Tabari: Deutschlands kleiner Galileo ist da

Es ist Fronleichnam, 14. Juni des Jahres 2001. In sechs Bundesländern ist der zweite Donnerstag nach Pfingsten ein gesetzlicher Feiertag. Ruhetag für viele Menschen, Betriebe und Institutionen. Nicht so für den Galopprennsport. Für den Sport der edlen Vollblüter gibt es keine Pause, nicht an jenem 14. Juni dieses Jahres. Gegen 18 Uhr lässt sich das Tages-Resümee ziehen. Der Hengst Banyumanik hat in Dortmund ein Grupperennen gewonnen. Vorher siegte dort auch die Stute Salonblue und der zweijährige Hengst Stolzing gewinnt ein Rennen in Italien. International erfährt man vom Karriereende der Superstute Petrushka. Alles am 14. Juni, alles an diesem Feiertag. Das letzte Pferderennen in Europa wird an diesem Tag um 20:08 Uhr entschieden. Um 20:09 Uhr könnte man also das Geschichtsbuch vorübergehend schließen, zumindest das Kapitel des 14. Juni beenden.

Doch dann hätte man die Feder wohl 54 Minuten zu früh nieder gelegt. Denn um 21:03 Uhr dieses Tages kommt im Gestüt Schlenderhan ein Fohlen zur Welt. Ein Fohlen, dessen Großmutter nur 120 Stunden zuvor einen ihrer größten Tage als Zuchtstute erlebt haben dürfte. Mehrere hundert Kilometer von jener Abfohlbox auf dem Gestüt in Quadrath-Ichendorf entfernt, ging nur fünf Tage zuvor ein neuer Derbysieger Englands in die Geschichte ein. Und das am 9. Juni auf der Derbybahn in Epsom nicht irgendein Pferd gewonnen hatte, musste jedem klar werden, der das Rennen live mitverfolgt hatte. "Jahrhundertpferd" oder gar "Überpferd" wurde er genannt, vom "Besten aller Zeiten" war die Rede. Der Name dieses Pferdes ist Galileo. Nach dem englischen Derby gewinnt der Hengst später auch das irische Pendant und schlägt in Ascot den Weltmeister Fantastic Light. Ein Überpferd eben.

Jener Galileo, der Wundergalopper, ist auch der Grund, warum man das deutsche Geschichtsbuch des Turfs an diesem 14. Juni frühestens um 21:03 und keine Sekunde früher schließen darf. Nicht zwingend deswegen, weil auf dem Tisch von Schlenderhans Gestütsleiter Gebhard Apelt zu dieser Zeit gerade Spaghetti Bolognese dampften, sondern weil die Stute Turbaine um genau diese Zeit ein kleines Fohlen zur Welt brachte. Nach erfolgtem Anruf, es sei soweit mit der Stute, wurden die Spaghetti kalt. Aber ein kleiner Hengst erwärmte die Herzen.

Der Vater dieses braunen Hengstes heißt Sadler´s Wells. Jener Hengst also, der auch für Galileo verantwortlich ist. Doch nicht nur das Blut väterlicherseits ist übereinstimmend, denn mit Allegretta haben die zwei auch dieselbe Großmutter. Die Mutter des Kleinen, Turbaine, ist Halbschwester von Galileos Mutter Urban Sea.

Nach dieser Achterbahnfahrt durch die Galopper-Blutlinien heißt das im Klartext: im Blut ist der Hengst ein ¾ Bruder zu Galileo, Deutschlands engster Verwandter zu dem irischen Superstar. Seit kurzem hat Deutschlands "kleiner Galileo" auch einen Namen, hört im Gestüt Schlenderhan auf "Tabari". Karin Baronin von Ullmann, Grande Dame des deutschen Turfs, hat dem braunen Fohlen den Namen gegeben, benannte ihn nach einem persischen Geschichtsschreiber.

Der Kleine und seine Mutter tummeln sich mit der Catella-Schwester Caesarea, deren Stutfohlen von Tiger Hill sowie einem kleinen Spectrum-Hengst aus der Evening Breeze auf einer der Koppeln des ältesten Privatgestüts Deutschlands. Tabari, der in derselben Boxe das Licht der Welt erblickte wie Catella und Solon, ist natürlich auch Bruder der Gruppesieger Tertullian und Terek. Seine zweijährige Schwester Tucana war nach den diesen beiden Hengsten drittes Produkt von Turbaine, steht im Rennstall von Peter Schiergen.

Die Vorzeichen stehen also gut, dass dieser kleine braune Racker einmal Turfgeschichte schreiben wird. Natürlich ist bis dahin noch ein weiter Weg, aber wer weiß, vielleicht hat das Gestüt Schlenderhan ja wirklich einen kleinen Galileo. Teuer, sehr teuer, wäre der Hengst schon jetzt. Wenn er denn verkäuflich wäre. Und vielleicht wird an einem Juli-Sonntag in einer Stadt im Norden Deutschlands nach einem großen Rennen ein Name besonders oft genannt werden. Vielleicht ist das dann Tabari, Deutschlands kleiner Galileo.

Und wer wundert sich noch darüber, dass Turbaine im nächsten Jahr wieder von Sadler’s Wells gedeckt werden soll? Und wenn man im Hause Apelt in Schlenderhan abergläubisch wäre, würde es dann in der Zeit der Fohlengeburten wohl so lange Spaghetti Bolognese auf die Gabel geben, bis Turbaine wieder Mama geworden ist.

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