„Es ist das beste Pferd, das ich jemals trainiert habe.‘ Eine Aussage von Trainer Andreas Schütz über Next Desert im Sommer 2002. Es war kurz nach dem souveränen Sieg des Hengstes im Deutschen Derby, und wohl alle, die dieses Rennen gesehen hatten, stimmten dem Kölner zu. Selten zuvor gewann ein Pferd derart imponierend das wichtigste Rennen des Jahres, es war die Demonstration eines Vollblüters von großer Klasse.
Doch es sollte auch schon der letzte Sieg des Wittekindshofers gewesen sein. Nach dem Derby kam er dreijährig nicht mehr an den Start, war im Winter im Gestüt. Unter großem Interesse der Öffentlichkeit fand 2003 sein Comeback statt, doch sowohl im Frühjahr in Baden-Baden wie auch bei seinen späteren Auftritten fehlte die Brillanz, die er dreijährig gezeigt hat.
Next Desert ging zunächst ins Heimatgestüt zurück, doch war frühzeitig klar, dass er nicht dort als Deckhengst aufgestellt würde. Seine neue Heimat wird das Gestüt Rheinberg sein, ein Standort, den Besitzer Hans-Hugo Miebach auch deshalb ausgesucht hat, weil er viele Stuten verspricht. Zahlreiche Gestüte sind nicht weit weg, Rheinberg selbst verfügt über eine umfängliche Herde, und Miebach selbst hat frühzeitig betont, dass es kopf- und qualitätsstarke Unterstützung aus Wittekindshof gibt.
Next Desert ist vom Pedigree her ein Hengst von typischem Wittekindshofer Zuschnitt. Sein Vater Desert Style ist ein Hengst, der nicht unbedingt als modern zu bezeichnen ist, seine Mutter Night Petticoat war eine erstklassige Rennstute, die sich auch in der Zucht hervorragend vererbt und vielleicht jetzt schon als eine der führenden Zuchtstuten des noch nicht so lange währenden Jahrzehntes bezeichnet werden kann.
Sie stammt aus der Familie 4, der Linie, die auf eine Stute namens Catnip zurückgeht, die der große italienische Züchter Federico Tesio bei den Newmarket December Sales 1915 für 75 Guineas ersteigerte. Ein Betrag, für den man heutzutage dort nicht einmal mehr ein anständiges Abendessen bekommt. (Natürlich ist dabei die Inflation noch nicht berücksichtigt…).
Einige Jahre später, 1925, trat der Begründer des Gestüts Erlenhof, der Frankfurter Großindustrielle M.I.Oppenheimer, in Kontakt mit Tesio und kaufte in der Folgezeit insgesamt neun Stuten aus dessen Besitz. Eine davon war die Catnip-Enkelin Nella da Gubbio, die 1926 als ungeprüfte Zweijährige nach Erlenhof kam, dort Mutter der Ausnahmestute Nereide (blieb ungeschlagen und wurde Mutter der Spitzenhengste Nuvolari und Nordlicht) sowie von Najade (Mutter von Niederländer) und Nanon wurde, über Nixe die Großmutter von Naxos, Nostradamus, Nisos, Nuclea und besonders Neckar.
Den Derbysieger hat Hans-Hugo Miebach wie viele andere große Erlenhofer noch als junger Mann in Dortmund, wo sie unter der Regie von Adrian von Borcke stationiert waren, in Aktion gesehen, und besonders deshalb hat es ihn besonders gefreut, dass diese Linie jetzt in Wittekindshof so erfolgreich ist. Über die Naxos-Tochter Nona, deren Right Boy-Tochter Nigeria und die wiederum aus dieser stammende Priamos-Tochter Nightlife, die noch auf das Zuchtkonto von Hubertus Liebrecht ging, kam die Familie ins Sauerland.
Nightlife brachte für Wittekindshof nur zwei Fohlen, Nightfever, einen mehrfach in besseren Rennen erfolgreichen Marduk-Sohn, und Nightrockette. Sie wurde dann verkauft, ging in die USA, wo die Familie noch im Audley Stud existiert. Nightrockette, eine Rocket-Stute, war dreifache Siegerin, konnte 67 Kilo und wurde 1988 als damals noch einzige Vertreterin ihrer Linie in Wittekindshof aufgestellt.
In ihren Gestütsjahren brachte sie acht Fohlen von ebensovielen Hengsten, wobei es logischerweise zu einer gewissen Streuung kam. Nach Nighthome (von Lidhame), der zweijährig im Vogelpark Walsrode platzierten Night Year (von Jareer, Mutter insbesondere des mehrfachen Listensiegers und Derbydritten Near Honor) und Night Scene (von Scenic) war Night Petticoat (von Petoski) das vierte Produkt der Nightrockette.
