Der Galopprennsport ist hierzulande bei weitem nicht mehr so populär, wie er es noch vor vielen Jahren war. Um sich auch abseits der Rennbahnen einen Namen zu machen, muss man auffallen. Einem, dem das in der Vergangenheit immer wieder gelang, ist Jockey Andrasch Starke. Vor allem mit seinen Siegen im Prix de l´Arc de Triomphe und in den „King George“ hat er sich nicht nur hierzulande in die Köpfe der Rennsportfans geritten. Der Name des aktuellen deutschen Jockey-Champions ist auch weltweit vielen Menschen ein Begriff. Am 4. Januar hat der siebenfache Derbysiegreiter nun seinen 45. Geburtstag gefeiert, gehört somit schon zur älteren Garde unter den hiesigen Sattelkünstlern. Auch wenn Starke seinen Titel sicher nicht kampflos abgeben wird, lohnt sich ein Blick in die Zukunft. Insgesamt ist es schlecht bestellt um den Reiter-Nachwuchs, das ist seit langem kein Geheimnis und nach Meinung vieler Experten ein großes Problem. Auf den Titel des Jockey-Champions gibt es zu Beginn einer jeden Saison aber immer viele Anwärter. Zu diesem Kreis darf sich sicher auch Bauyrzhan Murzabayev zählen.
Beste Saison „ever“
Der gebürtige Kasache, der seit Anfang 2018 fest am Quartier von Spitzentrainer Andreas Wöhler in Gütersloh angestellt ist, hat im vergangenen Jahr mehr als 50 Mal einer Siegerehrung beigewohnt. Bei rund 330 Ritten Ritten ein sehr anständiger Schnitt, der ihm am Ende Platz sechs in der hiesigen Jockeystatistik einbrachte. Drei Gruppesiege hierzulande, ein klassisches Doppel in der Slowakei und ein Quinte-Treffer in Frankreich waren die Highlights in seiner bisher besten Saison. Doch wo kommt der auf den ersten Blick eigentlich etwas zu großgewachsene Reiter mit dem schwer auszusprechenden Namen eigentlich her?
Früh übt sich
„Geboren bin ich in Subar, einem ganz kleinen Dorf in Kasachstan. Das kennt niemand“, sagt der Mann mit dem gewissen asiatischen Touch im Gesicht, der 54 Kilogramm reiten kann und dessen Heimat man zumindest noch erahnen kann. Nur erahnen, denn sein Deutsch ist mit der Zeit schon recht gut geworden. „Ich strenge mich auch echt an mit der Lernerei und es wird jeden Tag besser. Aber Deutsch zu lernen ist alles andere als leicht, da gibt es deutlich einfachere Sprachen“, lacht er. Zwischendurch unterhält er sich aber immer mal wieder mit Trainer Jan Korpas, der mit am Tisch sitzt und für ihn in seiner neuen Heimat so etwas wie ein Vaterersatz ist, auf Tschechisch. „Jan hat mich nach Deutschland geholt. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Das und jetzt die Stelle bei Andreas Wöhler sind das Beste, was mir passieren konnte“, freut sich der aufstrebende Jockey, bei dem es schon als kleines Kind nur um Pferde ging. „Wir hatten zu Hause immer schon Pferde, und ich wollte auch immer nur eins, zumindest wurde mir das so gesagt. Und das waren Pferde!“ Mit „wir“ meint der 26-Jährige seine Eltern, seine zwei Schwestern und seinen kleinen Bruder, den in der Heimat ebenfalls schon das Rennfieber gepackt hat. Wie Bauyrzhan früher nimmt auch er regelmäßig an sogenannten Distanzrennen teil. „Mein erstes Rennen habe ich mit sieben Jahren geritten. Es führte über 20 Kilometer und hat mir alles abverlangt. So eine Strecke ohne Sattel, dann weißt du abends, was du gemacht hast“, erinnert er sich. Diese Langstreckenrennen sind in seiner Heimat viel populärer als die wenigen Veranstaltungen auf den zwei Rennbahnen, die es vor Ort gibt. „Zu Hause gibt es in den normalen Rennen nicht viel Geld zu verdienen. Bei den Distanzrennen finden sich aber oft Sponsoren, die für den Sieger einen Jeep hinstellen. Wer gewinnt, kann gleich vom Pferd aufs Auto umsteigen“, scherzt er und ärgert sich, dass genau an dem Tag, als er gewann, zufällig mal kein Sponsor vor Ort war. Die größte Rennbahn des Landes befindet sich in Almaty, der mit rund 1,8 Millionen Einwohnern größten Stadt Kasachstans, die neben der Hauptstadt Astana auch das kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Zentrum des Landes bildet.
