Erstmals besuchte ich Ende der Siebziger die Rennen in Iffezheim. Voller Ehrfurcht betrat ich das Hippodrom, das anders sein sollte, als die Rennbahnen an Rhein und Ruhr, auf denen ich dank meiner Eltern zum Rennsport gekommen war. Es war in der Tat so. Fesselnd, aufregend, nie mehr ohne „Baden-Baden“, so mein Schwur vor gut 30 Jahren.
Daran änderte sich nichts. Als ich mir früh in diesem Jahr den Terminkalender für Baden-Baden zur Brust nahm, stutzte ich kurz. Frühjahrs-Meeting: Keine Rennen am Montag, keine am Dienstag. Oh Gott, welch eine Langeweile. Zum Mummelsee sind wir vor 20 Jahren, nach Freudenstadt vor 25 und nach Freiburg vor 30 Jahren gefahren. Was soll ich tun, an diesen Tagen? Familienrat, schneller Entschluss, Jubel in der Familie: Das erste Wochenende schenke ich mir.
Anreise also Mittwoch. Pünktlich 15 Uhr steuere ich meinen Opel aus Herne auf den Parkplatz. Oh Gott, doch irgendeine Terminänderung verpasst? Wo sind die Leute? Doch die Rennen finden statt, aber alles ist nicht irgendwie „mein Baden-Baden“. Kaum Stimmung, dazu leider dunkle Wolken über dem Nordschwarzwald. Das bleibt bis zum Ende nach 20 Uhr. Treffen konnte ich auch nichts, eine „Pizza“ musste her.
Beim Italiener einige Minuten außerhalb der Innenstadt von Baden-Baden sehe ich Jürgen Winter mit seiner hübschen Gattin speisen. Ich kläre meinen Kumpel Manni auf: „Er ist Vizepräsident des Internationalen Clubs, Eigner des Haras de la Perelle in Frankreich. Der Mann lässt die Pferde bei Andre Fabre trainieren. Nebenbei ist er Besitzer von Betty Barclay.“ Wow! Unsere Pizza „Napoli“ schmeckt uns noch mal so gut.
Fronleichnam. Feiertag, Geschäfte geschlossen, Baden-Baden „ausgestorben“. Mein Spaziergang durch die Arkaden in Richtung Casino wird überschattet durch Trompeten und Gesang. Ich reihe mich kurz bis zur „Trinkhalle“ in die Fronleichnamsprozession ein, erbete ein „gutes Ding von oben.“
Im Gegensatz zu Mittwoch ist die Bahn am Donnerstag proppenvoll. Die Badenser lassen den Internationalen Club nicht im Stich, kommen in Scharen. So muss es sein. Nach eigehender Studie des Tagesprogramms komme ich zu dem Schluss, dass es ein Tag der Schlenderhaner sein könnte. Als ich dann noch Baron Ullmann im Führring sehe, wird mein Appetit immer größer.
Doch am Ende gibt es keinen Cent zurück. Aber vor allem das Geld auf dem dreijährigen Agapanthus hole ich mir locker zurück, auf Tutti! Aber auch davon abgesehen, auch in den anderen Rennen konnte ich keinen Taler gewinnen. Die Siegerehrung nach dem von Caudillo gewonnenen Betty Barclay-Rennen schauen wir uns genau an. Jürgen Winter und seine Frau Ines überreichen die Ehrenpreise. Schließlich kennt man sich.
Am Abend muss der Frust raus. Am Besten im „Löwenbräu“ bei einer Haxe. Einige Jahre war ich nicht mehr dort. Im Garten war es leider zu kalt, 18 Grad zeigte das Thermometer, doch es waren nur gefühlte zehn. Nur einige leicht bekleidete abgehärtete russische Gäste wählten den Außenkurs.
