Rennpferd und Therapeut

 Am vergangenen Samstag gelang dem siebenjährigen Wallach Torqueville sein zehnter Erfolg. Das alleine könnte schon reichen, um einmal beim Trainer und Besitzer des Pferdes nachzufragen. Aber wenn man die Hintergrundgeschichte von Torqueville und Marc Timpelan kennt, ist es noch viel mehr als „nur“ zehn Siege. Am Dienstagmorgen erfolgte das Telefonat mit Marc Timpelan und es mussten nicht viele Fragen gestellt werden, denn er begann direkt die ganze Geschichte über und um Torqueville zu erzählen.

Wie alles begann
„2015 meldete ich mich beim Besitzertrainer-Lehrgang an und war auf der Suche nach einem Pferd, das vielleicht irgendwann mal ein Amateurrennen mit hohem Gewicht gewinnen könnte und mir ein bisschen Spaß machen würde. Im Winter wollte ich deshalb auf die Auktion in Irland fahren. Aber wie es der Zufall wollte, kam es natürlich anders. Auf der Reitpferdeseite „e-horses“ habe ich Torqueville entdeckt, der von der Familie Schnakenberg angeboten wurde. Kurz darauf fuhr ich zu ihnen hin, natürlich direkt mit dem Anhänger, weil man ja nie genau weiß, was so passiert. Als ich ankam, blickte ich gleich auf einen kleinen Fuchs auf der Koppel. Das war natürlich Torqueville“, berichtete Marc Timpelan über seine erste Begegnung mit diesem besonderen Vierbeiner. Dort ist er ihn auch Probe geritten: „Er stand zwar beim Satteln nicht still, aber ansonsten war er ganz manierlich, immerhin hat er mich nicht runter geworfen“, lachte der 40-Jährige, als er sich an die Zeit von vor drei Jahren erinnert. Wenn man auf Pferdesuche ist, möchte man natürlich am liebsten nicht mit einem leeren Anhänger zurückkommen. Also kaufte Marc Timpelan den Wallach und nahm ihn mit nach Hause. Das erste halbe Jahr ritt er ihn nur im Wald spazieren, da ihm der Rücken von Torqueville nicht gefallen hatte. Er wollte, dass er etwas zunimmt. Anfangs hatte Torqueville auch gegen seinen Besitzer gearbeitet. Heute kann sich Marc Timpelan das Ganze auch erklären: „Vor ein paar Wochen in Hoppegarten kam Torquevilles Züchter Graf von Norman auf mich zu und lobte mich, dass es unglaublich wäre, dass ich soweit mit dem Pferd gekommen bin. Ich war etwas verwundert und hatte damit nicht gerechnet, aber dann erzählte er mir seine Vorgeschichte, die ich bis dato nicht kannte.“ Marc Timpelan erfuhr von ihm, dass Torqueville sich als Dreijähriger am Kreuzbein einen Muskel abgerissen hatte und der Tierarzt ihm wenig Chancen einräumte, dass er irgendwann mal wieder Rennen laufen würde. Das erklärte natürlich alles. Damals glaubte keiner, dass Marc Timpelan es schaffen würde, den Wallach rennfertig zu machen, aber er wollte allen unbedingt das Gegenteil beweisen. Das hat er schließlich auch geschafft. „Er ist zwar immer noch nicht ganz einfach, aber ich kenne mittlerweile die Tricks. Man kann sagen, er ist ein Autist. Torqueville braucht jeden Tag denselben Ablauf und die volle Aufmerksamkeit, deshalb sind wir auch aus dem Pensionsstall, in dem er am Anfang untergebracht war, ausgezogen. Dort gab es einfach zu viel Trubel und keinen konsequenten Tagesablauf. So kam ich zu meinem eigenen kleinen Rennstall, aber ich brauchte natürlich noch ein zweites Pferd, damit der Fuchs nicht alleine ist. Also war ich auf der Suche nach einem Pferd, am liebsten einen Wallach, der nicht viel kostete und kleine Rennen laufen könnte. So stieß ich auf Wassilos, der seitdem mein zweites Pferd ist. Die Wahl fiel nicht grundlos auf ihn, immerhin habe ich schon mit seiner Urgroßmutter ein Rennen gewonnen“, schmunzelte der schon damals erfolgreiche Reiter, der bis heute auf 534 Siege im Rennsattel kommt.