Es folgten noch die Listensiegerin und gruppeplatzierte Nightdance (von Shareef Dancer), Night Teeny (von Platini), Night Theatre (von King’s Theatre) und der bei Andreas Schütz im Training befindliche Nightwain (von Unfuwain).
Night Year und Nightdance sind unverändert in Wittekindshof, natürlich auch Night Petticoat. Oft kolportiert wird die „Entstehungsgeschichte“ der Stute. Als sie zur Bedeckung zu Petoski nach England reiste, in Begleitung von Wittekindshofs Gestütsleiter Karl Jörg, herrschte über dem Ärmelkanal ein heftiger Sturm.
Eigentlich sollte das Schiff gar nicht auslaufen, die Mitreisenden mussten unterschreiben, dass sie die Reise auf eigenes Risiko antreten. Zehn Stunden dauerte die Überfahrt, die Pferde wären beinahe verdurstet. Und als Jörg Petoski sah, bekam er einen Schreck, denn der Hengst war viel größer, als er vermutet hatte. Nightrockette war auch nicht gerade ein Zwerg.
Gepasst hat es trotzdem, obwohl Petoski, der später als Deckhengst in der Hindernispferdezucht tätig war, in England auch schnell abgeschoben wurde. Doch Night Petticoat war trotzdem eine erstklassige Rennstute. Sie war auf der Iffezheimer Jährlingsauktion, wurde aber für 28 000 Mark zurückgekauft.
Angeblich lehnten Mario Hofer und Peter Lautner die Stute damals für ihren Rennstall ab, „Petoski war ihnen zu suspekt“, meinte damals Karl Jörg. Bruno Schütz, der mit Produkten dieses Hengstes gute Erfahrungen gemacht hatte, nahm sie und formte sie zur Siegerin im Preis der Diana.
Sie war zweijährig einmal am Start, gewann dabei ein Maidenrennen über 1600 Meter in Düsseldorf. Dreijährig gewann sie als Jahresdebutantin das Las Vegas-Slenderella-Rennen über 2200 Meter in Mülheim gegen 16 Gegnerinnen mit Anno Luce und Niniska an der Spitze, war dann im Preis der Diana zweieinhalb Längen vor der Französin Tulipa, Anno Luce und La Blue.
Im Deutschen Herold-Preis (rossig) und im Düsseldorfer Deutschlandpreis war sie chancenlos, auch im Deutschen Stutenpreis besaß sie gegen Anno Luce und The Blade keine Möglichkeiten. Im Deutschen St. Leger lief sie zwar deutlich besser, doch hatte sie als Zweite auf die souveräne Siegerin Wurftaube schon elf Längen Rückstand.
So standen die Ravensbergerin und auch Night Petticoats Zuchtgefährtin La Blue mit 98 Kilo am Ende des Jahres im GAG drei Kilo über der Petoski-Tochter. Night Petticoat blieb auch vierjährig im Training, doch konnte sie bei vier Starts nur noch einmal Geld verdienen, als Fünfte im Aral-Pokal.
Im kommenden Frühjahr reiste sie nach Irland, wo sie als ersten Partner Desert Style aufsuchte. Der von Green Desert stammende Hengst war damals noch ein unbeschriebenes Blatt als Vererber. Jim Bolger hatte ihn für Maktoum als Maktoum trainiert, er war ein schnelles und frühreifes Pferd, das zwei- und dreijährig elf Rennen bestritt und fünf Mal gewann.
Zweijährig war er in zwei kleineren Rennen über jeweils 1200 Meter erfolgreich und belegte dritte Plätze in den Heinz 57 Phoenix Stakes und den National Stakes. Dreijährig gewann er ebenfalls ausschließlich in Irland, den Phoenix Sprint über 1200 Meter und die Tetrarch- sowie die Ballycorus Stakes über 1400 Meter. Zum Abschluss seiner Karriere belegte er Rang zwei in der Hong Kong Invitational Bowl über 1400 Meter.
Sein Vater gehört zweifellos zu den besten internationalen Vererbern der letzten Jahre, seine Mutter Organza ist Schwester von Brocade, der Mutter von Barathea.
Desert Style wurde zunächst im Corbally Stud in Irland für eine Taxe von damals umgerechnet rund 4 000 Euro aufgestellt. Gleich in seinem ersten Jahrgang landete er einen großen Treffer, denn sein Sohn Bachir gewann für Godolphin die Irischen 2000 Guineas (gegen Giant’s Causeway) und das französische Pendant, die Poule d’Essai des Poulains. Er steht aktuell als Deckhengst in der Shadai Stallion Station auf Hokkaido in Japan, ist aber noch in Darley-Besitz.
