„Meine eigene Handschrift soll drunter stehen“

Obwohl er schon lange im Galoppsport unterwegs ist, dürfte sein Name bei vielen noch nicht so bekannt sein. Das könnte daran liegen, dass Marcel Weiß, der vor Kurzem am Diana-Stall das Amt des Chef-Trainers übernommen hat, in der Vergangenheit mehr im Hintergrund aktiv war. Eingefleischte Turf-Fans wissen aber, dass er vor allem in der Ruhr-Metropole kein Unbekannter ist. Bevor er die Tätigkeit des mehrfachen Derby-Siegtrainers Jens Hirschberger übernommen hat, arbeitete er bereits für viele Jahre als dessen rechte Hand und Futtermeister. Und auch wenn aller Anfang natürlich immer schwer ist, ganz ins kalte Wasser wird er also nicht geschmissen, ist zumindest mit den Gegebenheiten vor Ort bestens vertraut. Der vielerorts nur als „der Engländer“ bekannte Pferdemann hat nun mit uns über seinen neuen Job, seine Vergangenheit und natürlich über seine Ziele für die Zukunft gesprochen.

Sofort infiziert

Seine Leidenschaft für den Galopprennsport hat der inzwischen 43-Jährige im Jahr der Wende passenderweise in Berlin entdeckt. „30 Jahre ist das jetzt schon her“, fragt sich Weiß. „Unglaublich, aber ich erinnere mich noch, als wenn es gestern gewesen wäre. Ich war 13, und es war ein schöner Sommertag, als ich zum ersten Mal in Hoppegarten war. Die vielen verschiedenen Menschen, die schnellen Pferde.Ich war hin und weg, der Rennsportvirus hatte mich sofort gepackt. Über eine Freundin hatte ich schnell Kontakt zu Trainer Martin Rölke, in dessen Rennstall ich von da an jede freie Minute verbrachte.“ Ein Jahr später begann Weiß bei eben jenem Berliner Trainer dann auch seine Ausbildung, die er drei Jahre später erfolgreich abschloss. „Das waren meine ersten Schritte im Rennsport, nach der Lehre habe ich noch ein paar Jahre als Reisefuttermeister am Rölke-Stall gearbeitet. 1996 wechselte ich zu Hans Lubenow, dort blieb ich aber nur etwa 12 Monate“, erinnert er sich.

Schon lange am Diana-Stall tätig

„Dann bekam ich ein für damalige Verhältnisse unschlagbares Angebot aus dem Berliner Diana-Stall von Werner Haustein, das ich natürlich sofort annahm. Dort habe ich dann Herrn Ellerbracke kennengelernt, für den ich ja nun schon lange tätig bin.“ Doch auch dort verweilte Weiß letztlich nur kurz. Über eine kurze Zwischenstation bei Trainerlegende Heinz Jentzsch, der aus gesundheitlichen Gründen sein Traineramt zwischenzeitlich niederlegen musste, ging es dann an den Stall von Uwe Ostmann. „Dort suchte man damals einen neuen Futtermeister. Ich hatte Glück und bekam den Job, obwohl ich erst 22 Jahre alt war. Es folgten 14 prägende, tolle Jahre für mich. Uwe Ostmann, dem ich bis heute mit großem Respekt gegenübertrete, ist ein absoluter Pferdekenner. Von ihm habe ich unglaublich viel gelernt, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Er kommt auch heute noch ein bis zweimal in der Woche im Stall vorbei und steht mit Rat und Tat zur Seite.“ Letzteres gilt übrigens auch für Jens Hirschberger, den Mann, der Ende 2013 den Stall übernahm, als Ostmann mit 72 Jahren den wohlverdienten Ruhestand antrat. „Auch von ihm habe ich noch viel lernen können. Auch die Zusammenarbeit war immer top, wir kannten uns ja auch schon von der Zeit bei Heinz Jentsch, wo wir damals zusammengearbeitet hatten. Wir haben bis heute ein freundschaftlich-professionelles Verhältnis zueinander.“

