Dienstagmorgen, 7.00 Uhr. Eine unchristliche Zeit für einen Journalisten. Nicht aber für einen Championjockey. Während wir mit noch halbgeschlossenen Augen den Asterblüte-Stall von Peter Schiergen betreten, ist Filip Minarik bereits voll bei der Arbeit. Das erste Lot befindet sich auf dem Ring, es ist noch zu dunkel, um auf der Bahn zu galoppieren. ‚Mit dem Aufstehen habe ich überhaupt keine Probleme, ich werde morgens von selbst wach, brauche auch keinen Wecker, bin darauf eingestellt. Problematisch wird es nur, wenn mal man ausschlafen kann, denn dann bin ich trotzdem um diese Zeit schon wach‘, erklärt der Tscheche, der auf einem Bruder von Bailamos sitzt, der einige Probleme hatte.
‚Und, wie gibt er sich?‘, fragt Trainer Peter Schiergen. ‚Schon besser als zuletzt‘, erklärt Minarik, der für diese Uhrzeit schon recht lebendig wirkt, mit seinen Kollegen flachst, während manch anderer angesichts der noch recht frühen Tageszeit den Mund noch nicht so richtig aufbekommt.
‚Vier Lots reite ich in der Regel, in Ausnahmefällen sind es auch fünf‘, erklärt uns Minarik beim Absatteln. Ein kurzer Blick auf die Tafel, auf denen der Trainer die Lots zusammengestellt hat, verät, dass das nächste Pferd, das er satteln muss, Zakopane ist, eine dreijährige Stute aus dem Gestüt Bona.
‚Sie arbeitet immer riesig, im Rennen zeigt sie dann aber nicht, was sie wirklich kann‘, erklärt der 31-jährige. Klar, wenn man im fünften Jahr am gleichen Stall tätig ist, kennt man die Pferde aus dem Eff Eff. Diesmal geht es auf die Bahn. Eine schnelle Arbeit mit dem Schimmel Madresal ist angesagt. Zakopane hält gut mit. ‚Gut, halt so wie immer‘, lautet Minariks Antwort auf die Frage seines Trainers, wie die Stute gegangen sei.
Absatteln, führen, abspritzen lassen, alles Routine, alles schon zigtausendmal gemacht, dann wartet schon das nächste Pferd. Ein noch nicht gelaufener zweijähriger, Earlsalsa. ‚Er hat schon gut gearbeitet, auf ihn bin ich mal gespannt‘, erklärt uns Minarik. ‚Du gehst auf der Grasbahn mit Guarino‘, gibt Peter Schiergen die Order für den Galopp. Gesagt getan, beide Pferde zeigen eine schöne Arbeit, Earlsalsa steht kurz vor seinem ersten Start. ‚Er hat gut gearbeitet, ich bin mal gespannt auf ihn‘, so Minarik anschließend.
Drei Lots sind nun geritten, Zeit für eine Pause. ‚Die ist aber nicht lang, erklärt Minarik, als er seinen Helm in seinem Spind im Aufenthaltsraum ablegt. Im Büro des Trainers gibt es bei einer Tasse Kaffee und drei, vier Keksen eine kurze Lagebesprchung. ‚Hast Du schon was im Ausgleich III in Halle?‘, fragt Peter Schiergen seinen Angestellten.
‚Nein, das lässt sich einrichten‘, antwortet dieser, der vom Trainer dort für die Stute Asterna eingeplant ist. Neueste Informationen werden ausgetauscht, die Stimmung ist gut. Mit Peter Schiergen und Filip Minarik scheinen sich ohnehin zwei gesucht und gefunden zu haben. Denn wer den Asterblüte-Coach kennt, weiß, dass Fleiß und Zuverlässigkeit bei ihm ganz groß geschrieben werden.
Und in diesem Punkt machen Minarik nur wenige etwas vor. Bedauernswert schnell ist die Pause schon wieder vorbei, das letzte Lot steht an. Moon Shade, ein zweijähriger Ammerländer ist der letzte Ritt für diesen Tag. Das ist übrigens nicht immer so, denn gelegentlich, wenn ein besonderer Ritt ansteht, fährt Minarik dann auch schon mal mitags noch zu einem anderen Trainer. Heute aber nicht. Auch beim Galopp mit Moon Shade gibt es keine Probleme, gegen 11.30 Uhr ist Minariks Job am Stall erledigt.
Zeit, noch ein wenig mit den Kollegen zu flachsen. Doch da die meisten mittlerweile etwas müde sind, dauert das nicht zu lange. Rein in den Wagen, und dann ab nach Hause, die Wohnung des Champions ist lediglich rund einen Kilometer von der Rennbahn entfernt. Zuhause angekommen macht sich der Tscheche erst einmal einen Salat, dann ist Mittagsruhe angesagt, das Sofa wartet.
‚Von 12 Uhr bis 14 Uhr ist das Büro geschlossen, mein Mittagsschlaf ist mir heilig‘, erklärt der Jockey, um jedoch anzufügen, dass er das Handy jedoch nicht ausschaltet. ‚Man weiß ja nie‘, sagt der Champion. An der Wohnungseinrichtung lässt sich schnell erkennen, dass wir bei einem Jockey zu Besuch sind, denn zahlreiche Bilder von seinen größten Erfolgen zieren die Wände.
Nach der verdienten Mittagsruhe wird erst einmal die Sport-Welt mit den Ergebnissen vom Wochenende studiert. ‚Heutzutage muss man als Jockey schon über alles informiert sein. Ich will alles wissen, es interessiert mich auch alles. Der Rennsport ist mein Leben und alles macht mir riesigen Spaß‘, bringt uns Minarik eines seiner Erfolgsgeheimnisse näher.
