Es ist ein wunderschöner Dienstagmorgen im August um 10 Uhr. Ich fahre von Köln kommend die A 52 entlang, und der übliche Stau auf der viel befahrenen Autobahn am Kreuz Breitscheid nimmt immer mehr zu und schließlich geht es nur noch im Schritttempo weiter Richtung Mülheim an der Ruhr. Die Stadt mit ihren rund 170.000 Einwohnern liegt ziemlich genau zwischen Duisburg und Essen, mitten im Ruhrgebiet also. Auf der Rennbahn am Raffelberg stehen schon etliche Autos, aber nicht, um die Pferde beim Training zu beobachten. Es sind die Golfer, die ihr Handicap in dieser Sportart noch zu verbessern versuchen. Ich komme aber natürlich wegen der Pferde oder genauer gesagt, um William Mongil auf seinem Trainingsgelände im Schlussbogen der Mülheimer Rennbahn zu besuchen.
Der Grund meines Besuches ist ganz einfach, denn der gebürtige Franzose hat in dieser Saison bereits achtzehn Rennen gewonnen, davon die meisten seit Ende Juni. Dabei ist es egal ob in Frankreich oder in Deutschland. Er gewinnt und gewinnt und siegt dann auch noch kürzlich in einem „Legenden-Rennen“ mit Stall Primos World Star in Deauville gegen solche frühere Klasseleute wie Christophe Pieux und Dominique Boeuf. Dabei trat der als Zweijähriger in Iffezheim große Kasse machende World Star im Seebad an der Atlantikküste sogar als Jahresdebütant an.
Aber wenn es einmal läuft, dann läuft es eben. Die Stallform ist eines der unerklärlichsten Phänomene im Galopprennsport überhaupt. Zu Beginn des Jahres lief es für den 44-Jährigen aber noch eher bescheiden. „Ich glaube, am Anfang des Jahres war der Erfolg gar nicht einmal so schlecht, aber man muss bedenken, dass wir einen sehr langen und kalten Winter hatten. Einige Pferde brauchten eben etwas länger, um in die Gänge zu kommen. Wenn man dann ruhig bleibt, zahlt es sich auf Dauer doch aus.“ Zurück zu dem Sieg im „Legenden“-Rennen, eine Fortsetzung in dieser Hinsicht könnte es nach Mongils Meinung nach schon geben, zumal der ehemalige Klassejockey offenbar überhaupt nichts verlernt hat. „So lange ich fit genug bin, werde ich natürlich weitermachen“, kündigt er jetzt schon an. Am 1. Juni 1969 wurde William Mongil geboren, sein Vater Remy ist ein seit Jahren bekannter Trainer, der jetzt in der Schweiz tätig ist.
Bereits mit achtzehn Jahren wurde William Mongil Profirennreiter und arbeitete für bekannte französische Trainer-Ikonen wie Patrick Biancone, Alain de Royer-Dupre oder Robert Collet. William Mongil streifte sich als Stalljockey den Dress der berühmten Marquise de Moratalla mit den roten Farben über und war schließlich drei Jahre Privatjockey für den Aga Khan, dem Oberhaupt der Ismaeliten. Rund 1.700 Rennen, allein fast 100 Gruppe-Rennen, stehen im Rekord von William Mongil. „Dabei werde ich meine erste Gruppe-I-Siegerin Kartajana nie vergessen“, schwärmt er jetzt noch über den Erfolg der Super-Stute im Prix Ganay des Jahres 1991 in Longchamp. Die vierjährige Lady gewann noch im selben Jahr auf der Galopprennbahn in München-Riem mit William Mongil das Bayerische Zuchtrennen mit drei Längen Vorsprung vor Fortune‘ s Wheel, Le Jardin und Turfkönig.
