Das etwas andere Rennpferd

Fast jeder Rennpferdebesitzer kennt dieses Gefühl. Die Hoffnung, einen richtigen Crack zu besitzen. Nicht jedem ist dieses Privileg aber vergönnt. Manchmal sind es auch die „normalen“ Galopper, die durchaus viel Freude bereiten können. Und dann wären da auch noch die vermeintlichen „Leistungsträger“, die im Endeffekt noch nicht einmal ihren Hafer verdienen können. Eine gesunde Mischung ist in der Regel der Weg zum Besitzerglück. Was aber tun, wenn man ein Pferd sein Eigen nennt, das weder in die eine noch in die andere Kategorie passt. So ein Fall ist der inzwischen sechsjährige Stafettino, der zweifelsfrei eine Menge Talent besitzt, seinem Umfeld in seiner Karriere aber auch schon einiges an Kopfzerbrechen bereitet hat, sein volles Potenzial sehr zum Leitwesen für seinen Besitzer Jürgen Heyne nicht immer abrufen kann.

Talent schon früh erkannt
Doch beginnen wir von vorne. Am 11. Mai 2012 erblickt ein kleiner Hengst in Hilgenroth das Licht der Welt, wird von seinem Züchter Werner Klein auf den Namen Stafettino getauft. Als Zweijähriger, zu diesem Zeitpunkt bereits als Wallach unterwegs und von Roland Dzubasz in Berlin trainiert, kommt der It´s Gino-Sohn zunächst zweimal in den Farben seines Züchters an den Start, reißt dabei aber noch keine Bäume aus. Talent lässt er aber, vor allem wohl bei seinem zweiten Start, aber so viel erkennen, dass mit Otto-Werner Seiler ein echter Pferdekenner auf ihn aufmerksam wird. Sichtlich beeindruckt empfiehlt er seinem Frankfurter Freund Jürgen Heyne, der durch mehrere Rennbahnbesuche mit dem Altmeister auf den „Geschmack Galopprennsport“ gekommen war, den Wallach zu kaufen. Auf zusätzliches Anraten von Trainer Roland Dzubasz kam das Geschäft schließlich zu Stande. Gesagt, getan, ab Oktober 2014 sollte Stafettino nun also die Rennfarben des Stalles Svenja tragen. Und das gleich sehr erfolgreich, denn beim ersten Start für diesen siegte er so überlegen, dass man als Besitzer schnell ins Träumen gerät. Doch noch keine drei Sekunden, nachdem Stafettino für seinen neuen Besitzer das erste Geld verdient hatte, dann die Schrecksekunde. Nur wenige Meter, nachdem Jockey Eduardo Pedroza mit seinem Partner den Zielpfosten passiert hatte, ging der Reiter zu Boden. „Zunächst dachten alle, das wäre unfreiwillig gewesen, doch schon kurze Zeit später erklärte mir Pedroza, dass er freiwillig „ausgestiegen“ sei. Stafettino wäre derart unkontrollierbar gewesen, so dass er es mit der Angst zu tun bekommen hätte,“ erinnert sich Seiler an den Sieg in Leipzig. Worte, die man als Beteiligter natürlich gar nicht gerne hört, vor allem nicht, wenn sie den Gemütszustand des eigenen Hoffnungsträgers beschreiben.

Angst vor der Startmaschine
Zu den Problemen, dass er meistens nur schwer bis gar nicht zu dirigieren war, kamen schnell noch weitere hinzu. Die Startmaschine mochte er zum Beispiel gar nicht. Nach einem zweiten Platz in einem Hamburger Ausgleich II folgten zwei Trainerwechsel. Nach einem kurzen Intermezzo bei Trainer Uwe Stech ging es ohne Umwege in die Heimat des Besitzers, ab sofort war Stafettino im Frankfurter Quartier von Heinz Hesse untergebracht. Doch auch der neue Coach sollte das Kopfproblem, mit dem sich der talentierte Vierbeiner meist schon vor dem Rennen alles kaputt machte, einfach nicht lösen können. Eine Sperrung für alle Ständestart-Prüfungen war die logische Folge. Die schiere Verzweiflung machte sich spätestens jetzt nicht nur bei Besitzer Jürgen Heyne breit. „Wie alle Beteiligten war ich damals mit meinem Latein am Ende. Ich habe hin- und her überlegt, es blieb nur die Möglichkeit, ihn einzuspringen und zu Pavel Vovcenko in Training zu geben, wo mein Freund Cevin Chan beschäftigt war. Diesen Vorschlag machte ich Jürgen Heyne dann auch. Mit der Abmachung, dass ich das Management übernehme, willigte er ein. Im Nachhinein eine gute Entscheidung,“ erklärt Otto-Werner Seiler den damaligen Wechsel zu Trainer Pavel Vovcenko.

Wechsel ins illegitime Metier
Nach einem hochüberlegenen Sieg in einem Vorbereitungsrennen in Sonsbeck sprang gleich beim Debüt über Sprünge ein zweiter Platz heraus. Am 8. Mai 2016 war es dann soweit, Stafettino sollte zum ersten Mal über Hindernisse triumphieren, und das gleich auf Gruppe II-Parkett in Mailand. „Danach hieß das Ziel das großes Hürdenrenn in Meran,“ erinnert sich Seiler auch daran heute gerne zurück. „Doch daraus wurde, Sie können es sich bestimmt denken, leider nichts,“ so Seiler weiter. Zweimal war Stafettino in Meran nicht zum Abspringen zu bewegen. Coach Vovcenko wusste nicht mehr weiter, Cevin Chan wollte ihn nicht mehr reiten. Dirk Fuhrmann, der inzwischen in Meran lebt und dort als Trainer angefangen hatte, sollte die Sache nun in die Hände nehmen. Der Standortwechsel von Bremen nach Italien war also beschlossene Sache. Doch schon nach drei Wochen hieß es wieder „der ist untrainierbar!“
 

Pferdeflüsterer Josef Vana
Doch kann das so nicht stimmen, denn der tschechische Spitzentrainer Josef Vana, an den sich Otto-Werner Seiler schnell erinnerte, – im Übrigen auch ein guter Freund – übernahm ab sofort in Chyse, eine Autostunde von Prag, das Training von Stafettino und brachte seinen Neuzugang gleich siegfertig heraus. „Er muss irgendwelche Tricks haben, die nur er kennt. Wenn ich ihn frage, wie er das hinbekommen hat, lächelt er nur, will aber nicht so recht raus mit der Sprache,“ erläutert Seiler die Situation. „Es ist uns aber auch egal. Hauptsache die Probleme sind weg und kommen nicht mehr wieder.“ Vier Rennen hat Stafettino inzwischen bereits für seinen neuen Trainer gewonnen. Zuletzt am vergangenen Montag, als er in einem 42.000er-Hürdenrennen in Fontainebleau locker und leicht nach Hause stiefelte. „Das sah nach deutlich mehr aus. Jetzt gehen wir nach Auteuil,“ so der „Racing Manager“ über die weiteren Pläne für seinen Schützling. „Und danach? Mal sehen, ein Sieg im Gran Premio Merano ist immer noch mein Traum!“
 

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