Um 29 Kilo gesteigert
Zurück zu Torqueville, der auch liebevoll „Willi“ genannt wird. Mittlerweile kommt der Siebenjährige auf zehn Siege sowie eine Gewinnsumme von rund 37.000 Euro und ist immer wieder für eine Überraschung gut. „So oft habe ich schon gedacht, jetzt ist er erfasst und kann seine Handicapmarke nicht mehr bestätigen, aber er belehrt mich immer wieder eines Besseren“, berichtet der Besitzertrainer stolz über seinen Wallach, der sich in der Zeit bei Timpelan von 45 Kilo auf 74 Kilo gesteigert hat. „Ich muss schon sagen, dass er genial gemanagt ist, ohne mich dabei selbst loben zu wollen. Das habe ich aus meiner Lehrzeit bei Otto-Werner Seiler mitgenommen, denn dort hatten wir entweder vom Besitzer gezogene oder die aussortierten Pferde aus den größeren Ställen.“

Andere Reiter
Auf die Frage, warum zwischendurch in einigen Rennen andere Reiter im Sattel des Fuchses saßen, kam sofort eine Antwort: „Wegen des Gewichts. Manchmal war das Gewicht zu niedrig für mich. Dreimal habe ich Melina Ehm draufgesetzt, die mit ihm auch gewonnen hat, weil ich es dem Pferd durch die fünf Kilo Erlaubnis erleichtern wollte. Mittlerweile weiß ich aber, dass ihm auch das hohe Gewicht nichts ausmacht, deshalb reite ich ihn jetzt immer selbst, egal ob im Training oder im Rennen. Er läuft aus Dankbarkeit schnell, kämpft wie ein Löwe und ist im Rennen ein Vollprofi. Willi hat schon über 1800 Meter, aber auch über 2400 Meter gewonnen. Oft geht er von vorne, aber nur aus dem Grund, weil es für mich einfacher ist. Er kam auch schon von hinteren Plätzen als Erster über die Ziellinie. Nur der Boden darf nicht zu weich sein, den mag er nicht.“ Nach zehn Starts in diesem Jahr, in denen er nur zweimal kein Geld verdient hat, geht er in seine wohlverdiente Winterpause. „Er hat in den Jahren, seitdem er bei mir ist, 150 Kilo zugenommen. Aber er ist momentan wieder etwas schmaler geworden, und ich möchte auch noch in den nächsten Jahren Spaß mit diesem tollen Pferd haben“, erklärt Marc Timpelan. Der Plan für die kommende Saison ist, mit ihm so spät wie möglich zu beginnen und entweder in F-Rennen auf kleinen Bahnen oder auch im Ausgleich II im Osten an den Start zu gehen. Was mit „Willi“ nach seiner Rennkarriere passiert, ist jetzt schon klar: „Damals, als ich ihn kaufte, dachte ich mir noch, falls ich ihn doch nicht hinbekomme, würde ich ihn mit dem schönen Kopf sicherlich noch als Reitpferd verkaufen können.“ Doch heute ist Torqueville aus dem Leben von Marc Timpelan nicht mehr wegzudenken: „Er wird immer bei mir im Stall bleiben, selbst wenn er 30 Jahre alt ist. Wir haben uns beide so viel zu verdanken, wir waren sozusagen unsere gegenseitigen Therapeuten. Durch ihn habe ich meine Krankheit überwunden und bin wieder gesund. Von mir hat er dafür die komplette Aufmerksamkeit bekommen bzw. bekommt sie heute noch. Ich habe alles für ihn gemacht, was ich nur konnte“, beendet Marc Timpelan sehr emotional das Telefonat.

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