Ein Deutscher beim Godolphin-Imperium

Sie sind hermetisch abgeriegelt, streng überwacht. Kein Wunder, denn die Boxen beherbergen Galopper von hohem Wert. Sicherheit wird groß geschrieben in den Stallungen. Dubai, Wüsten-Paradies am Golf, die Keimzelle der rennsportlichen Aktivitäten von Sheikh Mohammed und der mächtigen Maktoum-Familie. Hier kommt so schnell niemand hinein, der nicht unmittelbar zur Belegschaft der Sheikh-Entourage gehört.

Geschafft hat es allerdings ein Mann aus Deutschland. Zumindest für kurze Zeit. Mehrere Wochen stand er in Diensten Godolphins. Als Heilpraktiker für Pferde. In diesem Job sicher so etwas wie der Ritterschlag. Dazu gekommen ist Peter Strittmatter (42), zu Hause 60 Kilometer südlich von Rosenheim, durch Eigeninitiative. “Im April 2001 habe ich Kontakt mit Dubai aufgenommen, nachdem ich einen Bericht über Godolphin im Fernsehen gesehen hatte. Ich dachte, in Deutschland tut sich in dieser Sache ohnehin nichts, da gehe ich gleich an die Großen ran.”

Geantwortet wurde postwendend. Strittmatter: “Nach einer Woche kam eine Email. Man schrieb mir, ich solle doch vorbeikommen, wenn ich in der Nähe sei.” Geflogen ist der Bayer in der ersten Mai-Woche 2001 sowie erneut im November. Geleistet hat er in gewissem Sinne Pionierarbeit. Strittmatter setzt Lymphdrainagen. “Das ist eine sehr sanfte Massage-Methode durch Handauflegen. Nicht die Muskulatur wird behandelt, sondern nur die oberflächlichen Gewebeschichten. Das ist eine Hautverschiebung. Der Druck wird ausschließlich durch Bewegungen mit der Hand erzeugt.”

Von Hause aus sind eigentlich Menschen das Objekt seiner Behandlungen. “Ich arbeite in einer Klinik als Physio-Therapeut. Vor zwei Jahren habe ich mir ein zweites Standbein geschaffen mit den Lymphdrainagen für Pferde. Ich würde auf Dauer natürlich gerne einmal davon leben, aber mit dem Gesundheitswesen sieht es in Deutschland ja schlecht aus. Seit sechzehn Jahren habe ich Erfahrungen mit Lymphdrainagen “, erzählt unser Gesprächspartner.

Unter Anleitung und Förderung von Professor Rautenfeld von der Tierärztlichen Hochschule Hannover absolvierte Strittmatter hier seine Ausbildung, machte sein Diplom. “Zuvor gab es noch keine einheitliche Ausbildung für diesen Job. Allzu groß sind die Unterschiede zwischen der Behandlung von Pferden und Menschen nicht. “Von der Anatomie ist alles sehr ähnlich. Der Aufbau der Lymphgefäße ist gleich, auch bei den Abflusswegen gibt es große Übereinstimmungen. Die Griff-Techniken und der Druck sind vergleichbar.”

Voraussetzung für den Einsatz von Strittmatter und seinen Kollegen am Pferd ist eines der folgenden Krankheitsbilder. Strittmatter wird fachspezifisch: “Zum einen chronische Phlegmone, das sind Umfangsvermehrungen der Gliedmaßen. Gute Erfolge kann man auch bei angelaufenen Beinen haben, ein häufiges Krankheitsbild. Oder bei Ödemen nach Verletzungen und Operationen.”

In Dubai ging es aber ganz klar um eine Geschichte, die einige Anforderungen stellt – Sehnenschäden, die behandelte der “Doc”. “Jede Sehnenverletzung geht mit einer Schwellung einher. Wenn Flüssigkeit abtransportiert wird, dann lässt sich der Heilungsprozess beschleunigen”, erklärt der Mediziner.

Schauplatz der Strittmatter´schen Arbeit waren die Zabeel-Stables von Satish Seemar. Hier sind ausschließlich Pferde untergebracht, die in den Emiraten ihre Rennen bestreiten (die internationalen Cracks stehen in den Al Quoz-Stables). Besonders beeindruckend für den deutschen Gast: das Zusammenwirken mit Seemar: “Er hat zehn Jahre mit Monty Roberts gearbeitet, hat unglaublich viel Wissen, ist da fast eine Gottheit.”

