Aus Ahmet Refii Deners Kolumne „Meine Ecke“:
Der junge Andreas Helfenbein
Dave (Richardson) steht an Kölner Renntagen fast immer auf dem Weg, wenn die Pferde vom Rennen zurückkommen. Jeder Jockey, der ihn vom Pferd runter sieht, grüßt. Er ist und bleibt ein Sympathieträger. Bei einem dieser Augenblicke bin ich zu ihm gegangen und fragte ihn, wen er von denen als Stalljockey nehmen würde, wenn er wieder Trainer wäre. Die Antwort kam schlagartig und sehr authentisch: „Mit Andreas (Helfenbein) kann man gut arbeiten, ein guter Junge, mit ihm würde ich starten.“
Wie ich schmunzeln musste, wurde ihm auch klar, dass er vom „jungen Andreas“ sprach, wo er doch mittlerweile einige Jahre Jockey-Dasein auf dem Buckel hat. An Andreas mag ich eines nicht, diesen Spruch: „Willst Du an der Kasse sein, setz Dein Geld auf…“ Ich weigere mich den Satz zu Ende zu schreiben, aber für den Spruch kann er nichts. Egal, wann er gewinnt, fällt dieser Spruch, so, als würde man jemandem „Hals und Bein!“ wünschen, so selbstverständlich ist es seit bald vierzig Jahren.
Andreas hat über 1800 Rennen gewonnen und ob er weiterreiten wird, entscheidet er im kommenden Jahr, hat er mir heute erzählt. Bis heute haben wir in vierzig Jahren miteinander eine Gesamtsprechzeit von vielleicht einer Stunde, nach oben aufgerundet, aber dennoch kann ich sagen, wir verstehen uns gut und sind kompatibel. Auch wenn wir uns nach Jahren sehen, geht es so weiter, als hätten wir uns das letzte Mal gestern gesehen.
Er sagte mal bei einem Siegerinterview, dass er seine Zukunft unter dem Dach des Gestüt Röttgens sieht. Tatsächlich bestätigte er, dass er dort im Trainingsbetrieb angestellt ist.
Andreas hat bittere Momente gehabt, nicht nur Verletzungen, sondern auch die Tatsache, dass andere Reiter ihm im Rennen, wo es um die Wurst ging, vorgezogen wurden. Wie bei jedem Leistungssportler nötig, sollten auch die Jockeys einen zur Seite haben, der sie coacht und berät. Diese Person sollte vom Verband bezahlt sein und damit er vom Beratenen nichts erwarten kann. Diesen Mentor fand Andreas in Form von Uwe Aisch, der ihn auffing und ihm zu seinen schwersten Zeiten den Weg zeigte. Seine Dankbarkeit Uwe Aisch gegenüber kann er schwerlich in Worte fassen. Die beiden bekannt gemacht hat Werner Baltromei, als Andreas damals beim großen Bruno Schütz war. Grüße nach oben!
Wo wir beim Namen Baltromei gelandet sind, können wir weitermachen, denn nicht minder ist Andreas dem Dirk ‚Pinky‘ Baltromei dankbar. Was die wenigsten wissen, ist die Tatsache, dass Pinky derjenige war, der damals Schwarzer Peter aussuchte und auch von Uwe Aisch bestimmter Racing Manager des Pferdes war. Ich finde, dass Pinky selbst schlecht gemanagt worden ist, wenn überhaupt. Mit einem Mentor, auf den er dann allerdings hätte hören müssen, wäre er ein Top-Trainer, oder Pferde-Agent, geworden. Wenn Pferd, dann Pinky, aber das wissen sowieso viele…
Schwarzer Peter wurde in der Arbeit immer von Andreas geritten, aber als es Richtung Rennen ging, soll er Andrasch gesagt haben, dass er sich nicht schlecht fühlen müsse. Er wäre schließlich der Stalljockey und das Pferd würde er für ihn genauso trainiert haben, als würde er selbst reiten. So ist der Andreas. Es ist kein Zufall, wenn Dave mit dem ‚Jungen‘ von 55 Jahren wieder anfangen würde. Übrigens machte er seine Lehre als gebürtiger Frankfurter bei Andreas Hecker. In die Nähe des ehemaligen Frankfurter Rennbahngeländes mag er nicht mehr hingehen. Der Schmerz säße tief, zumal er damals gesehen hatte, wie die neue Tribüne gebaut wurde. Er spricht vom Herzen und so handelt er auch. Mittlerweile ist er über zehn Jahre bei Röttgen.
