgefährten so gut wie gelaufen war. Dies geschah damals genau in jenen Wochen, in denen das Desinteresse an der Vollblut-Damenwelt von so namhaften Hengsten wie Germany und Royal Abjar der gesamten Szene Gesprächsstoff bot. Was lag also näher, als bei Kornado sofort die Probe aufs Exempel zu machen. Als hätte er nie etwas anderes gemacht, deckte der Fuchs im Gestüt Friedrichsruh seine erste Probestute – die anschließend auch als tragend befunden wurde. Im Frühjahr 1997 brachte sie den stattlichen Hengst Terkando.

De facto beginnt Kornados Zuchtlaufbahn demzufolge erst in der Saison 1997, womit er seinen drei alten Konkurrenten von der Rennbahn gewissermaßen um einen Jahrgang hinterher hinkt. Doch der kleine Startverlust hemmte den im letzten Jahr ins Gestüt Schattauer Hof übersiedelten Gewinner u.a. des Preis der Privatbankiers Merck, Finck & Co., des Mehl-Mühlens-Rennens, des Zanders-Union-Rennens, des BMW EuropaChampionats, des Großen Preis der Wirtschaft in Baden-Baden sowie des Großen Preis der Gelsenkirchener Wirtschaft in keiner Weise. Schon sein Sohn Pryor deutete Kornados Beschälerpotenzial zeitig an. Als Sieger im letztjährigen Versuchsrennen der Hengste wandelte er bereits auf den Spuren seines Vaters. Auch Kornado hatte schließlich seinen überhaupt ersten Rennbahnauftritt acht Jahre zuvor im selben Rennen auf Anhieb erfolgreich gestalten können. Wie Pryor tat auch er dies nebenbei unter den Farben des Stalles Granum. Die Kombination lila-rot-schwarz gerautet, lila Ärmel und rote Kappe trug er darüber hinaus bei allen noch folgenden 27 weiteren Starts. Angesichts seiner 10 Siege gehörten sie zu den populärsten ihrer Zeit. Die großartige Bilanz bescherte Kornado u.a. auch ein GAG von 100 Kilo und eine Gesamtgewinnsumme von 1.660.325 Mark. Und natürlich überaus dankbare Besitzer.

Der Name Granum steht für die Turfaktivitäten Rita und Michael Kreutz. Als Kornado den Rennstall verließ, setzten sie von Anfang an alles daran, ihrem Hengst ein eigenes Zuhause zu verschaffen. Fündig wurde man jedoch erst im Jahr 1999, und zwar am Niederrhein, im früheren Gestüt Weyershof. Unmittelbar nach der Übernahme durch Granum begann hier ein gründliches Renovierungs- und Ausbauprogramm. Neben dem Hengst zogen obendrein die Stuten der Granum-Zucht ein. Darüber hinaus bekam die durchaus traditionsreiche Scholle einen neuen Namen. Sie heißt jetzt Gestüt Schattauer Hof. Mit Ulrike Bott engagierte das Aachener Ehepaar eine äußerst erfahrene Gestütsleiterin, auch das gehörte zur Gesamtstrategie, in deren Mittelpunkt allein Kornado steht. Eine graue Eminenz in beratender Funktion, die gab es schon. Kein Geringerer als Hein Bollow ist es. Schon zum alten Weyershof, mit dem die neue Anlage allerdings in keiner Weise mehr verglichen werden kann, hatte die lebende Galopplegende eine enge, ja fast familiäre Beziehung wie nun zum Ehepaar Kreutz.

Nicht von ungefähr nahm Hein Bollow daher nach dem Sieg des dreijährigen Kornado-Sohnes Lierac am 13. Mai in Köln den Besitzer-Ehrenpreis für den siegreichen Granum-Hengst an der Seite von Trainer Andreas Löwe und Jockey Jiri Palik entgegen. Viel Zeit zum Feiern hatte Hein Bollow danach aber nicht mehr. Denn kurz darauf startete Pryor in München-Riem im Großen Bavaria-Preis, was sich der Altmeister selbstverständlich nicht entgehen lassen und immerhin auf dem Bildschirm des Buchmacher-TV mitverfolgen wollte. Rita und Michael Kreutz waren selbstverständlich vor Ort. Sie erlebten es hautnah und Hein Bollow immerhin auch live mit, als ein äußerst imponierend gewinnender Pryor unter dem jungen Norman Richter die Konkurrenz wie bloße Statisten aussehen ließ.

Für Stall Granum wurde der Muttertag durch zwei siegreiche Kornado-Söhne fast zum Vatertag der besonderen Art. Glaubt man den morgendlichen Trainingsbeobachtern im Weidenpescher Park in Köln, dann haben sowohl Lierac als auch Pryor durchaus das Zeug, um keineswegs bei diesen Siegen stehenbleiben zu müssen. Eingeweihte sehen in Pryor bereits den dreijährigen Hengst im großen Stall von Trainer Andreas Schütz mit den ausgeprägtesten Steherqualitäten. Das will was heißen angesichts solcher Trainingsgefährten wie Limerick Boy, Blue Baloo oder Goethe, wobei wir die frischen klassischen Sieger Dakhla Oasis und Royal Dragon mal gänzlich außen vorlassen wollen hinsichtlich aller Staminaspekulationen.

Die Zukunft wird’s zeigen. "Die Kornados" jedenfalls gewinnen weiter. Um der Vollständigkeit Genüge zu tun, dürfen natürlich Tanina, Monos, Anakin, Mornada und Fergano in diesem Zusammenhang nicht ungenannt bleiben. Kornado unterscheidet sich von dem Dreigestirn Lando, Monsun und Sternkönig jedoch insofern deutlich, als er seine ersten Schritte in der Zucht ohne Unterstützung einer großen eigenen Herde oder zahlreicher hochkarätiger Partnerinnen gehen musste, quasi wie ein Selfmademan. Außerdem deckt der Fuchs in diesem Jahr zu einer Decktaxe, die der nicht ganz so vermögende Züchter noch zahlen kann – für sage und schreibe 5000 Mark. Für Lando werden in diesem Jahr 15.000 Mark aufgerufen, für Sternkönig immerhin schon 25.000 Mark, und die Liebesdienste von Monsun müssen mit sogar 40.000 Mark abgegolten werden. Vielleicht reiben sich in ein paar Wochen alle die Hände, die in diesem Jahr mit ihrer Stute auf dem Schattauer Hof gewesen sind. Sie tätigten jedenfalls eine zukunftsträchtige Investition. Die im nächsten Jahr schon einiges mehr kosten könnte. Ähnlich wie bei Weinen der Kategorie Premier Grand Cru Classé.

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