Sonntag, Grand Prix-Aufgalopp, das erste Listenrennen der Grassaison wird gelaufen. Die Pferde sind in der Zielgeraden, auf der Tribüne dreht eine Person ziemlich durch, schmeißt fast eine komplette Stuhlreihe um, der Mann finisht, als ob es um sein Leben ginge. Es ist Guido Schmitt, Besitzer der vierjährigen Stute Fleurie Domaine. Die Unfuwain-Tochter greift gerade den für unschlagbar gehaltenen Favoriten Aolus an.
„Ich bin während des Rennens um zehn Jahre gealtert“, sagt der 32-jährige, der sich im „richtigen Leben“ als Vorstand einer Beteiligungsgesellschaft und der Börseninformationsgesellschaft „Stock-World Media“ sicher nur selten so gehen lassen kann.
Schmitt ist der beste Beweis, dass auch ein so genannter „kleiner Besitzer“ ein erfolgreiches Pferd haben kann. Dabei ist Fleurie Domaine erst das zweite eigene Pferd des Düsseldorfers, was keinesfalls bedeutet, dass er ein Neuling in der Rennsportszene ist.
„Ich gehe seit zwanzig Jahren zur Rennbahn, ein Onkel von mir hat mich damals immer mitgenommen. So lernte ich mehrere Leute kennen, hatte auch Bekannte, die selber Pferde besaßen. Zunächst war ich auch Mitglied im Galopp Club Deutschland, doch der Wunsch, ein eigenes Pferd zu besitzen, war immer da.“
Als sich die finanziellen Möglichkeiten ergaben, diesen Traum zu realisieren, kontaktierte Schmitt Mario Hofer, da er diesen durch die Arbeit mit den Galopp Club-Pferden als absoluten Fachmann und guten Trainer zu schätzen wusste.
„Ich sagte Herrn Hofer, er solle mich anrufen, wenn er ein Pferd für mich hätte. Eines Tages rief er an, und ich kaufte die Stute Dawn’s Dancer, einen England-Import. Sie gewann zwei Rennen auf Sand überlegen, ging später in die Zucht. In den nächsten Tagen wird sie Nachwuchs von Banyumanik zur Welt bringen“, sagt Schmitt voller Vorfreude.
Als Dawn’s Dancer den Rennstall verließ, musste natürlich ein neues Pferd her. Aus diesem Grunde schaute sich Schmitt im Hofer-Stall Pferde an, die auf die GSS-Auktion von Hofers Bruder Manfred gehen sollten. „Fleurie Domaine gefiel mir gleich gut, sie war zwar klein, aber sehr giftig, und Mario Hofer hatte auch eine gute Meinung von ihr. Einer der anderen Kandidaten, die ich auch noch im Auge hatte, war übrigens Moneytrain.“
Auf der GSS-Auktion wurde Fleurie Domaine dann nicht verkauft, wechselte kurz danach aber freihändig für 40.000 DM in Schmitts Besitz.
Was die Unfuwain-Tochter zweijährig zeigte, war nicht viel. „Ihre Trainingsleistungen waren gut, aber im Rennen waren die Distanzen wohl auch zu kurz“, sagt der Besitzer.
Dreijährig sah man dann eine ganz andere Fleurie Domaine. Beim Saisondebut musste sie in Mülheim gleich in der Siegerklasse heran, doch war sie dort auf Anhieb nicht zu schlagen. „Sie ließ damals die im Stall von Andreas Schütz hoch gehandelte In the Wind hinter sich“, sagt Schmitt.
Nach dieser Form war ein Start im Las Vegas-Slenderella-Rennen nur logisch und vom Fleurie Domaine-Team auch geplant. Leider verletzte sie sich am Morgen des Rennens, so dass der Start gecancelt werden musste. Es folgten vier Starts, in denen es zu zwei Platzierungen langte, dann zwei Siege auf Ausgleich II-Ebene in Mülheim und in Düsseldorf, wo Fleurie Domaine die gute Wittekindshoferin The Classic hinter sich ließ.