Vor dem Derby dann entschied sich Andrasch schon zeitig für So Moonstruck und wie knapp im Derby zuging wissen wir ja. Andreas führt das Versagen von Schwarzer Peter in der Union auf den Boden zurück. Schwarzer Peter hätte ab zweijährig keine gesundheitlichen, sondern nur Entwicklungsprobleme gehabt und wäre jetzt mehr Pferd als vorher. Wollen wir hoffen, dass die neuen Besitzer, die eine Million Euro für ihn bezahlten, Spaß mit ihm haben und Schwarzer Peter gesund bleibt.
Auf seine Auslandsaufenthalte angesprochen, nannte er Torsten Mundry. Er wäre dankbar, dass er für ihn damals den Macau-Deal arrangiert hätte und er mit Unterbrechungen über 1,5 Jahre dort und zeitweise in Katar reiten konnte. Auf die Auslandsaufenthalte verzichtete er, weil er lieber bei Sohn und Frau sein wollte. Ich denke, so wie ich das angehört hat, hätte ich ‚Sohn‘ Tim (17) dick und fett schreiben und markieren müssen, aber bei mir ist das auch nicht anders. Mein Sohn und sonst nichts.
Der Reitstil
Einem Jockey zu sagen, dass er früher im Finish grausam geritten ist, ist nicht einfach bis unmöglich. Da wollte ich aber bei Andreas hin, weil ich seinen Stilwechsel schon registriert hatte. So wie er auf dem Pferd sitzt bzw. reitet, erinnert stark an Andraschs Haltung. Ich tastete mich allmählich heran und sagte: „Mittendrin hast Du mal Deinen Reitstil geändert.“ Zum Glück hatte ich bei diesem grundehrlichen Menschen auf den richtigen Knopf gedrückt. Da sagt er doch tatsächlich: „Grausam habe ich geritten. Damit meine ich nicht schlecht geritten, sondern im Finish. Das kannst Du ruhig schreiben. Wenn ich bei den Aufzeichnungen sah, wie ich Finish geritten habe, auch wenn ich gewann, konnte ich nicht mehr hingucken. Es musste war passieren vor der Reise nach Macau. Würde ich so hinfliegen, würden die mich nach zwei Tagen wieder zurückschicken. Es hat sehr viel Zeit und Kraft gekostet, zumal ich Bewegungslegastheniker bin, hatte also motorische Schwierigkeiten, wenn ich mich bewegte.“
Vor der Reise nach Macau dann saß sein Stil. Die Optik gab auf einmal viel her und er konnte ruhigen Gewissens dahin reisen, ohne zu befürchten, dass er zurückgeschickt werden würde. Der Erfolg gab ihm Recht. Ich wollte ihn noch fragen, ob er sich diesen Stil bei Andrasch abgeguckt hätte, aber wie. Er merkte, dass ich am Rumstottern war und wo ich hinwollte. „Ja, den Reitstil habe ich von Andrasch. So wie er geht nicht, aber so ähnlich, ja.“ Da war er wieder, der Andreas. Andere ins Rampenlicht rücken, kann er gut. Dann verlor er auch gute Worte über seinen Trainer, aber er wäre nicht er, wenn er das nicht täte. So, kommen wir allmählich zu einem Schluss. In diesem Jahr wird Andreas nicht mehr reiten und ob er wieder kommt, werden wir im kommenden Jahr sehen. Erwähnt hat er noch, dass er sich um die Auszubildenden des Stalles kümmert. Ab und an sind sie bei E-Pferd und da stoßen auch die Reiter und Reiterinnen vom eigenen Stall und auch Auszubildende vom Stall von Christian von der Recke hinzu. Ich finde in Andreas haben sie den richtigen Ratgeber, denn wer seine Fehler so genau benennen kann, der weiß auch, wie es richtig geht. Lieber Andreas, ob Du wieder Spaß hast und zurückkommst zum Rennreiten, werden wir sehen und wenn Du doch die Reitstiefel an den berühmten Nagel gehangen haben solltest, dann bleibt nur noch zu sagen: Den deutschen Rennsport hast Du bereichert. Auf die Gesundheit und Zufriedenheit mit Deinen lieben Menschen und Pferden, mein Freund.
Sollte das der Fall sein, dass Du nicht mehr zurückkommst, werde ich dann auf einmal einen von mir gehassten Satz doch vermissen: „Willst Du an der Kasse sein, setz Dein Geld auf Andreas Helfenbein!“