Er wird immer und immer wieder unterschätzt. Das liegt wohl vor allem daran, dass er einen unorthodoxen Reitstil pflegt. Waldemar Hickst sitzt anders auf dem Pferd als die meisten Jockey-Kollegen. Oder: es sieht zumindest so aus. Die Erfolge sind indes beachtlich: 582 Siege hat Hickst bis dato im Rennsattel errungen, 41 sind es bis jetzt schon in der Saison 2002. Waldemar Hickst: das ist der unterschätzte Jockey auf Deutschlands Rennbahnen, der zuletzt noch auf Listenebene mit Dictum im Coolmore Stud Baden-Baden-Cup in Iffezheim erfolgreich war.
38 Jahre ist Hickst alt, wird am 1. Dezember 39. Durchaus kein Alter für einen Reiter. ‚Das ist der Mann für alle Fälle‘, sagt Trainer Harro Remmert über ihn. ‚Ein sehr guter Arbeitsreiter.‘ Hickst ist bei Remmert in Mehrfach-Funktion tätig. Arbeitsreiter, Jockey, zweiter Futtermeister. ‚Ein sehr fleißiger Mann.‘ Nicht umsonst ist Waldemar Hickst schon seit 1992 fest an Remmerts Stall tätig. Eine lange Zeit im schnelllebigen Geschäft Galopprennsport.
Es war am 26. September 1992, als auf der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch der Name Hickst erstmals dem Publikum bekannt gemacht wurde: Reiterwechsel auf dem russischen Hengst Rezon im Kaufhof-Preis. Weil der ursprünglich vorgesehene Jockey kein Visum bekommen hatte, und Hickst eine knappe Woche zuvor die Lizenz erhalten hatte, ritt Hickst Rezon. Er ritt ihn zum Sieg und alle rieben sich völlig verwundert die Augen. Wegen des Sieges und wegen des Reiters. Des Reiters mit dem Stil, der anders ist.
‚Was die Leute über meinen Reitstil denken, ist mir egal.‘ Das hat Waldemar Hickst schon früh gesagt. 1994 genauer gesagt, als ‚Galopp Intern‘ eine Geschichte über den Deutsch-Russen veröffentlicht hat. Der Sieg mit Rezon in Köln – es war der erste Sieg des Jockeys in Deutschland. Was keiner wusste: 418 Siege, zwischen 1987 und 1991 vor allem in Kirgisien und Kasachstan erreicht, hatte Hickst da schon auf seinem Konto: es waren Siege mit Vollblütern und mit Arabern. Und es waren auch fünf Derbysiege. Drei in Kirgisien, zwei in Kasachstan.
In Kasachstan ist Waldemar Hickst auch geboren, die Großeltern stammen aus Deutschland. Schon in den 60er und 70er Jahren wollte die Familie, allesamt im Besitz eines deutschen Passes, zurück nach Deutschland wechseln, das hat nicht geklappt. Erst 1991 gelang es. Hickst war in seiner alten Heimat auch schon einmal Trainer. 57 Siege schnappte er sich in dieser Funktion zwischen 1988 und 1990. Jockey, Trainer, Arbeitsreiter, Futtermeister – Waldemar Hickst hat das alles schon erlebt. Pferde sind sein Leben, sie sind es fast immer gewesen. Auch schon zu Schulzeiten. Und heute natürlich immer noch. Sie bestimmen den Tagesablauf.
Hickst hat durchaus auch große Rennen gewonnen, wurde von Trainer Harro Remmert immer unterstützt. Mit Massada hat er den Sieg im Preis der Winterkönigin erreicht. Das war am 3. Oktober 1995. Und wieder haben sich alle verwundert die Augen gerieben. Massada gewann mit Hickst im Sattel an diesem Tag für Harro Remmert als 511:10-Außenseiterin. Sie gewann erdrückend überlegen mit elf Längen Vorsprung. Sie zahlte auch deshalb so viel, weil Hickst im Sattel saß: der unterschätzte Jockey Hickst. Auch Rennkommentator Manfred Chapman war zunächst etwas verwundert, als die beiden an der Außenseite da so herrlich aufmarschierte. 400 Meter vor dem Ziel sagte Chapman: ‚Und außen, da kommt sie! Mas..‘ Ganz kurze Pause, Chapman wollte schon Masai Mara sagen, die Favoritin des Rennens. Er merkte es sofort: ‚…..sada! Massada trumpft hier auf. Massada ist dreihundert Meter vor dem Ziel ein völlig überlegenes Pferd.‘ Waldemar Hickst hat diesen Tag nie vergessen und er bedankte sich bei der Siegerehrung in aller Öffentlichkeit bei dem Mann, der immer und immer wieder, egal was andere sagen, an ihn geglaubt hat: bei seinem Trainer Harro Remmert.