Black Type, das erste wichtige Ziel, das jeder Besitzer einer guten Stute hat, wurde dann wieder in Mülheim erreicht, als im Nereide-Rennen nur die Zoppenbroicherin Think Twice zu stark war. In Frankfurt galt die Schmitt-Stute im Stutenpreis der Mehl-Mülhens-Stiftung hinter der klaren Favoritin Uriah und der Schlenderhanerin Tucana als dritte Favoritin.
„Dort war der Rennverlauf total gegen sie. Als sie eingangs zur Geraden angreifen wollte, wurde sie krass behindert, musste einen gewaltigen Stopp hinnehmen, kam zum Schluss noch einmal wieder und wurde Vierte. Jean-Pierre Carvalho sagte mir anschließend, dass sie ohne das Pech zumindest Zweite geworden wäre, vielleicht hätte sie auch Uriah noch gefährden können“, erinnert sich Schmitt.
Nach den guten Leistungen als Dreijährige hatte man sich zum Saisonauftakt den Sandbahn Grand Prix in Cagnes ausgesucht, ein Rennen, in dem Mario Hofer schon zweimal erfolgreich gewesen war. „Den Start kann man abhaken, sie war schon nicht gut gereist, die Bahn war auch viel zu schnell für sie, das mag sie nicht.“
Nach dem Frankreich-Flop wollte Schmitt der Stute eigentlich eine Pause gönnen, doch vor dem Kölner Grand Prix Aufgalopp rief Mario Hofer ihn an und teilte ihm mit, dass die Stute sich in der Arbeit richtig gut angeboten hätte. „Ich sah mir die Abschlussarbeit an, wir entschlossen uns zu einem Start. Die Arbeit war wirklich gut, aber auch Denaro ging riesig“, sagt Schmitt, der also nicht ohne Zuversicht dem Kölner Rennen entgegensah, mit Platz drei aber sicher schon hochzufrieden gewesen wäre.
Schmitt: „Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als es zum Finish kam, 150 Meter vor dem Ziel konnte man noch nicht erkennen, dass es gehen würde, aber sie hat ein großes Kämpferherz. Es war auch ein toller Ritt von Jean-Pierre Carvalho, der sie aus dem Training bestens kennt und mit ihr als Speedpferd auch bestens zurechtkommt.“
Selbstverständlich fragt man sich, wie es mit der Stute nun weitergeht. Eine Nachnennung für das erste Gruppe-Rennen der Saison wäre eine Möglichkeit, auch der Gerling-Preis in Köln. „Für den Gerling-Preis ist sie genannt, bei der Auswahl des nächsten Rennens vertraue ich voll und ganz auf Herrn Hofer, der auch Auslandsoptionen prüft“, sagt Schmitt.
Meistens findet eine Stute, die ein Listenrennen gewinnt und dabei so ein hoch eingeschätztes Pferd wie Aolus bezwingt, auch schnell den Weg in die Notizbücher mancher Turfagenten.
„Es gab bislang lose Anfragen, aber noch keine konkreten Kaufangebote. Natürlich hängt mein Herz an der Stute, aber ich bin auch Kaufmann, und ab einer bestimmten Summe muss man sich auch von einem Pferd trennen können“, sagt Schmitt, der zusammen mit seinem Freund Jörn Brattke mit dem Lead on Time-Sohn Whiskytime noch einen Zweijährigen sein eigen nennt, der unter der Stallgemeinschaft „Herzensbrecher“ im Dortmunder Stall von Reiner Werning steht.
„Das war ein Spontankauf auf der Mülheimer Auktion im letzten Jahr, denn für sein Pedigree war der Preis wirklich ungeheuer günstig“, sagt Schmitt, der auf den ersten Start des Hengstes noch etwas warten muss, dem nächsten Auftritt seiner „Fleurie“ aber schon ungeduldig entgegenfiebert.