Halb vier ist es mittlerweile, nun beginnt der andere Teil der Arbeit eines erfolgreichen Jockeys. Das Management. Ohne Computer, Handy und Telefon geht das im High-Tech-Zeitalter natürlich nicht mehr. ‚Ich habe letztens mal auf meine Telefonrechnung geschaut, sie betrug 600 Euro! Ich habe rund 120 Stunden im Monat telefoniert. Kann das überhaupt sein?‘, staunt der Tscheche über sich selbst.
‚Es ist aber nicht so, dass ich nur Dienstags am Computer sitze, ich sehe mir auch Donnerstags oder Freitags vor den Rennen im Internet noch einmal die Rennen der Pferde an, die ich reite, oder auch die der Gegner. Manchmal sogar bis zu den letzten drei Rennen. Ich kenne dann nicht nur meine Pferde, sondern kann auch die Gegner einschätzen. Das habe ich von meinem Freund Olaf Schick, der ist in dieser Beziehung regelrecht verrückt, ein echter Freak‘, erläutert Minarik.
Nach getaner Arbeit klingelt es an der Tür, Christopher Ceballos-Sanchez, Auszubildender am Asterblüte-Stall kommt zu Besuch. ‚Ich helfe ihm auch ein bißchen bei den Ritten, kenne ja auch schon mehr Leute, beispielsweise auch im Osten, da kann man manchmal schon etwas machen‘, erklärt Minarik.
Apropos Osten. Kaum ein Renntag in den Neuen Bundesländern, an denen der Champion nicht im Einsatz ist. ‚Ich nehme alles mit, allerdings sind die Touren in den Osten vom finanziellen Gesichtspunkt nicht so attrraktiv, wenn man Pech hat, kommt man manchmal gerade auf Plusminus null. Und wenn man nichts gewinnt, ist man abends natürlich auch ganz schön platt, wenn man gewinnt, sind die Rückfahrten dann natürlich leichter zu ertragen. Ein Problem ist jedoch, dass man manchmal, wenn man spät in der Nacht zuhause ankommt, so aufgedreht ist, dass man gar nicht schlafen kann.‘
Nachdem der Asterblüte-Azubi versorgt worden ist,wird wieder das Telefon in die Hand genommen. Die Nummer einer Mietwagenfirma ist längst im Telefon eingespeichert. ‚Ich fahre in der Regel mit Leihwagen zu den Rennen, denn hier in Deutschland verlieren Autos unheimlich schnell an Wert. Und auf rund 45.000 bis 50.000 Kilometer komme ich im Jahr. Ich kenne mittlerweile jede Tankstelle in Deutschland‘, der, nachdem das Auto reserviert ist, schnell noch mal seine e-mails checkt.
‚Jetzt muss ich erst einmal einkaufen, natürlich nur Bio-Produkte, und ich ernähre mich auch nur vegetarisch‘, sagt Minarik, als er sich in den Wagen schwingt und zum Supermarkt fährt. Doch das war natürlich nicht ernst gemeint. ‚Ich esse völlig normal, mit dem Gewicht habe ich keine großen Probleme.‘
Beneidenswert, aber wahr, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen sieht man Filip Minarik nur selten um oder auf der Kölner Rennbahn laufen. ‚Ich bin auch so fit wie ein Turnschuh, durch das viele reiten. Laufen muss ich eigentlich nur, wenn einmal ein ganz leichtes Gewicht ansteht. Ins Fitness-Studio gehe ich auch nicht, da baut man dann höchstens Muskeln auf und dann werde ich zu schwer‘, ist die Erklärung.
Statt ins Fitness-Studio führt der Weg des Champions in das Buchmachergeschäft auf der Kölner Rennbahn. Aber nicht um zu wetten, sondern mittels Racing Post und Paris-Turf über das internationale Geschehen aufzuklären. ‚Oft sehe ich mir auch die großen englischen Rennen im Internet an oder halt auch einmal französiche Rennen live, wenn was Interessantes ansteht. Häufig bin im Internet auch auf GaloppOnline.de‘, sagt Minarik.
Abends trifft sich der Champion dann noch mit Freunden zu einem Glas Wein. Natürlich auch Freunde aus dem Rennsport. Der ist sowieso sein Leben. ‚Ob ich später einmal Trainer werde, was ich genau mache, ich weiß es nicht, es kann ja auch keiner sagen, was mit dem Rennsport hier einmal wird. Als ich zuletzt zwei Tage gesperrt war, war ich bei PremiereWin in München als Studiogast.
Das hat mir Riesenspaß gemacht, ich habe es mir auf DVD aufzeichnen lassen. So etwas würde ich gerne machen. Ganz toll finde ich zum Beispiel den französischen Sender Equidia. Die haben teilweise fantastische Berichte und Reportagen über den Rennsport in aller Welt. Wenn ich diesen Sender zuhause hätte, würde ich gar nicht mehr aus meiner Wohnung rauskommen‘, so Minarik.
Aber wie gesagt, was einmal wird, das weiß Minarik noch nicht genau. ‚Ob ich mal nach Tschechien zurück gehe oder nicht, ich kann es noch nicht sagen. Mein Geld habe ich jedenfalls in meiner Heimat investiert. Aber es ist noch alles offen‘, sagt Minarik, dessen Tag sich gegen 23 Uhr dem Ende entgegen neigt. Das Bett ruft, denn in nur wenigen Stunden warten schon wieder die Pferde. Und dann geht alles wieder von vorne los…