Meistens kommt es anders…
Auf dem Rennplatz in Almaty hat Murzabayev im Alter von 15 Jahren dann auch sein erstes offizielles Rennen gewonnen. „Das war damals natürlich schon was, aber mehr und mehr wurde mir bewusst, dass ich woanders hin muss, wenn ich weiterkommen will. Und ein Jahr später war ich fest entschlossen, als Arbeitsreiter nach England zu gehen. Ich war schon fast auf dem Weg, dann kam irgendwas dazwischen. Was das damals war, weiß ich gar nicht mehr, auf jeden Fall fand ich mich kurze Zeit später mit einem Touristenvisum in Tschechien wieder.“ 2009 war das, damals verdiente Murzabayev seinen Lebensunterhalt am Stall des auch hierzulande bestens bekannten russischen Trainers Arslangirej Savujev. Doch mit Rennen reiten war damals noch nicht viel, das Hauptaugenmerk lag mehr auf der täglichen Stallarbeit. „So richtig los ging es dann im Jahr 2012, als ich mein Visum als Jockey bekommen hatte. Im ersten Jahr ritt ich nur magere sechs Sieger. Das war definiv zu wenig und ich überlegte mir, was ich besser machen konnte. Der Schlüssel zum Erfolg lag für mich darin, die Rennen im Nachhinein zu analysieren und mir Pferde für meine nächsten Ritte auszusuchen, bei denen irgendetwas im Rennen nicht optimal lief“, erläutert er seine Erfolgstaktik. „Ich rief dann einfach bei den Trainern an und fragte, ob ich das nächste Mal reiten darf. In der Regel klappte das. Ein Jahr später war ich das erste Mal Champion.“ Zwei weitere Titel (2014 und 2015), Erfolge im Derby und in der Diana sollten folgen. Erfolg spricht sich herum, und so wurde auch Jan Korpas, damals noch als Reiter aktiv, auf den jungen Erfolgsjockey aufmerksam.
Erste Erfolge in Deutschland
„Kennengelernt haben wir uns, glaube ich, schon Ende 2013, oder Jan? Ich bin dann immer gependelt, hatte auch schon früher immer mal wieder Ritte in Deutschland angenommen. Meinen ersten Sieger hier habe ich aber erst 2016 geritten, das war Volverino in Dresden. Das viele Hin und Her war aber irgendwann echt anstrengend. Deshalb freute ich mich umso mehr, als das Angebot kam, als Stalljockey fest am Stall von Eva Fabianova zu arbeiten. Jan hatte das damals arrangiert und wir hatten neben einem perfekten Arbeitsverhältnis auch eine Menge Spaß zusammen.“ Insgesamt konnte sich Murzabayev in 2017 über 42 Volltreffer in Deutschland freuen. M. U Poldi´s Liebling gelang ihm zum Ende des Jahres im Ratibor-Rennen sein erster Gruppetreffer in seiner neuen Heimat, dem bis heute drei weitere folgen sollten. Taraja in der Mehl Mülhens-Trophy, Potemkin in der Baden-Württemberg-Trophy und Sand Zabeel im Großen Preis der Mehl-Mülhens-Stiftung Gestüt Röttgen hießen im vergangenen Jahr die weiteren Pattern-Sieger für den dritten Mann am Wöhler-Stall.
Champion und Gruppe I-Treffer
„Ich werde auch 2019 wieder mein Bestes geben. Und wenn Sie mich fragen würden, ob ich Champion werden will, würde ich antworten: Na klar! Noch wichtiger ist für mich aber, dass ich in den größeren Rennen dabei bin. Ein Gruppe I-Sieg ist mein großes Ziel.“ Nach mehr als 400 Siegen in sechs verschiedenen Ländern wäre Murzabayev dann, wie er selbst sagt, dort angekommen, wo er immer hin wollte: Im Leben eines Spitzenjockeys…