1995 zog es William Mongil nach Macau, nachdem es in seiner Heimat einige Probleme gegeben hatte. Doch sieben Jahre später ging es zurück nach Europa, um für deutsche Trainer zu reiten. „Ralf Suerland, Hans Blume und Peter Schiergen, drei sehr professionelle Trainer, mit denen ich sehr viele Erfolge und Siege feiern konnte“, erinnert sich der jetzige Mülheimer Coach. Apropos Erfolge, die größten feierte er mit Soldier Hollow, mit dem er mehrere Gruppe-I-Rennen gewann. Aber auch mit dem Meilenstar Martillo, Senex, Lateral, Nordtänzerin oder Saldentigerin etablierte sich Mongil in der Spitzengruppe der deutschen Jockeys. „Es waren alles sehr gute Pferde mit einem großen Kämpferherzen. An die kann man nur mit guten Erinnerungen und mit wahren Glücksgefühlen zurückblicken. Es war alles sehr schön, ist nun aber vorbei, jetzt muss ich nach vorne schauen.“
Dazu passend wechselte der ehemalige Privatjockey des Aga Khan die Fronten und wurde Nachfolger des im vergangenen Jahr an Krebs verstorbenen Werner Baltromei am Raffelberg. Seit Bestehen der Trainerprüfung vor dem Lizenzausschuss des Direktoriums ist er seit Juni 2012 der Nachfolger des Urgesteins, dessen Witwe Christine einen Nachfolger suchte. „Natürlich war es gerade am Anfang sehr schwer, in die Fußstapfen meines Vorgängers zu treten, aber glücklicherweise haben mir die meisten seiner damaligen Besitzer ihr Vertrauen geschenkt und sind hier geblieben. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Sie haben mir so einen guten Start als Trainer hier in Mülheim ermöglicht“, blickt der Coach zurück, der zuvor Assistenzcoach bei seinem Vater Remy in Zürich-Dielsdorf war. Inzwischen sind es fünfzig Pferde, die der Franzose betreut.
Etliche neue Besitzer sind auch hinzugekommen. Wenn man als Besucher seine Trainingsanlage betritt, bemerkt man gleich die wunderbare Atmosphäre. Sei es der aufgeräumte Hof, die blitzblanken Stallungen und das Miteinander zwischen dem Chef und den Mitarbeitern. William Mongil ist ein sympathischer und immer gut gelaunter Mensch, das spürt man auf Anhieb. Probleme gibt es auch nicht mit seinen Trainer-Kollegen in Deutschland und Frankreich. „Die meisten von denen kennen mich doch noch als Jockey. Ich denke, es hat keiner ein Problem mit mir, ich jedenfalls nicht mit ihnen. Und in Mülheim selbst kommt man niemandem ins Gehege, da nur zwei größere Ställe hier ansässig sind“, sagt er.
Apropos Mülheim, die wunderbare Rennbahn am Solbad gegenüber dem Theater an der Ruhr, hat schon bessere Zeiten erlebt. Gab es vor Jahren noch rund zwanzig Termine im Jahr, so sind es 2013 gerade noch drei. Wer kennt sie nicht, die Höhepunkte, wie den Preis der Diana, das Deutsche Stuten-Derby oder das Steherexamen wie das Silberne Band der Ruhr? Wehmut kommt auf, doch „darauf habe ich keinen Einfluss“, bekennt der Trainer, der nach eigenen Angaben die deutsche Sprache zu 70 Prozent beherrscht, „ansonsten komme ich mit Englisch gut weiter.“ In Deutschland hat sich der Weltenbummler gut eingelebt, interessant dazu seine Aussage: „Das Leben hier gefällt mir genauso gut wie in Frankreich, nur in Deutschland ist es um einiges günstiger.“
Günstiger und damit hochpreisiger sind natürlich die Rennpreise im Nachbarland, doch das ist schon lange kein Geheimnis mehr. Daher laufen die Vierbeiner aus seinem Stall deutlich häufiger in Frankreich als in Deutschland. „In Frankreich werden viel mehr Rennen veranstaltet als hier und sie sind um einiges besser dotiert“, begründet er seine vielen Fahrten gen Westen. Das merkt er auch am Kilometerstand seines Wagens: „Vor ungefähr drei Monaten habe ich ein Auto gekauft und schon 20.000 Kilometer auf dem Tacho“, schmunzelt er.