Weitere gute Produkte von Desert Style sind Cape Town, Stormy Summers, Tres Sheik und Jessica’s Dream, in erster Linie Sprinter und Meiler. Die vierzig Jährlinge, die von ihm 2003 in Europa verkauft wurden, erzielten einen Schnitt von etwa 45 000 Euro.
Desert Style deckt aktuell im Morristown Lattin Stud in Irland für eine Decktaxe von 10 000 Euro (sie betrug im vergangenen Jahr noch 12 750 Euro), wobei das letzte Jahr für ihn auch hätte besser sein können. Interessant ist sicherlich, dass er mit Next Desert einen Steher gebracht hat, die Mutter hat sich da also besonders bemerkbar gemacht.
Next Desert hatte seinen ersten öffentlichen Auftritt bei der BBAG-Jährlingsauktion in Iffezheim 1999. Er hatte die Katalognummer 172, was indirekt schon entscheidend für den Nicht-Verkauf des Hengstes war. Denn das Gestüt Wittekindshof hatte zuvor bereits einige sehr gute Verkäufe getätigt. El Honor, La Dane, L’aspect, Nordbird, Salon Turtle und Sweet Shareef waren zu diesem Zeitpunkt sämtlich für sechsstellige Mark-Beträge zugeschlagen worden, so dass sich Hans-Hugo Miebach entschloss, bei Next Desert zumindest bis zu einem bestimmten Betrag mitzubieten. Das waren 160 000 Mark, wofür der Rückkauf erfolgte.
Next Desert wechselte dann in den Stall, in dem auch schon seine Mutter gestanden hatte: Andreas Schütz hieß der Trainer. Seinen ersten Start absolvierte er am 12. August 2001 im Ernst Glink-Rennen in Köln über 1400 Meter, ein Rennen, das zuvor und auch danach ständig von guten bis sehr guten Pferden bestritten wurde.
In den letzten beiden Jahren hießen die Sieger Martillo und Glad Lion. Auch Next Desert hatte es gleich mit einem guten Konkurrenten zu tun, dem späteren Winterfavoriten Peppershot, den er aber als 18:10-Favorit überlegen mit viereinhalb Längen Vorsprung abfertigte.
Next Desert lief dann nur noch einmal, im Dortmunder Auktionsrennen, in dem er zur lächerlich geringen Quote von 12:10 gesattelt wurde. Mit sieben Längen canterte er die Konkurrenz ab, Zweiter wurde Soave, dahinter war die Klasse der Teilnehmer nicht mehr allzu hoch, doch war das sicherlich kein Maßstab.
Kurz hatte man mit Next Desert noch einen Start im Ausland im Hinterkopf, doch wurde dies wieder verworfen. Er bekam Ende des Jahres ein GAG von 93,5 Kilo, womit er unter Peppershot, Flying Dash und Stolzing sowie gleichauf mit Narooma rangierte.
Next Desert startete dreijährig im Preis des Gestütes Wiesenhof, dem Dr. Busch-Memorial, in die Saison. Gegen Orfisio, Whisperer und Sunstreet hatte er als 13:10-Favorit ernsthaft keine Schwierigkeiten, weswegen er auch im klassischen Mehl Mülhens-Rennen als 16:10-Favorit an den Ablauf kam. Bei relativ abgetrockneter Bahn bezog der Wittekindshofer die erste Niederlage seiner Laufbahn, der Engländer Dupont erwies sich als stärker.
Allerdings wirkte Next Desert auch vor dem Rennen optisch nicht so ansprechend wie bei manchem Start zuvor. Dupont bestätigte den Sieg später als Vierter auf Gruppe I-Ebene in Royal Ascot, verlor dann aber komplett die Form.
Lange sah es dann so aus, als ob Next Desert danach direkt das Derby ansteuern sollte. Erst am Morgen des Oppenheim-Union-Rennens entschied Trainer Andreas Schütz, ihn im wichtigsten Derby-Trial aufzubieten, 4,4 zeigte das Bodenmessgerät. Ausgesprochen leicht setzte sich Next Desert unter Terry Hellier, der bis dahin sein Partner war, gegen Levirat und Auenteufel durch.
Es war nur logisch, dass der Hengst im Deutschen Derby als Favorit antreten würde, zumal er in der Union die teilweise noch bestehenden Zweifel an seinem Stehvermögen ausgeräumt hatte. 36:10 stand er am Toto, dahinter folgte Godolphins Mamool, und auch Next Deserts Trainingsgefährtin Salve Regina, die Siegerin im Preis der Diana, fand einiges Interesse.
