„Wenn ich etwas über Galopprennen höre, fällt mir immer direkt der Name Hein Bollow ein.“ Das hat Udo Lattek, Fußball-Trainer im (Un-) Ruhestand, einst gesagt. Das ist lange her. Aber Hein Bollow, dessen Name für eine ganz Sportart steht, ist nach wie vor immer und überall dabei, wenn es um Pferde geht. Auf der Kölner Heimatrennbahn, bei der Derbywoche in Hamburg, in Baden-Baden, sogar beim volkstümlichen Meeting in Bad Harzburg, und auch bei den Winterrennen in Neuss.
Wenn Pferde laufen, ist Bollow meistens auch da, die lebende Legende des deutschen Galopprennsports. Irgendwie bestätigt sich immer wieder, was seine verstorbene Frau Margot über ihn einmal gesagt hat: „Ins Theater oder in die Oper würden Sie den Hein nur bekommen, wenn auf der Bühne Pferde angebunden wären.“ Viel passender kann man die Liebe zu den Pferden kaum ausdrücken.
Es gibt viele große Namen in diesem Sport, so populär wie Bollow ist keiner. Bollow – das ist mehr als ein Name. Es ist ein Markenzeichen. Ein Markenzeichen für Erfolge und ein Markenzeichen für Volksnähe. Auch heute noch, mehr als 15 Jahre nach dem Abschied aus dem Kreis der Aktiven. Kein anderer lebender Galopp-Aktiver rund um den Globus hat das geschafft, was ihm gelang: als Jockey und als Trainer jeweils mehr als 1000 Rennen zu gewinnen.
Exakt 1034 Erfolge hatte Bollow im Rennsattel bis zum Ende der Jockeykarriere 1963 erreicht. Seine Siege im Deutschen Derby zählen zu den Sternstunden des Turfs im letzten Jahrhundert: 1953 mit Allasch, 1954 mit Kaliber, 1956 mit Kilometer und 1962 mit Herero gewann Bollow das Blaue Band in Hamburg. Und es war der denkwürdige 4. Juli 1954, an dem Bollow mit Kaliber sein zweites Derby gewann. Um 16.21 Uhr passierte der in Hamburg-Nienstedten geborene Jockey unter dem grenzenlosen Jubel von 30.000 Zuschauern den Zielpfosten auf der Rennbahn in seiner Heimatstadt. Exakt 114 Minuten später schießt Helmut Rahn das entscheidende Tor beim WM-Finale in Bern und machte Deutschland zum Fußball-Weltmeister.
Als Trainer gelangen Hein Bollow phantastische 1661 Siege. Am 18. Dezember 1988 verabschiedete er sich dann aus dem Kreis der Aktiven. Der Mann, der Niederlagen grausam fand, als jemand, den unbändiger Siegeswillen und Ehrgeiz auszeichnete, wollte es mit einem Sieg tun. Es hat nicht sollen sein: „Es tut mir sehr leid für Sie, dass Oldtimer heute als heißer Favorit geschlagen war. Der Hengst hat sein Bestes gegeben, aber jedes Rennen wird erst am Zielpfosten gewonnen. Sie sind mir hoffentlich nicht böse“, sprach er daraufhin zum Publikum. Hein Bollow war eben immer ein Mann des Volkes.
Die letzten richtig großen Ovationen seiner Fans hatte er einige Zeit vor diesem letzten Karriere-Starter als Trainer erlebt. 1988, im Jahr des Abschieds, gewann Kondor den Preis von Europa. Weidenpesch stand Kopf, als Hein Bollow, Kondor und Jockey Peter Remmert die „Via triumphalis“ beschritten. „Man soll abtreten, wenn man oben steht“, begründete Bollow seinen durchaus überraschenden Entschluss des Rücktritts in jenem Jahr.
Mehr als 15 Jahre ist das jetzt her. 15 lange Jahre, in denen er vom Bazilllus Turf überhaupt nicht geheilt wurde. Hein Bollow steuert auch heute noch mit Regelmäßigkeit seinen PKW auf die Parkplätze der Hippodrome dieser Republik. Bevorzugt auf die Rennbahn, die über die Jahrzehnte der Trainertätigkeit seine Heimat war: Köln-Weidenpesch. Der Mercedes mit dem Kennzeichen K-HB steht eigentlich immer da, wenn Rennen dort sind.
Der Mann ist im Dezember 83 geworden, er hört auch nicht mehr ganz so gut, aber ihm entgeht nichts und er weiß nach wie vor über alles Bescheid. Und oft, wenn man mit Bollow spricht, kommt das Thema auch auf Hubertus Fanelsa. Der war lange Jahre Futtermeister bei Bollow, so etwas wie dessen rechte Hand, beide haben auf diese Weise gemeinsam die großen Zeiten beispielsweise von Nebos erlebt. Wenn Fanelsa nicht in Bremen trainieren würde, sondern in Köln, wäre Bollow wahrscheinlich mehrfach in der Woche am Stall.
Hein Bollow blickt heute sichtlich gerne auf die Zusammenarbeit zurück. Dies irgendwie auch mit deutlich erkennbarem Stolz, dass Fanelsa es in ganz vielen Dingen so macht, wie er es bei Bollow gelernt hat: „Der Hubsi hat alles kapiert und das meiste umgesetzt. Wenn jemand mit so bescheidenem Material arbeitet und dann erfolgreich ist, freue ich mich über jeden Erfolg. So ein Askant oder so ein Glen Shadow, die kamen doch irgendwie von unten und machen den Besitzern richtig Freude. Und die laufen auch mit sechs Jahren ja noch immer und immer wieder nach vorne.‘
Und Fanelsa selbst freut sich natürlich, wenn Bollow da ist: „Zu meinem Lehrmeister Hein Bollow wird für alle Zeiten eine ganz persönliche und herzliche Verbindung bestehen.“ Eines der Pferde im Bremer Fanelsa-Stall ist die Stute Blaue Woge, die Hein Bollow gezogen hat. Kein Überflieger. Aber ein Pferd, was im Jahr 2004 sicherlich für den einen oder anderen Sieg gut ist.
Bollow wird die Starts der Stute mit Argusaugen verfolgen. Nicht nur diese. Er sieht die allermeisten Rennen, die in Deutschland gelaufen werden. Wenn nicht live, dann zu Hause am Fernseher. Und Bollow weiß nach dem Rennen Bescheid. Da kommt es nicht selten vor, dass noch im Absattelring neben Glückwünschen für die Sieger auch Trost für die Geschlagenen kommt. „Das Rennen müssen Sie schnell vergessen, das passiert“, spielte Bollow in einem Fall auf einen miserablen Rennverlauf an. Er hatte das wirklich alles haarklein beobachtet. Ein Großer dieses Sports, wie er leibt und lebt.











