Auf seinem Blog bei Deutscher Galopp hat Chefhandicapper Harald Siemen schon in der Vorwoche Bilanz zur Saison der deutschen Gruppe I-Rennen gezogen. Nachfolgend auch hier auf GaloppOnline.de seine Einschätzung:
„Man kommt ja selten dazu, sich über die Leistungsfähigkeit der deutschen Spitzengalopper Gedanken zu machen, weil man meistens schon etwas anderes vorhat. Aber genau darum soll es hier gleich gehen. Zunächst aber ein berühmtes Zitat, das auf Benjamin Franklin zurückgeht, einem der amerikanischen Gründerväter: „Unsere neue Verfassung ist nun etabliert und erweckt den Anschein von Dauerhaftigkeit; aber in dieser Welt ist nichts gewiss außer dem Tod und den Steuern“, schrieb er 1789 an einen französischen Freund. Dieser Satz wird heute gerne noch um eine dritte Gewissheit ergänzt, wie zum Beispiel „Tod, Steuern und die Bahn hat Verspätung“ oder „Tod, Steuern und der ZDF-Fernsehgarten“.
Auf den Galopprennsport bezogen und hier speziell auf die deutschen Gruppe I-Rennen für die Dreijährigen und Älteren könnte man derzeit auch sagen „Tod, Steuern und ein ausländischer Sieg“. Denn mit dem Erfolg von Bay City Roller am vorigen Samstag beim Allianz Großen Preis von Bayern sind nun alle fünf großen Vergleichsprüfungen für dreijährige und ältere Pferde, die der deutsche Galoppsport zu bieten hat, nach England oder nach Frankreich gegangen. Und mehr noch: Hinter den Siegern Tornado Alert, Rebel´s Romance, Goliath, Sibayan und Bay City Roller ging auch der zweite Platz durch Map of Stars, Junko, Dubai Honour und zweimal Tiffany verloren. Und das hat es nun wirklich noch nicht gegeben, seit es Grupperennen in Deutschland gibt, also seit 1972. Bisher galt 2019 als das in dieser Beziehung schwärzeste Jahr. Damals gingen zum ersten Mal alle fünf Rennen, also die Großen Preise von Berlin, Baden und Bayern, der Dallmayr-Preis und der Preis von Europa durch Danceteria, French King, Ghaiyyath, Aspetar und Nancho an Gäste jenseits unserer Grenzen. Aber wenigstens der zweite Platz konnte noch drei Mal im Lande gehalten werden.
Die ausgesprochen enttäuschende sportliche Bilanz des Jahres 2025 hat natürlich Gründe, wobei in erster Linie die schwache Gegenwehr des deutschen Aufgebots zu nennen ist. Schon rein numerisch waren sie in der Unterzahl. 19 Pferde aus dem Ausland trafen auf nur 17 Vertreter aus deutschen Rennställen. Da davon einige mehrfach gelaufen sind, kommt man nur auf elf individuelle Pferde, die an den in Rede stehenden fünf Gruppe I-Rennen dieses Jahres teilgenommen haben. Von der Qualität will ich gar nicht groß reden, die höchste Marke unter diesen elf Startern verdiente sich noch Straight mit 97,5 kg bei seinem dritten Platz im Großen Preis von Baden. Er ist damit nach Handicapeinschätzung auch Deutschlands aktuell bestes Rennpferd, noch vor Hochkönig, der bei 97 kg steht. Vielleicht kann sich der eine oder andere aus dem erneut wieder enttäuschenden Derbyjahrgang in der kommenden Saison noch steigern, wobei die Hoffnungen sich besonders auf Hochkönig konzentrieren, wenn der nach seiner langen Pause seit dem Derbysieg wieder Anschluss finden sollte.
Der Rückgang an international erstklassigen deutschen Pferden hat sich ja schon seit längerem angekündigt, auch dazu geben die Ergebnisse der genannten fünf großen deutschen Gruppe I-Rennen Auskunft. In den acht Jahren zwischen 2010 und 2017 standen 31 deutsche Siege nur 9 ausländische gegenüber, doch seitdem hat sich das Verhältnis nahezu umgekehrt. Seit 2018 hat es nur 12 deutsche Erfolge gegeben, während 28-mal Gäste aus dem Ausland erfolgreich waren. Allein mit der deutlich gesunkenen Anzahl an Fohlengeburten ist das nicht zu erklären. Auch dass einige Besitzer einen Teil ihrer besten Pferde im Ausland trainieren lassen, dass sie ihre Pferde für zum Teil viel Geld verkaufen und dass ein großer Teil von gutgezogenen Jährlingen Jahr für Jahr Deutschland verlässt, hat zum augenblicklichen Qualitätsstand beigetragen.“