Eigene Handschrift

Verändert hat sich im Diana-Stall nach dem Trainerwechsel erst einmal nicht viel, nur dass eben jetzt ein anderer das Sagen hat. „Die Abläufe sind in etwa gleichgeblieben, nur was das Training angeht, kommt jetzt natürlich meine eigene Note mehr zum Tragen. Denn man will ja auch niemanden kopieren, am Ende des Tages soll nach und nach meine eigene Handschrift drunter stehen.“ Nach eigenen Angaben hat der neue Coach ein gut eingespieltes, hoch motiviertes Team übernommen. Und dieses braucht es auch, wenn man in Mülheim in die Fußstapfen der Großen treten will. Und genau das hat sich Weiß, der aber auch weiß, dass er sich erst einmal beweisen muss, wie er es ausdrückt, vorgenommen. „Rennen gewinnen heißt das erste Ziel für das kommende Jahr. Aber wer mich und die Besitzer hier kennt, der weiß, dass es gerne auch ein paar größere sein können.“ 31 Pferde stehen aktuell bereit – sechs bis sieben kommen noch –, um diese Ziele umzusetzen. In den vergangenen Jahren waren es so gute Pferde wie die Gruppesieger Wild Chief oder Oriental Eagle, die für den Stall für Aufmerksamkeit gesorgt haben. Wir wollen wissen, wen es im Rennjahr 2020 ganz besonders zu beachten gilt. „Ältere habe ich ja gar nicht viele im Stall, von daher ist das eher einfach. Sweet Man, Lijian und Royal Lion sollten alle mehr als nur ihren Hafer verdienen. Schwieriger ist es bei den jungen Pferden, gleichwohl die Hoffnungen bei der einen oder dem anderen schon etwas größer sind. Bei den Stuten denke ich vor allem an Virginia Joy. Sie hat doch einiges an Potenzial. Das Ziel für sie ist ganz klar die Diana.“ Bei den Hengsten ruhen die Erwartungen auf dem noch nicht gelaufenen Torquator Tasso. Seine Trainingsleistungen bezeichnet sein Trainer als sehr ordentlich. „Wie die meisten unserer Zweijährigen hat er aber viel Zeit benötigt, weshalb Prognosen im Moment auch nicht ganz einfach sind. Er ist auf jeden Fall aber ein Hoffnungsträger“, heißt es über den Adlerflug-Sohn.

Unvergessene Zeit

Bei allen Blicken in die Zukunft schaut der neue Diana-Coach aber auch gerne immer mal wieder in die Vergangenheit zurück. Denn eine seiner schönsten Erinnerungen im Rennsport liegt schon etwas länger zurück. „Während der Zeit bei Martin Rölke war das. Damals hatten wir mit Artan den ersten Gruppesieger aus den Neuen Bundesländern im Stall. Er hat auch in Frankreich und Italien große Rennen gewonnen, und ich war fast immer mit dabei. Ich kann mich noch genau daran erinnern als er 1996 in Baden-Baden in Bahnrekordzeit das Spreti-Rennen gewann. Das war eine tolle Zeit“, erinnert er sich noch heute gerne zurück. Zurück in die Gegenwart: Was macht Marcel Weiß eigentlich so, wenn er mal nicht mit Pferden beschäftigt ist? „Mein größtes Hobby ist, auch wenn man es mir vielleicht nicht ansieht, das Kochen. Und toi toi toi, bis jetzt schaffe ich es eigentlich jeden Abend, diesem nachzugehen. Den Rest der wenigen Freizeit verbringe ich mit meiner Frau, meinen zwei Kindern und unseren beiden Familienhunden. Viel Zeit für anderes bleibt nicht mehr. Für wichtige Sachen muss man sich die Zeit dann einfach mal nehmen. Aus diesem Grund möchte ich an dieser Stelle gerne auch die Gelegenheit nutzen und mich stellvertretend für alle Besitzer bei den Familien Ellerbracke und Endres für das Vertrauen bedanken, das sie mir entgegenbringen. Ich hoffe auf viele, schöne gemeinsame Erfolge.“

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