Vom Fahrrad- in den Rennsattel

Der Faszination Galopprennsport ist schon so mancher erlegen. Ob der ehemalige englische Nationalspieler Michael Owen, Trainer Legende Sir Alex Ferguson oder hier in Deutschland die Fußball-Profis Thomas Müller, Nick Proschwitz oder Torsten Oehrl, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie alle sind dem Rennsport mehr oder weniger intensiv verfallen. Doch sie alle eint eine Tatsache: Auf einem Rennpferd wird man sie wohl nie sehen. Anders zeichnet sich die Sache im Falle der britischen Bahnrad-Legende Victoria Pendleton ab. Die Gold- und Silbermedaillen-Gewinnerin der Olympischen Sommerspiele von London (Gold im Keirin, Silber im Sprint) besuchte vergangene Woche zum ersten Mal in ihrem Leben das Cheltenham-Festival und war der Faszination des Sports auf der Stelle erlegen. Jetzt erwägt sie eine neue Karriere als Amateurreiterin.

Cheltenham als Inspiration
Nach den Spielen in der englischen Hauptstadt beendete die jetzt 34-Jährige ihre aktive Karriere im Oval und sucht offensichtliche eine neue sportliche Herausforderung. Tony McCoy und Ruby Walsh, selbst zwei Ikonen des Sports, bei ihren Auftritten im Prestbury Park zu sehen, waren Inspiration genug, den Fahrrad- gegen den Rennsattel tauschen zu wollen. Ihr Ziel: Im kommenden Jahr in Cheltenham an der Foxhunters Chase teilzunehmen. Dieses binnen eines Jahres zu erreichen, gilt vielen als äußerst ambitioniert, doch sollte die ehemalige Bahnrad-Pilotin mit demselben Respekt und Hingabe an diese Herausforderung herangehen, scheint dieses Unterfangen nur noch halb so unmöglich.

Ein namhaftes Team
Um den großen Traum Stück für Stück näher zu kommen, hat sich die Athletin, die mit der Wettbörse Betfair bereits einen prominenten Sponsor gefunden hat, ein namhaftes Team zusammengestellt. Sie wird unterstütz von Champion-Trainer Paul Nicholls und Yogi Breisner, einer Koryphäe des Hindernissports. Mit dem Training hat sie bereits kurz nach dem Festival begonnen. „Nur einen Tag nach Cheltenham bin ich über meine ersten Hindernisse gesprungen. Sie waren zwar nur zwei Fuß hoch, aber es hat sich gut angefühlt“, sagte Victoria Pendleton, die neben olympischen Lorbeer auch auf insgesamt sieben Weltmeister-Titel zurückblicken kann. „Yogi hat mich zuvor nicht gewarnt, sondern mich einfach aufs Pferd gesetzt. Auch wenn es nur ein kleiner Schritt war, so war es jedenfalls der erste Schritt. Es hat sich angefühlt, wie zu siegen. Ich werde hart arbeiten und  dabei von einem tollen Team unterstützt. Für eine Sache zu arbeiten und zu trainieren, habe ich wirklich vermisst.“ Dass sie zuvor noch nie auf einem Rennpferd saß, ist dabei besonders beeindruckend.     

Kritiker sind größter Ansporn
Mit Pferden kam Victoria Pendleton schon früh in Berührung. Ihr Vater brachte sie im Alter von elf Jahren zu den Ponys, das war fünf Jahre, bevor sie in die britische National-Bahnradequipe berufen wurde, doch Vollblüter sind ein ganz andere Liga. Zu ihrer Zeit als Profi-Sportler war sie immer mit Begeisterung bei der Sache und das ist sie nun auch wieder, wenn es darum geht, fit für den Rennsattel zu werden. Es geht ihr nun allerdings nicht mehr darum, die Beste zu werden, sondern es sich vielmehr selbst zu beweisen. „Ich habe im meinem Leben mehr erreicht, als  ich jemals zu träumen gewagt hätte und wahrscheinlich auch mehr erreicht, als mir viele zugetraut haben“, sagt sie heute. „Vor meiner Karriere sagte man mir, du bist zu klein, bist nicht muskulös genug, nicht kraftvoll genug und dass ich nicht die richtige Mentalität habe, um ein Champion zu werden. Das war mein größter Ansporn”, erzählt sie. „Wenn mir jemand sagt, du kannst das nicht, dann mache ich es erst recht.“

Dass sie ein Superstar der Amateurreiter-Szene auf der Insel wird, hat Pendleton, wie gesagt, nicht im Sinn. Es ist eine Arbeit der kleinen Schritte, bei der es nun in erster Linie darum gehen wird, schnellstmöglich in den Besitz einer entsprechenden Lizenz zu kommen. „Meine Motivation mit der Liebe zum Pferd und meinen Fähigkeiten in Einklang zu bringen ist jetzt das Ziel“, so die 34-Jährige aus Stotfold. „Wir haben uns ein ambitioniertes Ziel gesteckt, und wenn ich 2016 in Cheltenham starten will, dann will ich auch konkurrenzfähig sein.“

Respekt vor der Aufgabe
Die Jagdsprünge in Cheltenham hat Victoria Pendleton bereits in Augenschein nehmen können. Sie zeigte sich beeindruckt, doch bis sie zum ersten Mal eines der Hindernisse nehmen wird, wird ihr Weg sie über Novices‘-Rennen und Point to Point-Prüfungen führen. Man merkt ihr den Respekt an, den sie vor der neuen sportlichen Herausforderung hat. „Beim Radfahren kann man sich verletzen, doch das geht meist glimpflich aus, aber Rennen zu reiten, ist der wohl gefährlichste Sport. Wenn ich mich nicht so entwickle, wie ich mir das vorstelle, dann werde ich kein Risiko eingehen“, sagt Victoria Pendleton, die von ihren Freunden auf Grund ihrer kalkulierenden Art „Captain Sensible“ genannt wird. „Ich bin kein risikofreudiger Mensch, auch wenn die Idee in Cheltenham zu reiten, für viele idiotisch klingt. Ich sehe es als Chance, etwas zu lernen, von dem ich dachte, dass ich es irgendwann mal machen werde. Na, dann: Hals und Bein, Victoria Pendleton.     

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