Nachdem Peter Strittmatter Bandage-Material schon vorher nach Dubai geschickt hatte (“das wäre sonst Übergewicht gewesen”), konnte er guten Gewissens in Aktion treten. Sein Erstauftritt: “Mir wurden verschiedene Pferde vorgeführt. Ich durfte entscheiden, welche ich behandeln würde, Ultraschall-Bilder wurden mir vorgelegt. Auf zwei Pferde habe ich mich dann konzentrieren können.” Welche das waren, das wollte er uns nicht verraten, die ärtzliche Schweigepflicht versteht sich.

Der Rat des Therapeuten – auch dieser wurde akzeptiert. “Das Training wurde entsprechend gestaltet, dazu gehörte natürlich der Pferde-Swimmingpool”, schildert Peter Strittmatter. “Und dann befindet sich in Dubai ja die größte Pferdeklinik der Welt, ist direkt an die Ställe angeschlossen.”

Bei aller Akzeptanz, eine Annäherung an die Herrscherfamilie war auch für ihn nur schwer möglich. “Man muss sich alles hart erarbeiten. Selbst eine Person, die von sich behauptet, alle Sheikhs zu kennen, hat noch nicht mit Sheikh Mohammed sprechen können. So leicht kommt man da nicht heran”, berichtet Peter Strittmatter. “Es war eine sagenhafte Zeit, eine Ehre für mich. Die tollsten Erfahrungen habe ich im öffentlichen Leben gemacht.”

Beispiel das Postamt in Dubai – oder wieviel Zeit man braucht, um ein Paket zu verschicken. Strittmatter erzählt in seinem witzigen bayerischen Humor die Episode: “Ich kann eigentlich ganz gut Englisch, kam aber trotzdem nicht richtig weiter. Ich wollte Kompressionsmaterial nach Deutschland senden und dafür einfach den Preis wissen. In der Hauptpost waren nur Einheimische. Etliche Schalter hatten geöffnet. Erst war ich am falschen. Am richtigen angekommen, wurde ich gefragt, ob ich das Paket teuer oder billig schicken wolle. Natürlich habe ich mich für die günstige Variante entschieden, habe mich wieder bei den Einheimischen angestellt. Als ich gemerkt hatte, dass man sich hier nicht in eine Schlange einreiht, ich immer weiter nach hinten geriet und das Recht des Stärkeren zählt, habe ich mich danach gerichtet, war dann an zweiter Stelle. Vor mir bekam jemand ein Formular. Als er das ausfüllen sollte, also nebenan stand, wurde aber kein anderer bedient. Der Mann hinter dem Schalter hat sich bequem in seinen Stuhl gelehnt. Ich habe die Hände gefaltet, aber das hat ihn nicht interessiert. Schließlich kostete das Paket sechzig Mark. Diese Geschichte war eine Bereicherung für mich.”

Bei soviel Spass fiel Strittmatter die Arbeit leicht. Eine Arbeit, die er allerdings wohl in Dubai (vorerst nicht fortsetzen kann. “Trotz sichtbarer Erfolge sagten die Tierärzte, auch ohne Lymphdrainagen wäre das machbar gewesen. Ähnlich wie bei uns dulden Tierärzte nicht unbedingt Therapeuten. Mein Job ist aber nicht als Konkurrenz gedacht, sondern dazu da, die Therapie zu unterstützen.”

Eine Therapie, die nicht auf Galopper beschränkt ist. “Ich behandle alle Arten von Pferden. Das beginnt bei billigen Pferden und geht bis zu Millionen-Tieren. Sie unterscheiden sich zwar im Gewebe, werden aber alle gleich behandelt”, sagt Dr. Peter Strittmatter, ein Profi in seinem Gebiet. Der T-Shirts hat (und in Dubai trug), auf denen seine Homepage-Adresse (www.pferde-therapie.de bzw. horse-therapy.com) aufgedruckt ist. Der hofft, dass auch Trainer und Besitzer in Deutschland auf sein Metier aufmerksam werden. Nicht zuletzt bringt er Dubai-Erfahrungen mit. Und das nicht zu knapp.

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