Freitag, keine Rennen, aber Auktionstag. Am Morgen natürlich zunächst einmal Pflichtlektüre „Badisches Tagblatt“. Wenn doch nur in jeder Pferdestadt solch ein Blatt auf dem Markt wäre. Und natürlich die „Sport-Welt“. Wer jetzt noch nicht weiß, wer gewinnt, ist selber schuld.
Bummel durch die Innenstadt, ein Eis, ein Besuch bein „Wagener“, ein Bierchen vorm „Leo’s“, kurzer Besuch beim „Bookie“. Die ersten Infos fürs Wochenende erhaschen. Am Mittag fährt man natürlich raus auf die Auktion, trifft alte Bekannte, hofft auf weitere „Annoncen“ fürs Wochenende. Auch schaut man in die Halle rein. Und wundert sich, wie erstaunlich niedrig teils die Pferde aus dem Ring gehen. Sogar unsereiner hätte hin und wieder mit dem Geldbeutel winken können.
Draußen noch ein frisches Bier, dann der kollektive Aufschrei: Ein neuer Höchstpreis, vielleicht die Million geknackt? Weit gefehlt. Auf einem Monitor wurden die Rennen aus Chantilly übertragen. Die von Werner Baltromei für das Gestüt Karlshof trainierte Samun-Tochter Baila me gewinnt ein „Hammer-Maidenrennen“ unter Dominique Boeuf. Bruno Faust vom Karlshof war überhaupt nicht mehr zu beruhigen, zeigte Gott und der Welt das Starterfeld. „Ich hab sie umgehauen, die Aga Khans, die Abdullahs… Aber Hand auf’s Herz: Das sind die Momente, die Züchter und Besitzern brauchen.
Abends essen. Aber wo? Etwas Neues solltes es sein. „Oscar’s“ in der Iffezheimer Fußgängerzone, wenige Meter vor den Touristik-Bomben. Tolles Interieur, leckere Bratkartoffeln mit Wurstsalat. Doch von Gästeschwemme keine Spur, wir speisen alleine. Fünf Monate sei man nun hier, doch so richtig angenommen sein man noch nicht. Auch der Versuch des im Türrahmen stehenden Kellners, die Gäste a la Reeperbahn-Manier für sich zu gewinnen, scheitert.
Samstag. Die Krawatte bleibt erneut im Schrank. Immerhin steht kein Gruppe-Rennen auf der Karte. Am Toto läuft es etwas besser, die Stimmung ist ebenfalls gut. Doch Moment? Was war mit den angekündigten Änderungen auf der Bahn? So richtig wirklich findet man nichts Neues vor. Und wo die Raucher nun ihre Zigarren qualmen können, kommt man sich auch nicht vor, als hätte man eine bessere Lounge betreten. Ohnehin, wer auf der Bahn einen besseren Glimmstengel kaufen möchte, scheiterte immer noch. Auch scheint alles unverändert kasernenartig aufgebaut. Da das Volk, da…Vielleicht täusche ich mich auch.
Grand-Prix-Tag. Bereits der bestens vertraute Parkplatzwächter trällert, dass Adlerflug nicht laufen werde. War doch keine Überraschung, denke ich mir. Und sowieso, wer die Musik bestellt, darf bestimmen, wann nun wo gespielt wird. Auf Oriental Tiger hatte ich auch keinen Mumm. Nur auf einen: It’s Gino. Und der schoss mich wieder soweit nach vorne, dass ich Baden-Baden am Abend nach meiner Rückkehr im Kreise meiner Familie Baden-Baden wieder über den grünen Klee lobte.
Aber, auch ohne diesen Treffer würde für mich der Rennsport in Deutschland ohne die Rennen in Iffezheim keinen Sinn machen. Obwohl, ehrlich gesagt, für mein Geld Baden-Baden als Premiumbahn in diesen höchst schweren Zeiten auch für den Rennsportfan vielleicht noch eine „Schippe drauflegen müsste.“
Lieben Gruß von Werner aus Herne