Während München-Riem seine Lieblingsbahn in Deutschland ist, steuert er in Frankreich am liebsten Deauville und Saint-Cloud an, wobei Maxime Guyon und Eddy Hardouin die bevorzugten Jockeys sind. William Mongil setzt damit konsequent die Linie seines Vorgängers Werner Baltromei fort, dessen Aktivitäten sich überwiegend auf Frankreich konzentrierten. Er galt dort immer als ausgewiesener Kenner der Materie.
Den 10. August 2013 wird Mongil immer in Erinnerung behalten, denn an diesem Tag konnte er mit Rennstall Gestüt Hachtsees Petit Chevalier seinen ersten Gruppe-Sieger absatteln. Mit Maxime Guyon gelang es dem Fünfjährigen, den weltbesten Wallach Cirrus des Aigles im Prix Gontaut-Biron (Gruppe III, 80.000 Euro, 2000 Meter) mit einem Kopf in die Knie zu bezwingen. Zuvor war er in Hamburg nur an dem späteren Dallmayr-Sieger Neatico gescheitert. 2000 Meter scheinen die Idealdistanz für den High Chaparral-Sohn zu sein. Daher wird seine nächste Aufgabe im Preis der Sparkassen Finanzgruppe (Gruppe III, 55.000 Euro, 2000 Meter) am Eröffnungstag der diesjährigen Grossen Woche in Iffezheim erfolgen.
Mit Adrie de Vries hat er dabei einen der besten Jockeys, die hierzulande aktiv sind, im Sattel. Natürlich wollte ich vom Trainer seine Einschätzung wissen: „Das Pferd ist noch in guter Form, tritt aber gegen starke Gegner an. Wir werden es am Samstag sehen.“ Wieder gehört der Ittlinger Neatico zu seinen größten Konkurrenten um den Sieg, doch Bangemachen gilt nicht. Übrigens, nicht nur auf der Rennbahn gehört Petit Chevalier zu den besten Vollblütern in Deutschland. Auch als „Model“ machte er beim Foto-Shooting in Mülheim bei meinem Besuch eine absolut perfekte Figur.
Neben dem Hachtseer gehört Si Luna aus dem Gestüt Hof Iserneichen zu den weiteren Hauptdarstellern im Stall. Die Kallisto-Tochter ist erst wenig geprüft und gewann zwei Listenrennen in München und noch am letzten Sonntag in Düsseldorf en suite. Die Erwartungen an die vierjährige Stute sind nicht gering. Das bestätigt auch der Trainer: „Wir werden versuchen, mit ihr noch ein Gruppe-Rennen zu gewinnen.“ Doch auch bei den Zwei- und Dreijährigen schlummert noch die eine oder andere Hoffnung. Vor allem die Pferde, die jetzt den Weg ins badische Iffezheim antreten, sollte der Besucher und Wetter bei der anstehenden Grossen Woche genau unter die Lupe nehmen. Das sieht auch William Mongil so: „Alle Pferde, die wir nach Iffezheim schicken, sollten eine reelle Chance haben.“ Iffezheim, das beschauliche Renndorf nahe der Sommerhauptstadt Baden-Baden, befindet sich nur unweit zur französischen Grenze.
Und in Frankreich lebt auch die Familie von William Mongil. Da kommt natürlich unweigerlich die Frage auf, ob es ihn wieder in seine alte Heimat ziehen wird? „Im Moment sicher nicht, aber man weiß nie, was in Zukunft noch alles kommt“, antwortet der mit einem Tattoo auf dem rechten Unterarm gekennzeichnete Mongil. Sein Name steht dort in chinesischer Schrift, diesen hat er sich vor sieben Jahren in Macau sozusagen eingravieren lassen. Es gibt noch weitere Tattoos, die alle eine persönliche Bedeutung für ihn haben. Wer den immer gut gelaunten William Mongil kennen gelernt hat, weiß, dass es in dessen noch kurzen Trainerkarriere unverändert steil bergauf geht.