Doch als Andrasch Starke, der erst wenige Tage zuvor seinen ersten Ritt nach einer halbjährigen Sperre absolviert hatte, eingangs der Zielgeraden Gas gab, war die Konkurrenz nur Statisterie. Salve Regina und Tomori komplettierten dahinter die Schütz-Dreierwette, Mamool wurde hinter Ammonias Fünfter. Das war eine beeindruckende Leistung, und es besteht kein Zweifel daran, dass Next Desert, auch wenn er nie wieder ein Rennen gewinnen sollte, die Nummer eins im Jahrgang war.
Es war im weiteren Feld sicher ein durchschnittliches Derby, mit Ausnahme von Salve Regina, mit Abstrichen die gesundheitlich später angeschlagene Tomori, Mamool, dessen Stern aber erst vierjährig so richtig aufging, und Epalo, der nur Vorletzter wurde, für den Ähnliches gilt wie Mamool.
Next Desert sollte dreijährig nicht mehr an den Ablauf kommen. Es gab immer wieder Spekulationen über weitere Starts, das war vor Baden-Baden der Fall, aber auch vor dem Prix de l’Arc de Triomphe. Im Spätherbst ging er dann für einige Wochen ins Gestüt, wo er physiotherapeutisch behandelt wurde.
Im abgelaufenen Jahr lief Next Desert dreimal. An die Form aus dem Jahr 2002, an dessen Ende er ein GAG von satten 100 Kilo bekam, konnte er letztlich nicht mehr anknüpfen. Sein mit Spannung erwartetes Comeback ging im Frühjahr in Baden-Baden über die Bühne.
Im dreiköpfigen Schütz-Aufgebot war er der Ritt von Andrasch Starke und logischer 18:10-Favorit, doch hatte er auf ausgesprochen schneller Bahn gegen den Tempobolzer Epalo keine Chance, auch Salve Regina war auf den letzten Metern stärker. Der trockene Sommer war sicher nicht nach Next Deserts Geschmack, und sein Trainer meinte noch unlängst in einem Gespräch, ohne allerdings näher auf irgendein Pferd einzugehen, dass die Dürre doch mit verantwortlich für die eine oder andere Verletzung gewesen sei.
Next Desert lief dann erst wieder im August in Köln, im Credit Suisse Private-Banking-Pokal, wo er hinter dem Trainingsgefährten Dai Jin Zweiter wurde, aber immerhin den Gruppe I-Sieger Warrsan hinter sich ließ. Das war sicher seine beste letztjährige Leistung, denn in Baden-Baden gab er sich im Großen Bugatti-Preis aus guter Haltung in der Geraden vom einen auf den anderen Galoppsprung geschlagen, wurde nur Sechster.
Sein Besitzer machte sich später Vorwürfe, dass er auf relativ trockener Bahn gestartet sei, denn kurze Zeit später kam die Nachricht, dass der Hengst keine Rennen mehr bestreiten würde. Doch das ist nur Spekulation, und es ist sicher bedauerlich, dass der vierjährige Next Desert nicht einmal weichen Boden angetroffen hat.
Seine jüngere Schwester Next Gina wird im Rennstall bleiben. Sie stammt aus einem der irischen Jahrgänge von Perugino, war zweijährig nicht am Start, doch war früh zu hören, dass sie über großes Können verfügen solle.
Sie ist Siegerin im Buchmacher Springer-Preis der Diana, den sie sogar als Favoritin gewann, auch wenn sie zuvor nach ihrem frühen Maidensieg in wichtigen Vorbereitungsprüfungen inklusive Henkel-Rennen nicht gewinnen konnte, durchweg aber auch sehr schlechte Rennverläufe hatte.
Sie lief auch später im Derby als Vierte sehr stark, doch ist sie sicher nicht die größte Steherin, ist eher auf Distanzen um die 2000 Meter zuhause. Auch im Prix de l’Opera über 1850 Meter am „Arc“-Tag hat sie sich nicht schlecht aus der Affäre gezogen. Man darf auf sie in diesem Jahr sicher gespannt sein.
Wie sie wird auch der aktuell drei Jahre alte Next Society (von Law Society) von Andreas Schütz trainiert, während der in Baden-Baden zurückgekaufte, jetzt Zweijährige Next Honor (von Highest Honor) im Moment im Stall von Uwe Stoltefuß steht. Im Jahr darauf wurde Night Petticoat nicht gedeckt.
Next Desert Dienste sind für 5000 Euro Decktaxe zu haben. Er stammt von einem frühreifen, schnellen Green Desert-Enkel aus einer erstklassigen Linie, seine Mutter war eine hochklassige Stute, die nach ihm immerhin gleich noch einmal eine Gruppe I-Siegerin gebracht hat. Er selbst war eindeutig der Chef in seinem Jahrgang und hatte das Pech, gerade vierjährig auf mehrfach unpassendem Boden anzutreten. Es gibt sicherlich unspannendere Deckhengste.











